„Ja, und jetzt erzähl doch mal, wie es in Indien so ist, wie es dir geht und allgemein. Ach, erzähl am besten gleich alles…“, genau so fingen die ersten Telefonate zurück nach Deutschland an. Es ist super schwer die letzten 42 Tage, die ich hier in Indien schon erlebt habe, „kurz“ zusammenzufassen. Aber irgendwo muss man ja anfangen, also starten wir doch einfach mit der mitunter am häufigste gestellte Frage:

Hattest du einen Kulturschock?

Dieser Kulturschock von dem alle sprechen, den mir alle vorausgesagt haben und vor dem mich fast alle gewarnt haben. Ich habe ihn mir irgendwie wie eine Art Wand vorgestellt, gegen die man läuft. Aber ganz so ist es dann doch nicht. Die ersten Wochen erlebt und sieht man so viel Neues, soviel offensichtlich Neues, wie das Essen, das Klima (welches am Anfang ganzschön viel Gesprächsstoff eingenommen hat), die Landschaft, die Tiere und natürlich die Sprache Tamil. Aber so langsam stößt man immer öfter auf die im ersten Augenblick unscheinbareren Dinge und genau diese machen Indien so interessant und faszinierend.

Hier ein kurzer Einblick in die wirklich wichtigen Dinge:

  • Wenn man außerhalb vom Projekt von einem Bananenblatt isst, sollte man immer darauf achten, dass man, wenn man fertig gegessen hat, es in die richtige Richtung umschlägt. Das bedeutet nach vorne, wenn einem das Essen nicht geschmeckt hat und nach hinten, wenn es gut war.
  • Man muss nicht alles essen, was die Gastgeber*innen einem auftischen, sondern kann sehr gut etwas liegen lassen. Diese Erfahrung ist sehr wichtig, vor allem bei Hausbesuchen, wenn man verhindern möchte als Kugel wieder rauszurollen.
  • Frauen sollten ihre Haare (in ländlichen Regionen) nicht offen und kurz tragen, sondern in einem geflochtenen, langen Zopf im Nacken.
  • Wenn man von jemandem etwas geschenkt bekommt oder etwas unternimmt, würdigt man es am besten mit einem Foto, welches man nach Deutschland verschickt.
  • Busfahrten mit Schulklassen sind nie langweilig. Es wird sehr viel getanzt, zu sehr lauter Musik und bei Filmen wird bei jeder Szene geklatscht. Und wenn nicht genug Sitze im Bus sind, wird einfach ein Stuhl geholt, reingestellt und gesagt: „Hier kannst du dich festhalten, falls wir eine Vollbremsung machen“.
  • Als junge Frau sollte man männlichen Gleichaltrigen nie an öffentlichen Plätzen zuwinken oder mit ihnen reden.
  • Schmuck ist bei den indischen Frauen immer zu tragen. Das bedeutet, man sollte nie als ungeschmückter Tannenbaum das Haus verlassen, sondern immer Kette, Ohrringe, Ringe, Uhr, Fußkettchen und den Bindi (der typisch indische Punkt zwischen den Augenbrauen) tragen. Wie oft wurden wir schon darauf hingewiesen, wenn wir etwas von diesen Dingen vergessen hatten.
  • Etwas verwirrend war am Anfang das Kopfschütteln der Inder*innen. Dabei wiegen sie den Kopf von rechts nach links und wollen damit ihre Zustimmung ausdrücken.

Das sind nur ein paar von den Dingen, bei welchen man jeden Tag aufs Neue merkt, dass man sich jetzt wirklich in Indien befindet und diesen Kulturunterschied zu Deutschland ganz besonders spürt. Deshalb würde ich nicht von einem Kulturschock sprechen. Es gibt eben diesen einen, welchen man direkt in den ersten Tagen erlebt. Aber eben auch diesen, wodurch man die Unterschiede erst langsam im Alltag kennenlernt.