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Hallo meine Lieben!

Wie versprochen, möchte ich diesen Blogeintrag dem Projekt, meinen Aufgaben und meinem Alltag widmen. Vielleicht fragen sich manche, warum dies erst nach zwei Monaten kommt, jedoch braucht es einfach Zeit, bis man sich eingelebt hat, in seinem Alltag und dem Projekt angekommen ist und auch wirklich produktiv arbeiten kann. Im Folgenden möchte ich euch einen Tag, wie er so meist unter der Woche abläuft, schildern.

Pip, pip, pip…es ist 6:00 morgens, der Wecker klingelt und einer von uns zweien drückt auf die Schlummern-Taste, um noch einige Minuten rausschlagen und im Bett verbringen zu dürfen. Dann heißt es: Raus aus den Federn, Zähne putzen und das passende „Outfit“ für den Tag raussuchen. Immer noch ziemlich müde machen wir uns auf den Weg zur kleinen Kapelle im Projekt, um dort der täglichen Messe beizuwohnen, die von unserem Father auf Englisch gehalten wird. Anders als in Deutschland gehe ich hier wirklich gerne in die Kirche – es ist schön, das Leben der Community mitzugehen, der sehr lebensnahen Predigt zuzuhören und den Tag mit etwas Besinnlichem zu beginnen.

Anschließend helfen wir den Jungs bei ihren Morning Jobs. Für eine halbe Stunde kümmern sie sich um die Tiere (also Kühe, Ziegen, Hasen, Vögel, Hühner und Fische), sowie andere kleine Arbeiten, wie Kehren, Bewässern, Reinigen, Unkraut Rupfen usw.
Während die Jungs Zeit haben, eine Dusche zu nehmen, helfen wir meist in der Küche, versuchen, die Kunst des Dosai Machens zu erlernen, schneiden Gemüse oder schälen Zwiebeln und Knoblauch (zwei überaus wichtige Zutaten in der indischen Küche, die eigentlich in jedem Gericht zu finden sind).
Nach dem Frühstück geht es ab in den Schulbus, in dem meist schon alle Jungs auf uns warten; alle in ihrer Schuluniform und mit reichlich Kokosnussöl in den Haaren. Sobald wir die Tore des Projekts verlassen haben, wird die Musik aufgedreht und alle (ausgenommen uns selber – so weit gehen unsere Tamil Kenntnisse leider noch nicht) singen lauthals die tamilischen Lieder mit, die aus den Lautsprechern tönen. So vergeht die holprige Fahrt auf kleinen Straßen und Feldwegen bis zur Schule für die kleineren Jungs wie im Nu und es geht weiter zur Hauptstraße, wo sich die Schule für die Älteren, sowie die Bushaltestelle zum College befindet. Nachdem alle Jungs abgeliefert wurden, machen wir uns auf den Rückweg zum Don Bosco Care Home, auf dem wir meist in den Genuss einer Gesangseinlage unseres Drivers Tamil kommen.

Nun ist es 9:00 Uhr und wir haben eine halbe Stunde Zeit, bis unser Englisch Unterricht beginnt. Diese Zeit nutzen wir, um die Stunde noch einmal durchzusprechen bzw. letzte Kleinigkeiten vorzubereiten. Und dann befinden wir uns auch schon inmitten von 25 wuselnden, quirligen und gut gelaunten Kindern, die uns mit einem herzlichen „Welcome teacher“ begrüßen. Das indische Schulsystem konzentriert sich im Fach Englisch von der ersten bis zur zehnte Jahrgangsstufe überwiegend auf das Lesen von Texten. So mussten wir feststellen, dass die meisten zwar überaus komplizierten Texte lesen, jedoch einfachste Sätze und Wörter nicht verstehen können. Da ist es nicht verwunderlich, dass viele Englisch nicht gerade als ihr Lieblingsfach bezeichnen und daher auch keinen Anreiz haben, diese so wichtige Sprache zu erlernen. Daher haben es sich Anna und ich zur Aufgabe gemacht, den Jungs Spaß an Englisch zu vermitteln und ihnen Motivation durch Erfolgserlebnisse zu geben. Wir versuchen, den Unterricht so ansprechend, wie möglich zu gestalten, beispielsweise durch Actionsongs, selbstgestaltete Arbeitsblätter, Videos und Spiele kombiniert mit einem Belohnungssystem.

Nach dieser meist recht anstrengenden dreiviertel Stunde geht es wieder mit dem Bus zu unserer Tamil Lehrerin, bei der wir uns durch die tamilische Grammatik sowie Vokabellisten quälen. Als Belohnung gibt es eine Pause mit dem besten Tee, den wir bis jetzt probieren durften und einigen hausgemachten Snacks. Nach zwei Stunden ist der Unterricht beendet und wir kehren ins Projekt zurück.

Es ist 12:00, also Mittagessenszeit für die Jungs, die im Projekt unterrichtet werden. Wir helfen, das Essen auszuteilen, unterhalten uns so gut es eben geht in einem Mischmasch aus Englisch und Tamil und leisten beim ein oder anderen Überzeugungsarbeit, seinen Teller ganz aufzuessen :D.  Wenn alle Teller und Tassen abgespült sind und wieder an ihrem Platz stehen, machen auch wir uns auf den Weg zum Mittagessen und freuen uns auf Reis mit Samba, Chutneys und Curries und natürlich jede Menge frisches Obst.

