Weihnachten im Hochsommer

Ja, auch in Indien feiert man Weihnachten, wenn auch ein bisschen anders. Und so ist auch das Weihnachtsgefühl ein bisschen anders als zu Hause. Der Tag des 1. Dezembers hätte für mich von der Temperatur her genauso Mitte August sein können. Und so ist mein Weihnachtsgefühl schon mal in den Hochsommer versetzt worden.

Wenn ich die Vorweihnachtszeit und Weihnachten in wenigen Worten beschreibe, denke ich vor allem an Farben, Tanz, Weihnachtsfeiern bis zum geht nicht mehr, unbekannte Weihnachtslieder, Stress, Hausbesuche und viel Freude und Spaß.

Nikolaus, Nikolaus komm in unser Haus…

Richtig angefangen mit der Vorweihnachtszeit hat es eigentlich an Nikolaus. Hätte ich bis jetzt noch an den Nikolaus geglaubt, wäre ich dieses Jahr sicher enttäuscht gewesen. Also haben Monika und ich kurzer Hand entschlossen für 150 Jungen, fünf Priester und zwei Brüder (angehende Priester) Nikolaus zu spielen. Auf Anweisung des Direktors und kurze Erklärung der deutschen Tradition an Nikolaus, wurden alle Schuhe fein säuberlich geputzt und bereitgestellt. Der Direktor gab den Tipp, vielleicht ein wenig Deo in die Schuhe zu sprühen, damit der Nikolaus bei seiner Arbeit nicht umkippt. Ich glaube die Jungs sind noch nie so schnell aus den Betten gehuscht wie am 6. Dezember. Den ganzen Tag über hörte man „Thank you Sister, the chocolate tasted super!“ Nein, nein, das war der Nikolaus…

Wichtel Weihnachten

Habt ihr auch immer an Weihnachten gewichtelt? Im Kindergarten, in der Schule, vielleicht auch auf der Arbeit? Irgendwie gehört das doch zu Weihnachten dazu. Ja, auch ich habe gewichtelt, mit den Lehrerinnen der „Englisch Medium School“. Wichteln bedeutet hier, einen Namen zu ziehen und am letzten Schultag vor Weihnachten dieser Person ein Geschenk zu geben. Meistens wird dabei ein Sari verschenkt und so habe ich mich in diese Tradition eingereiht. Angekommen war Weihnachten somit auch in der Schule. Im Unterricht haben Monika und ich den Kindern das ein oder andere deutsche Weihnachtslied beigebracht. Es wurde gemalt und gebastelt und gleichzeitig auf die Examzeit vorbereitet, weshalb wenig Zeit für Weihnachtsvorbereitungen war.

Dass Weihnachtlieder und die dabei entstehenden Erinnerungen und Gefühle beim Anhören so wichtig sind, war mir noch nie so klar. Ich kannte die Tamil Weihnachtslieder der Menschen hier nicht und sie kannten meine deutschen Lieder nicht. Der Gottesdienst im Dezember, hat sich deshalb eigentlich angefühlt wie immer.

Die Christmas carols gang

Dieses Jahr gab es für mich keinen Geschenkestress, weil es Geschenke hier nur durchs Wichteln gibt. Aber Stress hatte ich trotzdem, wenn nicht sogar mehr als sonst. Zum einen lag es an der Vorbereitung der Examzeit und zum andern an den Hausbesuchen, wo wir zwei Wochen lang, jeden Abend zwei Stunden weihnachtlichen Segen in die Umliegenden Dörfer gebracht haben. Wie viele Häuser ich in diesen zwei Wochen betreten habe, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass es deutlich mehr waren, im Gegensatz zu den Häusern die ich als Sternsinger in Deutschland besucht habe. Man kann diese sogenannten „Christmas- carols“ ziemlich gut mit den Sternsingern in Deutschland vergleichen, nur eben in Indien. Zwei Priester, ein Bruder, zwei Volontäre und ein Weihnachtsmann. Das war die Christmas-carols gang 2019! Zusammen mit Weihwasser, zwei kleinen Jesusstatuen, Weihnachtsmützen, einem großem Lautsprecher und Süßigkeiten wurden nach und nach immer mehr Dörfer unsicher gemacht. Interessant war, dass wir zu sechst im Dorf ankamen und schon nach 2 Minuten bestand die Gruppe aus mindestens zehn Kindern, Frauen und Männern, die uns durch das Dorf begleiteten. Auch wenn diese Zeit sehr stressig war, weil wir dadurch von halb sieben morgens bis zehn Uhr abends keine Pause hatten, bin ich unfassbar froh so etwas erlebt zu haben.

Ich habe kleine Einzimmerhäuser ohne Möbel, mit nur einer kleinen Kochnische in der Ecke gesehen, in denen fünfköpfige Familien leben. Ich habe gelernt, wie eng Mensch und Tier in Indien zusammen leben können. Das Kuh, Ziege, Hund und Hühner fast, wenn nicht schon ganz, im Haus wohnen. Ich habe erlebt, wie gastfreundlich und herzlich die Menschen sind, egal wie wenig sie haben. Ich habe gesehen, wie Paläste neben Hütten eng an eng stehen. Und ich glaube am allermeisten habe ich gelernt, wie unfassbar viel ich selber besitze, immateriell und materiell.

Prüfungsstress und Weihnachtsfeiern

Erste Prüfung in der großen Halle

Weniger mit Weihnachten hatte die Examzeit zu tun. Examzeit bedeutet, angespanntere Kinder, strengere Priester und Lehrer*innen. Für mich bedeutete es vorher Prüfungen vorzubereiten. Dann morgens bei den Prüfungen der LKG also den 2-3 Jährigen zu helfen und mittags Aufsicht zu haben, während die Älteren schrieben. Und jetzt korrigieren. Nach diesem ganzen Examstress, schlich Weihnachten immer näher. Weihnachtsfeiern gefüllt mit Krippenspielen, Geschenke für die Kinder, Danksagungen und Tänzen. Nicht nur in der Schule, sondern auch im Hostel, für die Kinder und Ärmeren Menschen aus der Umgebung und in der Kirche. Und dann verpuffte irgendwie alles, der Stress war weg, die Schule war leer, das Hostel still. Zum Abschluss waren wir am 23. Dezember mit allen Priestern und Brüdern in der zweit größten Stadt von Tami Nadu, Madurai, essen.

Heilig Abend unter dem Sternenhimmel

Ich glaube Heilig Abend habe ich mir ein wenig anders vorgestellt. Voller, lauter, stressiger und mit mehr Menschen. An dem Tag hatten wir noch die letzte Weihnachtsfeier und dann Kirche um null Uhr. Davor haben Monika und ich einfach unsere eigene kleine Weihnachtsfeier gemacht: Oben auf der Dachterrasse, bekannte Weihnachtslieder, Päckchen von zu Hause und Essen.

Wie gleich und irgendwie doch so anders Menschen auf der andern Seiter der Welt Weihnachten feiern. Ich hab auf jeden Fall gesehen, dass Weihnachten auch ohne viele Geschenke, ohne Kälte, ohne die eigene Familie und ohne Weihnachtsbaum ein Weihnachten sein kann.

Nur eben ein bisschen anders, aber trotzdem schön.