Muraho alle zusammen! Um mal die Zeit zu feiern, die ich jetzt schon hier in Rango verbringen durfte, gibt’s hier jetzt eine Zusammenstellung von Begebenheiten, Gewohnheiten und kleinen Fakten zum Leben und Umgang miteinander in Ruanda, die ich in den letzten Monaten gesammelt habe. Der Beitrag war schon vor längerer Zeit fertig, ich hab nur irgendwie vergessen, ihn dann auch mal hoch zu laden… Ich hoffe, ihr bekommt so einen kleinen Eindruck von dem, was mich am Anfang alles so stutzig gemacht hat, mittlerweile jedoch irgendwie zu meinem Alltag gehört! : )


Vorab noch ein kurzer Hinweis: diese Fakten /Beobachtungen habe ich für MICH in den letzten Monaten gesammelt, das Ganze ist also ein bisschen subjektiv und kann definitiv nicht auf ganz Ruanda übertragen werden. Ich habe mir alle Begebenheiten von Leuten hier vor Ort checken und erklären lassen und hoffe deshalb, dass alles der Wahrheit entspricht ; ) Aber sehen wir das einfach als meine persönliche Sammlung von Beobachtungen und nicht als eine „typisch ruandisch“- oder sogar „typisch afrikanisch“- Liste an, denn das kann gar nicht sein und ich wäre die Letzte, die so eine Liste überhaupt anlegen könnte.

So, let’s go!

  • Wenn man sich irgendwo hinsetzt und dann den Kopf in die Hand stützt, bedeutet das, man hat (psychische) Probleme. Aus diesem Grund wurde ich im Oratorium schon oft besorgt angesprochen, obwohl ich doch einfach nur ein bisschen gedankenverloren rumsaß und mir das Volleyballspiel angeschaut habe! Das kann ich mir leider auch nicht abgewöhnen, aber ich hab’s mittlerweile ganz gut raus, die besorgten Menschen zu beruhigen ; )
  • Es ist üblich und gilt als höflich, wenn man beim Schütteln der Hand eines Anderen, seine andere Hand nutzt, um den Arm beim Schütteln zu stützen.
  • Die Ruander zählen „ anders herum“; bei ihnen bedeutet der kleine Finger 1, der kleine Finger und der Ringfinger zusammen 2 und so weiter.
  • Hier basiert fast jede Mahlzeit auf Umuceri (Reis), Kawunga (Maisbrei) oder Ubugari ( Maniok/Kasawabrei). Wobei ich vor allem Ubugari seeeehr empfehlen kann.
  • Aus irgendeinem Grund, ist es hier- vor allem bei den Jungs- cool, sich den Fingernagel des kleinen Fingers lang wachsen zu lassen und die anderen normal zu schneiden. Auf die Frage, warum, habe ich viele verschiedene Antworten bekommen. Oft kam aber auch einfach die Begründung „Sieht halt schön aus!“
  • Viele Menschen spucken auf den Boden. Egal, ob jung oder alt: das wird einfach so nebenbei gemacht. Man unterhält sich gerade ganz entspannt und läuft dabei irgendwo hin, Zack, mal eben schnell auf den Boden gespuckt. Das gehört zu den Sachen, die mich am Anfang etwas abgeschreckt haben, da es auf mich unhöflich wirkte, aber diese Geste wird hier definitiv nicht als unhöflich, sondern eher als normal gedeutet.
  • Auf Kinyarwanda wird das Wort „Alter“ (kinya: Umuzaza/ Umukecuru) nicht als Schimpfwort benutzt, im Gegenteil; manche benutzen dieser Ansprache sogar als Ausdruck von Respekt.
  • Ältere Damen und Herren nennt man prinzipiell Mama oder Papa. Wenn man über eine Frau spricht, die bereits ein oder mehrere Kinder hat, dann nennt man sie Mama [Name des ersten Kindes]. Meine Mutter würde so beispielsweise „Mama Rike“ heißen. Unsere Köchin, Mariya, wird von uns (den Aspiranten, Emma und mir) auch „Mama wacu“ (=unsere Mama) genannt : )
  • Armeverschränken wird nicht als unhöflich oder verschlossen abgestempelt. Im Gegenteil: das ist eine erwünschte Haltung. Vorm Beten, beim Morgenimpuls der Schülern, vor dem Essen oder beim Mot du Soir im Oratorium kann schon mal die Anweisung „Fata neza“ kommen. Das bedeutet so viel wie „Stellt euch ordentlich hin“, worauf hin sich dann Alle aufrichten und die Arme vor dem Bauch oder hinterm Rücken verschränken.
  • In Ruanda spielt die Kuh eine große Rolle. Eine Person, die viele Kühe hat, ist gut angesehen und wird automatisch als wohlhabender wahrgenommen. Es gibt viele Extra-Vokabeln im Kinyarwanda rund um die Kuh. Mit der Kuh sind auch viele Traditionen verbunden. So gibt es zum Beispiel eine ganz besondere Art von Kühen, die nur dem König von Ruanda gehören durften (früher war Ruanda mal ein Königreich) und die von einem speziellen Kuhhirten bewacht, gepflegt und besungen werden (ja, besungen). Außerdem war es früher üblich, dass bei einer Hochzeit den Eltern der Braut eine Kuh von der Familie des Bräutigams geschenkt wurde. Mittlerweile darf man den Wert der Kuh aber auch einfach in Geld schenken. So mitten in Kigali wäre das schon schwieriger mit ner Kuh…