Müde und erschöpft von dem bisherigen Tag, haben wir nun Zeit, um uns auszuruhen, den Unterricht für den nächsten Tag vorzubereiten, Tagebuch oder Blogeinträge zu schreiben und allerlei andere Dinge zu erledigen. Die Zeit vergeht wie im Flug und schon ist es 16.20 Uhr, also ab in den Bus, um die Jungs wieder von der Schule abzuholen. Mittlerweile haben Anna und ich schon ein gutes Repertoire an Smalltalk Sätzen auf Tamil, mit denen man allen immer ein Lächeln entlocken kann.

Im Anschluss gibt es Tee und kleine Snacks für sie, wonach gestärkt und (meist;)) voller Motivation auf den Sportplatz gestürmt wird. Jetzt wird für eine dreiviertel Stunde Basketball, Volleyball und Völkerball gespielt und alle zeigen vollen Einsatz. Anna und ich sind natürlich auch immer mit dabei, was uns bei den Temperaturen jedoch meist ziemlich ins schwitzen bringt 😀

Erschöpft, aber glücklich geht es ans frisch machen und danach zur Study Time, bei der die Jungs ihre Hausaufgaben erledigen, lernen oder sich auf bevorstehende Prüfungen vorbereiten. Wir helfen, so gut wir können und unterstützen vor allem in Englisch, Mathe oder Kunst, wobei der Versuch der Jungs, uns in ein Gespräch zu verwickeln und damit dem lästigen Lernen zu entkommen, nicht immer vergeblich bleibt ;D

Das anschließende Abendessen findet immer mit der ganzen Community statt. Das ist die einzige Mahlzeit am Tag, an der alle gemeinsam essen und dieses Ritual liegt besonders unserem Father sehr am Herzen. Nun ist es 9:00, das heißt schon seit einigen Stunden dunkel (die Dämmerung beginnt gegen 6:00Uhr) und nach den 30 Minuten TV, die den Jungs am Abend zusteht, heißt es noch einmal frische Luft schnappen. In der sogenannten Recreation Time verteilen sich alle im Hof, um sich die Beine zu vertreten, zu reden oder kleine Spiele zu spielen. Wir sind mal dort mal dort, quatschen mit den älteren Jungs über den Tag und versuchen unser Tamil zu verbessern oder spielen mit den Kleineren Klatschspiele. Der Tag endet mit einem Night Prayer und einigen Worten von einem Brother oder Father, von denen wir momentan leider noch nicht allzu viel verstehen können 😀

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Unter der Woche verlaufen die Tage meist ungefähr nach diesem Schema, das Wochenende sieht dagegen ein wenig anders aus. Seit einigen Wochen kümmern wir uns auch um medizinische Angelegenheiten. Im Genaueren heißt das, dass wir die Jungs samstags in das nahegelegene Krankenhaus begleiten, wo sie monatlich gewogen werden, neue Medikamente bekommen und Besonderheiten vermerkt werden. Diese Daten werden in ein Buch eingetragen, welches jeder Junge führen muss. Da diese Bücher jedoch meist unleserlich, zum Teil unvollständig und vor allem chaotisch sind, ist es unsere Aufgabe, alle Werte in eine Software einzutragen, in der alle registriert sind. Es ist wahnsinnig interessant, sich mit der Krankheit und den Fakten zu beschäftigen und dennoch fällt das Aufschlagen der Bücher unglaublich schwer. Den meisten hier sieht man ihre Krankheit auf den ersten Blick nicht an, sodass man sie im täglichen Umgang oft vergisst. Da fällt es umso schwerer, der Wahrheit ins Auge zu blicken und das Stadium des Einzelnen schwarz auf weiß zu sehen.
Aufgrund dieser Arbeit haben wir uns – zumindest bei den Jungs – schon den Namen Nurse Anna und Nurse Marie verdient, worüber wir uns natürlich sehr gefreut haben.

Ansonsten heißt es am Wochenende neben den lästigen Aufgaben, wie kleinere Jobs oder lernen, für die Jungs hauptsächlich Indoor- sowie Outdoorgames, Filme schauen und entspannen. Auch wir genießen die Wochenenden immer sehr, da der Timetable dort nicht ganz so strikt ist und wir wirklich in Ruhe und entspannter Atmosphäre Zeit mit unseren Jungs verbringen können.

Nach diesem nun doch wieder sehr ausführlichen Blogeintrag über meinen Alltag, hoffe ich, dass ihr einen Überblick über meine Arbeit im Projekt bekommen konntet und ihr eine Vorstellung von der wunderbaren Zeit, die ich hier verbringen darf, bekommen konntet.
In meinem letzten Blogeintrag habe ich Bilder von meinem ersten Sari versprochen – ich denke, das muss ich auf den nächsten Eintrag verschieben, da die Fotos beim letzten Mal leider nichts geworden sind und man es sich, aufgrund des 20 minütigen Wickelprozesses, doch gut überlegen muss, ob man ihn wirklich anzieht. Ich hoffe ihr seid mir nicht böse 😀   

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