Anna-Lena in Vijayawada

Mein Freiwilligendienst in Indien

Ein Tag im Shelter

Ich arbeite im Shelter. Dort sind immer zwischen zehn und sechzehn Jungs im Alter von sechs bis sechzehn Jahren. Manche sind nur für ein paar Nächte hier bis sie wieder zurück zu ihren Familien oder in eine andere Einrichtung gebracht werden. Andere sind für ganze drei Monate hier. Der Fokus liegt darauf einen geregelten Tagesablauf und eine Routine in dem Leben der Jungs zu etablieren, was zu mehr Disziplin und zu einem Sicherheitsgefühl führt. Zudem sollen sie im Unterricht auf eine öffentliche Schule vorbereitet werden, um möglichst schnell Anschluss zu finden.

Tagesablauf

Der Tag beginnt früh für die Jungs im Shelter. Morgens um sechs Uhr gehen die Lichter an, es beginnt die Morgenroutine. Nach dem Aufstehen gibt es Frühstück, Reis mit Chutney und Idlis. Der nächste feste Punkt in der Tagesordnung ist der Morgenappell um halb zehn, ab diesem Zeitpunkt bin auch ich im Shelter. Bei der Assembly stehen die Jungs in Reih und Glied, die Kleinen vorne und die Großen hinten. Sie singen die Nationalhymne voller Inbrunst und der National Pledge, der Treueid, wird rezitiert.

Morning Assembly

Danach beginnt der Unterricht. Der Wissensstand der Jungs ist sehr unterschiedlich. Dies begründet sich nicht nur auf dem Altersunterschied, sondern auch darin, wie oft und, ob die Jungs überhaupt zur Schule gegangen sind. Der Fokus liegt darauf, alle auf ein geregeltes Schulleben vorzubereiten und ihnen den Einstieg möglichst einfach zu gestalten. Eine Lehrerin unterrichtet Englisch, Telugu (das ist die Sprache, die in Vijayawada gesprochen wird) und Mathematik. In Englisch lernen die Jüngeren die Buchstaben zu schreiben, während die Älteren Vokabeln und einfache Sätze schreiben und verstehen lernen. Teluguschriftzeichen müssen ebenso geübt werden und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, es gibt viel zu viele (über 50) und sie sind genauso kompliziert, wie sie ausschauen. In Mathematik lernen manche erst, wie man Zahlen schreibt, während andere bereits Plus und Minus rechnen oder sogar das kleinen Einmaleins lernen. Meine Aufgabe ist es überall ein bisschen mitzuhelfen und fleißig beim Lernen zu unterstützen. Um elf Uhr gibt es übrigens eine kurze Snackpause, in der es frisches Obst, wie Papayas oder Guaven gibt.

Der Unterricht

Um ein Uhr, nach Ende des Unterrichts, gibt es Mittagessen. Dieses wird im Headquarter vorbereitet und dann ins Shelter gebracht. Es gibt Reis mit Curry und Sambar.

Das Mittagessen

Nach dem Mittagessen beginnt der spaßige Teil. Die Jungs lieben es zu zeichnen und zu basteln. Genauso gerne tanzen sie. Dann wird über die Lautsprecher Musik abgespielt und alle tanzen mit vollem Körpereinsatz. Auch ich habe mich an den indischen Tanzmoves versucht, was auf jeden Fall zu dem ein oder anderen Lacher geführt hat. Aber nur Übung macht ja bekanntlich den Meister. Zudem spielen wir sehr oft Carrom. Das ist ein Brettspiel, welches auch Fingerbillard genannt wird. Man muss nämlich möglichst viele kleine, runde Holzspielsteine durch Anschnippsen in den Löchern versenken.

Bastelzeit

Mein Mitvolontär und ich sind bis um vier Uhr, manchmal auch etwas länger da, bevor unser Feierabend beginnt. Die Jungs dürfen dann noch nach draußen in den kleinen Garten, bevor es Abendessen gibt und es um neun Uhr ins Bett geht.

Warum sind die Jungs hier?

Die Jungs sind aus den unterschiedlichsten Gründen hier. Eines haben aber alle gemeinsam: ihr Lebensmittelpunkt ist die Straße.

Manchen wurde zu Hause der Zugang zu Bildung verwehrt. Die Eltern haben nicht genug Geld um die Kinder in die Schule zu schicken, sodass sie den ganzen Tag auf der Straße herumlungern. Andere Kinder müssen arbeiten, vor allem kleinere Kinder werden von ihren Familien zum Betteln animiert, da sie mehr Geld bekommen. Social Worker / Street Worker sind täglich in den Slums unterwegs um „School Dropouts“ zu registrieren und sie im schlimmsten Fall von ihren Eltern zu trennen, falls diese nicht bereit sind, ihre Kinder in die Schule zu schicken.

Auch einige Waisenkinder sind im Shelter. Sie haben keine Familie oder Verwandten, bei denen sie leben können. Sie wurden von der Straße aus ins Shelter gebracht.

Zudem leben „Runaways“ im Shelter. Das sind Jungs, welche von zu Hause weggelaufen sind, manche haben hunderte von Kilometer zurückgelegt. Der Grund für ihren Ausbruch ist meist Gewalt in der Familie. Sie wurden von ihren Vätern oder Brüdern geschlagen, sodass sie irgendwann keinen anderen Ausweg gefunden haben außer wegzulaufen.

Drei Jungs aus dem Shelter

Wie geht es weiter?

Die Verantwortlichen entscheiden, ob die Jungs zurück zu ihren Familien oder in andere Einrichtungen, wie das Chiguru kommen. Ich kann allen Jungs nur die Daumen drücken, dass sie es schaffen und sie, wenn sie Erwachsen sind, einen Job finden und ein geordnetes Leben führen können.

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  1. Andreas

    Hallo Anna-Lena,

    ein interessanter Einblick in deinem Tagesablauf.

    Was ist eigentlich Samba?

    Liebe Grüße, aus dem 24 Grad warmen Stegaurach,

    von Andreas, Ruth & Johannes

    • Anna-Lena Eizenhammer

      Hallo, es freut mich, dass mein Beitrag euch gefällt. Sambar ist eine Sauce, die auf Linsen und Tamarinde basiert.
      Liebe Grüße

  2. Hallo Anna-Lena, das finde ich einen sehr schönen Eintrag, der gut beschreibt, was ihr Volunteers macht und andererseits was in den Don Bosco Zentren weltweit so passiert. Den verlinken wir bestimmt mal! Herzliche Grüße
    Ulla

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