Die „Königskühe“ neben dem ehemaligen Königspalast in Nyanza

  • Pfeifen ist für Frauen verboten. Auch bei dieser Regel, konnte mir keiner eine eindeutige Erklärung geben. Aber zum Glück, wird das mittlerweile gar nicht mehr so eng gesehen und es ist in Ordnung, wenn mir mal der ein oder andere gepfiffene Ton raus rutscht, da war man früher wohl strenger mit.
  • „Ehh“ ist das deutsche „Mhm“. Es kann ein Ausdruck von Bestätigung sein, „Sag bloß!“, „Huchelchen“, „Ja, ich höre noch zu, red‘ weiter“, „Ich verstehe“ und „Dem stimme ich jetzt aber nicht ganz zu“ bedeuten.
  • Das Schulsystem in Ruanda sieht wie folgt aus: es gibt 6 Jahre in der Grundschule (Primary School) und 6 Jahre auf der weiterführenden Schule (Secondary School). Daher kommen dann auch Bezeichnungen wie „P2“ (2. Schuljahr in der Primary School) oder „S3“ (3. Schuljahr in der Secondary School). Es ist nicht festgelegt, dass alle die gesamte weiterführende Schule besuchen (dafür reicht bei den Meisten das Geld auch nicht) müssen. Viele Schüler hören schon nach S3 auf und gehen dann zum Beispiel in ein Ausbildungszentrum wie die TVET School.
  • Es gibt einen Radiosender- Radio Maria- , der nicht nur in Ruanda beliebt ist, auf dem man den ganzen Tag aufgenommene Messen mitverfolgen, -beten und -singen kann.
  • Ein Wort, das ich hier sehr oft höre ist „Komera“. Das bedeutet „Sei stark!“. Das wünscht man sich einfach mal so zwischendurch oder wenn jemand von einer schwierigen Lage erzählt, in der er sich befindet oder ein Problem hat. Außerdem begrüßt man so Menschen „in der Ferne“, also, wenn sie weiter wegstehen- auf der anderen Straßenseite zum Beispiel. Ist das nicht nett? -Dem Anderen zwischendurch mal ein bisschen Stärke wünschen!
  • Igitenge. Sie sind überall- die buntbedruckten und gemusterten, traditionellen Stoffe. Die kann man hier eigentlich an jeder Ecke und an jedem noch so kleinen Marktstand kaufen. Männer tragen sie meistens in Form von schicken geschneiderten Hosen oder Hemden zu feierlichen Anlässen, Frauen auch im Alltag als Rock, Kleid oder Blazer verarbeitet oder einfach als Tuch zum Rock um die Hüften geschlungen, als Schal, Jacke oder Poncho. Hierbei ist mir erst vor Kurzem, nachdem ich darauf hingewiesen wurde, aufgefallen, dass Mädchen und jüngere Damen den gitenge eher in Form von geschneiderten Kleidern und Röcken tragen und nur die Frauen und älteren Damen den gitenge als Stoff an sich nutzen, um sich ihn um zu binden.

