Letztes Wochenende durften wir bei einer traditionellen ruandischen Hochzeit dabei sein! Da wurden wir irgendwie von einem der Salesianer reingeschmissen und hatten auf einmal sogar eine Aufgabe bei der Hochzeit! Von diesem besonderen Tag und auch der Vorbereitungszeit darauf möchte ich euch heute erzählen : )


Wie sind wir da überhaupt gelandet?

Vor einigen Wochen meinte Père Rémy, einer der Salesianer aus Rango, dass er bald einen US-Amerikaner vom Flughafen in Kigali abholen würde, da er hier bald heiratet. Er schlug uns vor, sich doch mal mit ihm zu sprechen und meinte, wir sollten uns den 1. Dezember für seine Hochzeit freihalten. Da hatten wir natürlich nichts dagegen. Ich mein, eine ruandische Hochzeit besuchen- wer würde da nein sagen?

Relativ spontan ging es dann an einem Abend zu einem kleinen Treffen im angemieteten Apartment des baldigen Ehepaars. Die Beiden – sie ursprünglich aus Burundi, ganze Familie aber irgendwann nach Ruanda gezogen und er aus den USA- sind nämlich nachdem sie sich vor einigen Jahren in Ruanda kennen lernte, zusammen in die USA gezogen. Mit bei der erneuten Reise nach Ruanda war auch ihre süße, 8 Monate alte Tochter Meghan! An dem Abend haben wir lange mit ihnen- Daniel und Betty- geredet und es war interessant mehr darüber zu erfahren, wie sie sich kennen gelernt haben, wie sie jetzt in den USA leben und trotzdem ein paar Traditionen aus Ruanda mitnahmen und wie sie nun ihr Kind aufziehen möchten.

Irgendwann kam Rémy dann darauf zu sprechen, dass wir doch auch eine Rolle bei der Hochzeit hätten. AHA. Wir haben bis zur Hochzeit selber nicht ganz verstanden, was wir eigentlich genau tun sollten, aber mittlerweile ist mir das ein bisschen klarer geworden: wir agierten den gesamten Tag der Hochzeit auf der Seite von Daniel- sozusagen als seine Familienangehörigen. Seine Familie nahm nämlich wegen des langen Fluges und der Feiertage (Thanksgiving) in den USA nicht an der Hochzeit teil (es wird aber wohl eine zweite kleine Feier stattfinden, wenn die Beiden wieder zurück fliegen).

Der traditionelle Teil einer ruandischen Hochzeit ist mit vielen, vielen Traditionen verbunden. Unteranderem gehören dazu auch die Übergabe von verschiedenen Geschenken vom Bräutigam an die Familie der Braut. Diese Geschenke werden dem Bräutigam von einer Art familiären/aus Freunden bestehenden Gefolge angereicht. Und genau das haben wir gemacht, aber dazu später mehr.

Wir wurden nach unserem ersten Treffen ein weiteres Mal zu Daniel und Betty eingeladen. Zu diesem leider etwas misslungenen Versuch eines Treffens möchte ich eigentlich nicht mehr viel sagen. Da trafen dann ruandische und deutsche Terminvereinbarungsfähigkeiten aufeinander und kamen nicht so gut mit einander klar… ; )

Ein anderes Mal wurden wir dann zur letzten Besprechung für die Hochzeit eingeladen. Diese fand in einer Bar bei uns in der Nähe statt und wurde vom Hochzeitsplaner geleitet. Da haben wir sehr viele Familienmitglieder von Betty kennengelernt und auch den Mann, der bei der Zeremonie den Vater von Daniel darstellen sollte. Dieser spielt nämlich auch ein große Rolle….außerdem haben wir den „Master of Ceremony“ ( Chef der Zeremonie) kennen gelernt, der durch alle traditionellen Teile führen würde. An diesem Abend wurde uns klar: Hochzeit hier ist ein großes Familiending. Viele Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und vor allem die Eltern müssen mit Allem einverstanden sein. Betty sagte nur zwischendurch etwas, wenn es um Ablauffragen oder Meinungen ging, Daniel konnte gar nicht so viel mitreden, da er nur ein paar Worte Kinyarwanda verstehen und sprechen kann. Der Rest des Gespräches wurde komplett von den ungefähr 14 Familienmitgliedern am Tisch bestritten, die über die Menge der Getränke, den Ablauf, die Deko und den Geschenketisch diskutierten.

Wir saßen einfach daneben, begrüßten die Neuankömmlinge und mussten immer wieder erklären, wieso wir den hier waren. Nein, wir sind nicht die Schwestern von Daniel. Nein, wir wollen keine Ordensschwestern werden, auch wenn wir ein Jahr bei Brüdern leben…. Den Rest des Abends hörten wir einfach nur dem Gespräch zu. Es war spannend und angenehm zu gleich, einfach mal nur zuhören zu könne, wenn Leute Kinyarwanda sprechen, ohne den Druck zu haben, alles verstehen zu müssen, was sie sagen.

