Etwas zu zählen kann viele Bedeutungen haben. In diesen Tagen werden die Tage gezählt, die noch bis Weihnachten bleiben, die Türchen die am Adventskalender noch zu öffnen sind und damit die Zeit, die noch bleibt, um alle Geschenke zusammen zu bekommen.

Hier zähle ich ganz andere Dinge. Zu Beginn, als ich mir noch nicht vorstellen konnte, was es heißt länger als 3 Wochen nicht zu Hause zu sein, habe ich die Tage gezählt, die ich schon hier bin. Irgendwann fing ich auch an mir zu sagen: „Wenn diese Zahnpasta Tube leer ist, ist bestimmt schon Weihnachten!“. Dann war die Monatsgrenze geknackt und jetzt kann ich schon auf fast 3 Monate zurückblicken!

Seit dem 21. November habe ich Ferien.
Naja, so richtig Ferien hab ich auch nicht. Es gibt hier immer was zu tun. Nur die Schule wurde für „meine“ Klassen 1-3 geschlossen. Gezählt habe ich auch meine Kinder und bin auf 146 gekommen. Ohne die ganzen Kids in ihren blauen Schuluniformen mit den knallroten Socken ist es hier verdammt ruhig und öde!

17 Jungs sind noch hier. Der Rest der 35 köpfigen Bande ist bis Januar zu hause. Alle anderen haben in der freien Zeit, die Chance etwas zurück zu geben. Eigentlich sollen alle mit anpacken, Gartenarbeit erledigen, beim Bau des neuen Boys-House helfen und sich nützlich machen. Tja, eigentlich. So richtig Lust hatte dazu keiner und manchmal reichte der Elan nur bis zum Lunch.
Was half war eine ordentliche Standpauke von den Fathers! Mittlerweile sind die Jungs zur Besinnung gekommen und man sieht sie immer öfter Gras mit einem sensenartigen Messer cutten.

3x habe ich jetzt schon bei Freundinnen übernachtet und ein bisschen Familienleben geschnuppert. Das sind ganz besondere Erlebnisse. Mary (Name geändert)zum Beispiel ist 23, wohnt bei ihren Großeltern mit ihrem Sohn Eric. Auf dem Grundstück befindet sich aber auch das gemietete Häuschen, der Mutter. Sie wohnt zusammen mit einem Sohn einer befreundeten Familie, der hier seine Ausbildung macht. Im Garten stehen Kuh- und Ziegenställen. Als ich nachts noch mal raus musste, wäre ich fast über eine schlafende Kuh gestolpert!
Die Örtlichkeiten sind entsprechend einfach. Loch im Betonboden, drum herum ein paar Wellblechplatten. Reicht ja auch!

Vor 4 Tagen war ein Sozialarbeiter aus Nairobi hier. Die Jungs bei der Bosco Boys in der Hauptstadt kommen teilweise aus Makuyu und gehen dort zur Schule. Jetzt in den Ferien standen Hausbesuche an. Mr. Stephen nahm mich mit. Das erste Haus war eigentlich mehr ein gemieteter Raum. Die Familie des Jungen hatte 8 Kinder. Die Ältesten halten sich mit Petty Jobs (Kuh- und Ziegenherden herumführen) über Wasser. Die anderen sind teilweise zu Hause, da das Geld nicht für alle Schulgebühren reicht. Gott sei Dank hat die Mutter einen Job in der Mission und macht dort Gartenarbeit oder kümmert sich um die Kühe. Für die umliegenden drei Grundstücke gibt es nur eine Toilette und für Wasser muss man etwa 2 km bis zur Mission laufen. Von Strom braucht man gar nicht erst reden. Während der Sozialarbeiter die Mutter nach Geschwistern des Jungen befragt und welchen Bildungstand sie haben, schaue ich mich in den Raum um. An den unverputzten Wänden hängen Fehldrucke aus der Printing Press der Mission. Einige Artikel erkenne ich wieder, die habe zu Beginn wohl mal abgepackt. Gerade so passt hier ein Bett neben den Wohnzimmertisch und die Sitzbank. Der Schlafbereich wurde mit einem Vorhang abgetrennt. Auf dem Schoss der Mutter sitz die kleine Pauline. Sie ist noch in der Nursery und keine Schülerin von mir. Sie schnappt sich die Wäscheklammern auf dem Tisch und beginnt darauf rum zu kauen. Die anderen sehen aus, wären sie einer ähnlichen Behandlung unterzogen worden. Mit großen Augen schaut die kleine mich dabei an. Sie stupst ihr Mutter an und flüstert: „Muzungu!“, was so viel heißt wie „Weiße“ Das bin ich schon gewohnt. Mittlerweile bin ich jedes Mal überrascht, wenn mich die Kinder aus der Primary auf der Straße erkennen und meinen Namen rufen.
Am Ende des Gesprächs hat sich Mr. Stephen ein Bild von der Lebendsituation der Familie gemacht. Die Mutter lächelt. Ich glaube sie ist froh, dass ihr Sohn bei den Bosco Boys eine so große Chance bekommt. Mit viel Glück kann er es bis zu High school schaffen und sogar zur Universität gehen.
Was hier zählt ist nicht aufzugeben! Die Hoffnung nicht zu verlieren und weiter zu machen!