Wenn man an so einem Marktstand steht, ist man zuerst etwas überfordert von der ganzen Farbenpracht, diesen so bunten und unterschiedlichen Mustern. Da hab ich schon einiges gesehen: alle möglichen Tiere (in allen möglichen Farben), Glühbirnen, einmal ganz fett das Gesicht Jesu, Marienstatuen…

  • Wenn eine Person bei ihrem Namen gerufen wird, antwortet diese meistens mit „Karame“. Das bedeutet eigentlich nur „Ich bin da“, aber gleichzeitig wünscht man dem Anderen mit dieser Formulierung auch ein schönes, langes Leben.
  • Wenn man jemanden zu sich winken möchte, macht man das „andersrum“ als in Deutschland. Also nicht mit der Innenseite der Hand zu einem selber gerichtet und dann diese herholende Bewegung. Man hält die Handinnenseite zu der Person hin und klappt dann die Finger ein. Das sieht dann aus wie ein kleines Krokodil (entschuldigt den Vergleich, aber es stimmt!)
  • In Ruanda liegt unter anderem die Stadt Kibeho. An diesem Ort soll in den 1980ern mehreren Menschen mehrmals Maria erschienen sein. Einer der Zeugen dieser Erscheinung lebt sogar noch und es gibt für die Besucher und Pilgerer Kibehos die Möglichkeit, mit ihm zu reden. Dieser Ort der Marienerscheinung ist der einzige, von der Kirche anerkannte Pilgerort in ganz Afrika (!), deshalb kommen zum Tag der heiligen Maria, Motter Gottes, von Kibeho auch richtig viele Pilger aus der ganzen Welt.
  • Körperkontakt hat hier eine andere Bedeutung/Stellenwert. Zärtlichkeiten unter Freunden, Händchenhalten, lange Umarmungen…das Alles ist hier total normal und kann immer wieder beobachtet werden. Vor allem an das mit dem Händchenhalten musste ich mich gewöhnen. Da redet man ganz gemütlich mit einer älteren Dame über ihre Kinder, die Kirche und das Wetter und macht sich gerade gemeinsam auf den Weg irgendwo hin und ehe man sich’s versieht, hält man auf einmal Händchen mit ihr! Das fand ich am Anfang sehr befremdlich, aber auch das ist eine Sache, an die ich mich schnell gewöhnt habe und die ich eigentlich sehr schön finde, ein anderes Zeichen/Gefühl von Verbundenheit. Ist aber natürlich nicht für Jeden was… ; )
  • In Rango durfte ich die Vielfältigkeit von Fanta entdecken. Hier gibt es insgesamt 4 verschiedene Sorten und keine davon schmeckt wir Irgendwas in Deutschland: Fanta Citron, Fant Orange, Fanta Fiesta (irgendein Beerengemisch mit ganz viel Zucker) und Fanta Ananas. Die mussten Emma und Ich natürlich alle erstmal durch probieren und wir sind zu dem Entschluss gekommen, dass Fanta Citron definitiv die leckerste Sorte ist, die Andere sind -auf Grund ihres sehr hohen Zuckeranteils- mit Vorsicht zu genießen. Ich bin auch ein großer Fan von der Ananas Version, wobei hier ein bisschen Wasser nicht schaden kann, damit man nicht direkt einen Zuckerschock bekommt ; )

im mittleren Regal v.l.n.r.: Fanta Orange, Sprite, Fanta Citron un Fanta Fiesta. Fanta Ananas findet man nicht überall… 😉