Wir haben keinen Plan

Am großen Tag selber wurden wir von einem Veranstaltungsort zum nächsten gefahren- ohne immer zu wissen wo es eigentlich hin geht oder was da dann genau passiert. Das war schon irgendwie lustig, aber zuerst sehr befremdlich. Vor meiner Ausreise wusste ich eigentlich immer, was gerade passiert und wie der Plan für die darauffolgenden Aktionen ist. Am Morgen habe ich mich mit total vielen Fragen verrückt gemacht: wo findet denn jetzt der Empfang statt? Um wie viel Uhr müssen wir zum Essen? Was genau müssen wir bei der Zeremonie machen? Doch im Laufe des Tages wurden all diese Fragen von einer „Mal-sehen-was-passiert“-Einstellung weggewischt: glaubt mir, eine wirklich neue Erfahrung für mich ! ; )

Was an einem Tag alles so passieren kann!

Morgens sollten wir eigentlich schon um 8:00 Uhr von einem Fahrer abgeholt werden, der uns gleichzeitig auch unsere Kleider brachte. Ihr habt richtig gehört: Kleider! Da wir ja an der traditionellen Zeremonie teilnahmen, bekamen wir für den Tag auch traditionelle ruandische Kleider!

Ein traditionelles ruandische Kleid besteht aus einem einfarbigen Oberteil, einem großen Tuch mit einem Stück Band, das dann als Rock um die Hüften gebunden wird und einem weiteren Tuch- aus dem selben Stoff wie der Rock- , das man sich schräg über die Schulter hängt.

Im Endeffekt kam der Fahrer um 8:50 Uhr und sagte uns, die Kleider wären irgendwo im Apartment des Brautpaares. Als wir dort ankamen, war das Wohnzimmer und auch die Schlafzimmer vollgepackt mit Leuten. Hier bereiteten sich nämlich die Männer vor, die das traditionelle Gefolge von Daniel bei der Hochzeit bildeten und die anderen Frauen, die mit uns die Geschenke übergeben würden. Die Männer waren in weiße Röcke und Ketten mit dunklen, großen Holzperlen gekleidet und hatten alle die gleichen Ledersandalen und Gehstöck- das sah irgendwie schon sehr eindrucksvoll aus!

Nach einiger Zeit des unsicher-Rumstehens und keinen-Plan-haben, wurden wir dann in ein Zimmer gebracht, in dem uns beim Anziehen der Kleider geholfen wurde. Dabei mussten wir leider feststellen, dass ruandische Frauen anscheinend nicht so lange Beine haben und uns die Röcke deswegen -nicht wie bei den Anderen- nur bis zum Knöchel gingen. Emma hatte es noch etwas schwieriger mit dem Rock, denn sie ist ja nochmal größer als ich…

Eine der Frauen die uns begleiteten, bot mir netterweise an, mich zu schminken, hört aber aus unerfindlichen Gründen schon nach meinen Augenbrauen auf, die sie sehr dick und dunkel nachgezogen hatte. So lief ich den Rest des Tages mit sehr dunklen und sehr dicken Augenbrauen rum, was mein Gesicht noch blasser erschienen ließ, als es eigentlich war. Naja, was solls? ; )

Nach dem Anziehen wurden noch Fotos in allen möglichen Kombinationen vom Bräutigam und seinem Gefolge gemacht und dann ging es -zusammen gequetscht mit zu vielen Leuten- mit einigen Autos zum Veranstaltungsort der traditionellen Zeremonie. Wir zogen feierlich, bepackt mit Geschenken und begleitet von einer Live-Band in die Zeltlandschaft, die aufgebaut wurde, ein und wurden auf unsere Plätze gewiesen. Diese befanden sich in unmittelbarer Nähe einer kleinen Bühne, auf der 4 Plätze (Brautpaar+ Trauzeugen) hergerichtet waren. Alles im Zelt war mit schwarzen und weißen Tüchern dekoriert und überall hingen Blumen und ruandische Handwerkskunst.

Darauf folgten einige Reden/Gespräche zwischen dem Vater der Braut und dem „Vater“ des Bräutigams, bei denen währenddessen einiges an teurem Alkohol als Geschenk an den Vater der Braut übergeben wurde. Wir haben nicht viel verstanden außer „Urukundo“ (=Liebe) und „Inshuti“ (=Freunde), aber das war okay- es gab auch so genug zu bestaunen.

Nach einiger Zeit zog dann die Braut in einem glitzernden, blauen, traditionellen Kleid ein, gefolgt von vielen weiteren Frauen in ruandischen Kleidern und bepackt mit Geschenken. Die Braut wurde der Familie „präsentiert“ , diese musste ihr Einverständnis bezüglich der Hochzeit kundtun und danach konnte es auch schon losgehen mit dem Ringanstecken, Applaudieren und Geschenke an die Familien übergeben.

Zu den Geschenken gehören üblicherweise Geld (oder eine Kuh, das wir aber mittlerweile meistens durch den jeweiligen Wert in Geld geklärt), geflochtene ruandische Körbe und einen Hut und einen Stock für den Vater der Braut. All diese Geschenke- vor alle der Hut und der Stock- drücken den Respekt und die Anerkennung des Bräutigams gegenüber der Familie der Braut aus.