Beim 2. Hausbesuch zeigt sich ein ganz anderes Bild. Maxwell lebt bei seiner Tante. Die Mutter starb vor ein paar Jahren an AIDS und der Vater trinkt viel und lässt nichts von sich hören. Die Frau, die vor uns sitzt hat einen Haushalt mit 14 Personen zu stemmen. Zwar besitzt die Familie sogar eine Kuh und einen Wasseranschluss, aber für alle gibt es nur 3 Schlafräume in den Wellblechhäusern. Eine Latrine mit Sichtschutz bildet die Toilette, in der so gar nichts ablaufen will, dank des lehmigen Bodens hier.
Einblicke, die ich so schnell nicht vergessen werde!

Meine Arbeit in der Printing Press geht weiter und auch dort wird viel gezählt. 2 x 10 Heftchen über den Rosenkranz in Swahili, 5 Nadelstiche beim Buchbinden und 100 cps (copies) mit dem Titel „Seven minutes with Jesus“ werden zusammen verpackt. Das ist momentan ein meiner liebsten Arbeiten. Das Päckchenpacken erinnert mich so stark an Weihnachten!

In der Dispensary (Krankenstation) hab ich dann etwas mehr Verantwortung. Hier zähle ich Tabletten und fülle sie in kleine Papiertütchen. Dabei höre ich Veronica bei der Medikamentenausgabe zu und verstehe schon Sätze, wie „Zweimal täglich 1, morgens und abends mit viel abgekochtem Wasser!“
Außerdem habe ich hier auch schon Wattebällchen gerollt und Kompressen zugeschnitten.

Letztens hatten die Auszubildenden im zweiten und letzten Lehrjahr ihre Abschlussfeier. Auf der einen Seite ist es gut zu wissen, dass diese jungen Frauen und Männer etwas in der Tasche haben mit dem sie sich ein Leben aufbauen können. Andererseits bedeutet es aber auch Abschied von Freunden. Wer weiß ob und wann man sich wiedersieht?

Ein bisschen Weihnachtsstimmung kommt dann doch auf, wenn ich mit der Youth das Weihnachtsstück einübe. In diesem Jahr soll es ein Musical geben und mir wurde eine Engelrolle gegeben J

Für die restliche Adventszeit möchte alles Gute wünschen. Nutzt die Zeit, um euch nicht nur auf das Geschenke auspacken vorzubereiten, sondern um auch mal zur Ruhe zu kommen und mal inne zu halten.
Ich denke es ist auch an der Zeit für mich „Danke“ zu sagen. All denen, die mein Projekt und mich bisher unterstützt haben. Sei es durch Spenden, Briefe, Nachrichten, Interesse an meinen Berichten oder einfach nur durch simple „Likes“ bei Facebook. Dadurch merke ich, dass meine Arbeit hier nicht nur eine Erfahrung für mich bleibt, sondern auch etwas in euch bewegt!
Das ist es, was für mich zählt!
Frohe Weihnachten und alles Gute für das Jahr 2013!