  • „Mama we“ (übersetzt: seine Mutter) wird hier als Ausruf zum Ausdruck von Unglaube, Glück, Freude etc (je nachdem, wie man’s betont und ausruft) benutzt. „Mama wowe“ ( übersetzt: deine Mutter) wir von manchen Kindern als Schimpfwort benutzt (das ist aber kein schlimmes Schimpfwort. Auf der Schimpfwort-Heftigkeits-Skala von 1-10 eher so ne 4).
  • In Ruanda besteht die Führerscheinprüfung aus insgesamt 5 Prüfungsteilen; einer Theorieprüfung und dann 4 speziellen Praxisteilen (Einparken, am Verkehr teilnehmen etc.).
  • Auf Glasflaschen für Bier, Cola, Fanta und Co steht der Hinweis, dass diese Flaschen ausschließlich zum Aufbewahren von Getränken gedacht sind. Damit soll verhindert werden, dass darin Benzin, Öl etc. abgefüllt wird, was sehr häufig passiert.
  • Zwischendurch bekommt man über die ruandischen Telefonnetzanbieter SMS-Nachrichten von der Polizei auf Kinyarwanda und auf Englisch. Die wollen zwischendurch einfach mal Hallo sagen und erinnern einen dann zum Beispiel daran, dass man nicht betrunken Auto fahren sollte. Nett, die Damen und Herren von der Polizei!
  • Ich weiß nicht ganz wie ich diesen Punkt erklären soll, aber er steht auf jeden Fall im „buhoro buhoro“- Spirit (übersetzt: langsam langsam). Wenn etwas im Moment nicht klappt, dann ist das eben so. Wir sind doch alle nur Menschen, dann probieren wir es morgen einfach nochmal . Die Formulieren „Nta kibazo“ (=kein Problem) hört man hier ständig. In der Bank ist nicht genügend Platz für alle?- Kein Problem, wir bekommen uns da schon irgendwie zusammen reingequetscht, auch wenn wir dann alle halb aufeinander sitzen. Das Baby muss gestillt werden?- Kein Problem, das können wir hier an Ort und Stelle machen. Hier ist es sowas von kein Problem, als Mutter sein Kind zu stillen: am Straßenrand, in der Kirche, im Postoffice…das ist was völlig Normales und das finde ich super so. Ich hab das Gefühl, in Deutschland wird das immer „heimlich“ gemacht, wehe irgendjemand sieht irgendetwas, das nicht angemessen sein könnte. Da finde ich den ruandischen Umgang mit dem Thema echt angenehmer (hihi, das reimt sich).
  • Kinder trägt man auf dem Rücken, so hat man beiden Hände (und den Kopf) frei, um weitere Dinge zu transportieren. Das Kind wird mit dem Kopf auf Höhe der Schulterblätter gelegt und dann wird es mit mehreren Tüchern, die sich die Mutter dann vorne zusammen knotet, festgebunden. Emma und Ich hatten zuerst Zweifel, ob das so eine angenehme Position für die kleinen Kinder ist, aber es sieht doch ganz gemütlich aus und wenn man Übung darin hat, kann man das Kind samt Tücher auch recht schnell ins Sichtfeld transportieren. Wenn die Kinder vom Rücken genommen werden, werden sie meist nochmal richtig durchgeknetet und können dann top fit nach ihrem kleinen Schläfchen auf dem Rücken in den weiteren Tag starten.
  • Übrigens werden kleine Kinder auch oft von ihren größeren Geschwistern getragen, die auch sonst sehr viel Verantwortung für die Kleineren übernehmen. Es war echt spannend zu sehen, dass zum Beispiel in Lusaka in Sambia die Kinder mit der gleichen Knotentechnik gehalten, aber auf der Hüfte getragen werden.
  • ein Bilderbuch- Beispiel für verschiedene Kulturen haben wir schon in unserer ersten Nacht in Ruanda mitbekommen, als uns einer der Salesianer, der uns am Flughafen abholte in einer Bar eine Fanta bestellen wollte und die Kellnerin mit einem lauten „TSSSSS“ zu sich rief. Das gilt nicht als unhöflich, sondern ist die Art und Weise, wie man auf sich aufmerksam macht und Jemanden zu sich ruft. Die ersten Male, als ich so gerufen wurde, habe ich mich irgendwie echt beleidigt gefühlt, weil es nicht so schnell in meinen Kopf ging, dass das nicht böse gemeint ist.

So, das wurden dann doch recht viele zusammen gewürfelte Fakten und Beobachtungen…sorry oooo dafür. Als ich einmal angefangen hab, fielen mir immer mehr Sachen ein, die ich am Anfang sehr befremdlich oder komisch fand. Umso schöner ist es, gerade zu bemerken, dass ich all das (vor allem die Verhaltensweisen und Gewohnheiten) schon so verinnerlicht habe und mich nur meine Notizen daran erinnert haben, dass ich bei einen davon am Anfang doch recht verwirrt war.

Inspiriert wurde ich zu diesem Beitrag unter anderem von der lieben Verena. Sie hat auf ihrem Blog einen eigenen Menüpunkt zu dem Thema Fakten und Gewohnheiten, die sie so in Indien gesammelt hat. Schaut da gerne mal vorbei! ; )

Das wars dann auch schon wieder von mir. Ich hoffe, diese Ansammlung an Eindrücken hat euch gefallen und vielleicht sogar neugierig gemacht. Schreibt mir gerne, wenn ihr noch Fragen habt!

Murabeho und bleibt gesund

Rike