Im letzten Königreich

Ein Jahr Swasiland mit Julius und Jan

Anekdoten

Nach nunmehr einem Monat in Swasiland haben Jan und Julius schon einige Erfahrungen gemacht, die ihnen einige Unterschiede in Kultur und Denkweise zwischen Europa und Afrika, zwischen Deutschland und Swasiland vor Augen führten.

Drei Anekdoten sollen auch euch – den Lesern dieses Blogs – diese Unterschiede näher bringen.

Nachdem Julius an einem sonnigen Tag die Arbeit im Schulgarten beendet hatte, saß er noch eine Weile mit ein paar Jungs zusammen und unterhielt sich über dieses und jenes. Mit der Absicht, sich vor den anderen zu profilieren, zeigte er ihnen sein Tattoo. Entgegen seiner Erwartungen reagierten diese nicht respektzollend und bewundernd. Viel eher zeigte sich in den Gesichtern der Jungs Unverständnis. Daraufhin erklärten sie, dass der eigene Körper ein Tempel sei, den Gott einem geschenkt hätte. Ihn zu beschreiben, verstoße gegen allen Anstand und zolle dem Teufel Tribut. Wenn die Polizei das Tattoo zu Gesicht bekäme, sei eine Festnahme nicht auszuschließen. Julius musste versprechen, bei seiner Rückkehr nach Deutschland sofort zu dem Mann zu gehen, der ihm das Tattoo gestochen hatte und ihn für seine Untaten zu bestrafen. Tatkräftige Unterstützung wurde ihm von allen Seiten angeboten.

In Swasiland nimmt Religion einen viel größeren gesamtgesellschaftlichen Stellenwert  als in der Heimat ein, durchdringt aufgrund dessen viele Denkweisen des Alltags. Am Sonntagmorgen sieht man kaum einen Menschen auf der Straße, weil jeder in der Kirche ist. Von diesen gibt es hier ungeheuer viele. Unvorstellbar, dass in Deutschland, wo so gut wie jeder zweite tätowiert ist, jemand für seinen „Körperschmuck“  von der Polizei belangt wird.

An zwei Abenden in der Woche fahren wir abends in eines der „Boyshomes“, um den Bewohnern bei ihren Hausaufgaben behilflich sein. Auch Kevin, ein alter Studienfreund unseres Mitvoluntärs Ryan, begleitete uns diese Woche. Kevin, der in der Universität sein Geld mit Nachhilfestunden verdient hatte und deswegen als Fachmann bezeichnet werden kann, half an jenem Abend einem Jungen bei seinen Englischaufgaben. Lautstark bekundete er sein Missfallen über Ausdruck und Rechtschreibung seines Schützlings. Dabei benutzte er auch Kraftausdrücke. Ein anderer Junge, der neben Julius seine Aufgaben machte, fragte diesen, was diese Wörter denn bedeuteten. Nach einer kurzen Erläuterung setzte der Junge eine ernste Miene auf und erklärte, dass man für diese Wörter ins Gefängnis kommen könne, wenn sie im Beisein der Polizei benutzt würden.

Auch das Verhältnis zum Staat ist ein anderes als in Europa. Dieser hat nach unseren Beobachtungen sogar Einfluss auf die Sprechweise seiner Bürger, während man im Westen aufgrund des Bestrebens, möglichst individuell zu sein über solche Regulierungen von Seiten des Staates nur lachen würde und die „verbotenen Wörter“ doppelt so oft benützte. Jedenfalls, wenn man ein Rebell ist. Besonders der König hat großen Einfluss auf die Bürger Swasilands. Egal wie es den Menschen geht, dem König, welcher gleichzeitig die Regierung darstellt, wird niemals die Schuld für die Situation der Leute zugeschrieben. Denn die Monarchie ist das größte kulturelle Gut der siswatischen Gesellschaft. Ohne ihren König wären die Swasis um einen Großteil ihrer Kultur ärmer.

Natürlich interessieren sich die Jungs auch für unser Privatleben, was nicht verwunderlich ist, da wir einen guten Teil des Tages mit ihnen zusammen verbringen. So werden wir immer wieder nach unserer familiären Situation ausgehorcht. Wie viele Geschwister habt ihr? Was machen die? Habt ihr Schwestern, die wir heiraten können?.. sind Fragen, die wir schon mehr als einmal beantwortet haben. Am besten gefiel uns jedoch die Frage, warum wir denn keine siswatischen Freundinnen hätten. Unsere Antwort lautete natürlich stets, dass wir schon in festen Händen seien, woraufhin uns   stets erläutert wurde, dass es leicht möglich sei, auch mehr als eine Freundin zu besitzen. Einige der älteren Jungs wussten von drei oder mehr weiblichen Bekanntschaften zu berichten. Natürlich gleichzeitig. Polygamie ist in Swasiland von der Gesellschaft vollkommen akzeptiert. Der König dient dabei mit über ein Dutzend Frauen als Vorbild, dem auch die Jungs in ihrem zarten Alter von manchmal nur zehn Jahren schon nacheifern.

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  1. Stefan Fittkau

    Hallo Ihr Beiden,
    sehr unterhaltsamer Eintrag,Ihr habt ja in der kurzen Zeit unheimlich viel erlebt.
    Julius, dann bitte immer schön das Shirt anbehalten! 🙂
    LG aus Berlin

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