Das Gleiche geschieht übrigens auch auf Seiten der Braut. Das ganze Geschenkehin- und her hat sich dann auch etwas gezogen, aber am Ende waren beide Familien mit Geschenken ausgestattet und das Brautpaar tanzte- umringt von dem feierlich gekleideten Gefolge- in der Mitte des Zeltes zusammen. Dabei legte der DJ und die Live-Band eine interessante Mischung an Liedern an den Tag: ruandische Traditionslieder, Rap und Popmusik und auch Ed Sheeran durfte nicht fehlen.

Zwischendurch wurden immer wieder Champagnerflaschen geöffnet und das Brautpaar musste sich die Gläser zum Trinken gegenseitig an den Mund halten.

Nach diese Programmpunkt kamen 2 Männer, die ähnliche Röcke und Stoffe trugen, wie die Männer aus Daniels Seite – jedoch mit Zebra- und Sternenmuster, ins Zelt uns stimmten nacheinander Gesänge auf Kinyarwanda an. Danach übergaben sie jeweils ein Bündel Kräuter an die Familien des Brautpaares. Was es damit auf sich hat, weiß ich leider nicht genau.

Danach gab es für alle Essen an einem großen Buffett und für Daniel und seine Gefolgschaft also (auch wir) ging es zurück zu ihrer Wohnung zum Umziehen für die kirchliche Hochzeit.Das erfuhren wir aber erst im Auto. Wir hatten aber zum Glück sicherheitshalber beide eine weitere Montur an schicker Kleidung dabei und so konnte es für uns weitergehen. Die Braut zog sich währenddessen in den vorherigen Location um, zu der wir dann auch wieder zurück gefahren wurden, um Fotos zu machen. Mittlerweile war es schon 14:30 Uhr oder so. Die kirchliche Trauung sollte eigentlich um 14:00 Uhr stattfinden, wurde dann aber gekonnt 1 Stunde nach hinten verschoben und dann nochmals eine Stunde später angefangen.

Père Rémy zelebrierte die Messe, in der mit Wörtern auf Kinyarwanda, Kirundi und Englisch hantiert wurde. Die Ehegelübde wurden auf Englisch vorgelesen und in der Predigt übersetzte der Salesianer die wichtigen Stellen auch auf Englisch. So konnten wir auch einiges verstehen! : ) In der gleichen Messe wurde auch noch ihre Tochter Meghan getauft, wobei ihr einfach zweimal ein kleiner Eimer Wasser über den Kopf gekippt wurde. Sah lustig aus, fand sie aber wohl nicht so lustig… ; ) Keine Ahnung, ob man das hier immer mit so einer Masse an Wasser macht.

Nach einem kurzen Abstecher zum Außengelände des Nationalmuseums in der Nähe, auf dem die offiziellen Hochzeitsfotos gemacht wurden, ging es weiter zu einem anderen Veranstaltungsort, an dem der Empfang gehalten wurde. Hierbei handelte es sich um einen großen Saal, der über und über mit blinkendem Zeug und Lichterketten geschmückt war. Nachdem das Brautpaar und die Brautjungfern und Co tanzend eingezogen waren und kurz gebetet wurde, wurde die sieben stöckige (!) Torte angeschnitten. Diese wurde später an allen Tischen verteilt und auch wir haben einige leckere Stücke abbekommen : )

Danach gab es erneut einige reden von den beiden Vätern und dann wurden Geschenke an das Brautpaar übergeben,wobei fast jeder Gast auch noch eine kleine Rede hielt. Da wird währenddessen mit unserem Kuchen beschäftigt waren, hat es uns auch nicht gestört, dass das so lange gedauert hat; )

Der Empfang wurde dann realtiv schnell beendet und für eine kleine Gruppe an Familienangehörigen und Freunden ging es danach wieder zurück zu dem Gelände, auf dem die traditionelle Zeremonie statt fand. Dort wurde nämlich der letzte Punkt auf der To Do Liste eine ruandischen Hochzeit abgehakt: der Besuch zu Hause. Es ist nämlich üblich, dass nach einiger Zeit des Zusammenlebens nach der Hochzeit, die Eltern vorbeikommen und sich mal anschauen, wie die frischen Eheleute denn so zusammen leben. Da das in diesem Fall nicht möglich war, wurde dieser Besuch so zu sagen nachgestellt.

Speedround

Uns wurde erklärt, dass es nicht üblich ist, dass all diese Riten an einem Tag vollzogen werden. Normalerweise kann sich der Prozess einer Hochzeit in Ruanda über ein Jahr lang hinziehen. Da -vor allem viele junge Ruander- dieses Traditionen sehr aufwendig finden, kommt es aber immer öfter vor, dass das alles an einem Tag abgehakt wird. Ich finde das aber okay so: so werden alle Traditionen bewahrt, aber an die heutige Zeit angeglichen.

Es war mega spannend bei all diesen Riten dabei zu sein, vorallem bei diesem letzten „Hausbesuch“ im kleinen Familienkreis. Ich bin echt dankbar, dass ich so viele neue Eindrücke sammeln konnte und diese komplett andere Art, Hochzeit zu feiern, kennen lernen durfte : )