Rike und Ruanda

Ein Listen- und Termintaktermensch in einer buhoro buhoro-Welt

Busfahrn, zum letzten Mal.

Vor einiger Zeit habe ich einen Blogeintrag übers Busfahren in Ruanda geschrieben, habe ihn aber noch nicht veröffentlicht. Letzten Sonntag saß ich dann -immer noch etwas ungläubig- auf meiner vorerst letzten „Busfahrt“ (wir wurden von unserem Direktor gefahren, da die Präventivmaßnahmen auch einen Busverkehrsstopp beinhalten) nach Kigali zum Flughafen, denn die derzeitige, nicht gut einzuschätzenden Situation veranlasste das BMZ, allen deutschen Trägerorganisationen auf zu tragen, ihre Freiwilligen zurück nach Deutschland zu holen. 5 Monate früher als geplant. Nun sitze ich schon wieder in Kölle und lese diese Zeilen zum letzten Mal Korrektur.

Während der Fahrt nach Kigali habe ich mir diesen Beitrag noch einmal durchgelesen. Dabei habe ich auch gemerkt, dass ich diesen Beitrag auf jeden Fall noch veröffentlichen möchte, denn irgendwie beinhaltet er echt viele von meinen Eindrücken über Ruanda und die Menschen hier, so dass ich mir dachte-mit ein paar Ergänzungen-, wäre das ein schöner Abschluss für diesen Blog, oder zumindest für den Abschnitt, den ich von diesem Jahr in Ruanda verbringen durfte. So here we go!


Der Bus ist -neben den Mototaxis und großen Landcruisern- hier in Ruanda das beliebteste Verkehrsmittel. Auf den relativ gut ausgebauten Hauptstraßen Ruandas kann man mit einem der vielen Busunternehmen in diesem kleinen Land bequem von A nach B kommen. Die Strecken dauern aber trotzdem ein bisschen, was den 1.000 Hügeln aber auch der weit verbreiteten Geschwindigkeitsbegrenzung von 60 km/h für Kleinbusse geschuldet ist. So tuckelt man gemütlich vor sich hin und die atemberaubenden Landschaft zieht langsam an einem vorbei. Während dieser Fahrten gibt es viel zu entdecken und zu beobachten! Und von diesen gesammelten Erfahrungen möchte ich euch heute gerne berichten. Und damit Muraho an alle Leser*innen und viel Spaß beim Lesen.

Bus und Menschen

Nachdem man sich ein Ticket für die Fahrt besorgt hat, quetscht man sich und sein Gepäck in den Bus. Das ist meistens ein kleiner Minibus mit ca. 20 normalen Sitzen und 5-6 Klappsitzen, die man im Gang aufklappen kann, wenn sonst keine Sitzmöglichkeiten bestehen.
Je nachdem, was an Gepäck mitgebracht wird, wird’s recht kuschelig im Bus. Ich hab schon zusammen gerollte Matratzen, ganze Körbe mit Schuhen, eine Ziege und Hühner gesehen, die den Bus dann nochmal voller machten.
(Erinnerung: das sind Einrücke von VOR Corona, mittlerweile gibt es in Ruanda eine 1,5m Abstandsregel-auch in Autos- und der öffentliche Verkehr zwischen Städten ist komplett eingestellt)

So reist man richtig: Ukulele zwischen die Beine geklemmt und immer über Kopfhörer verbunden mit der Mitvolontärin, um -wenn gerade nichts los ist- gemeinsam eine Podcastfolge Gemischtes Hack zu hören : )

Hier ein (leider hochkant ausgerichteter…) Ausschnitt aus meiner Busticketsammlung. Für jede Fahrt bekommt man ein Ticket und muss auch aus irgendeinem Grund seinen Namen angeben. Am Anfang hab ich es noch mit meinem richtigen Namen versucht. Da kamen dann Sachen wie „Fririque“ oder „Lika“ bei raus, deshalb ging es ab da einfachheitshalber nur noch mit Namen wie „Mia“ oder „Tina“ weiter ; )

Was ich immer wieder beim Busfahren beobachten konnte, ist diese Offenheit, Freundlichkeit, Gelassenheit und Gemeinschaft, die ich auch so sehr an diesem Land schätzen gelernt habe.

Gespräche werden geführt, Bonbons werden verteilt, weinende Kinder werden an den nächsten Freiwilligen weiter gegeben, der das jetzt mal mit dem  Beruhigen des Kindes versuchen möchte. Es wird diskutiert, gelacht, gesungen. Und mittendrin sitze ich dann und genieße das ruhige Gewusel, das vom ständigen Brummen des Motors und dem Gedüdel aus den Musikboxen des Busses begleitet wird.

Damit ihr einen Eindruck davon bekommt, was man -neben den US-amerikanischen Pop Charts- so in den Bussen hören kann und, was gernerell gerade cool ist, habe ich hier eine Playlist für euch zusammen gestellt, hört mal rein!

So eine Busfahrt ist echt nie langweilig und ich komme immer wieder in Gespräche mit interessanten Menschen. Meistens fängt das mit einer Bemerkung über die Musik an oder über die Tatsache, dass Emma und Ich die einzigen Weißen im Bus sind. Da werden die Menschen dann neugierig, was wir hier denn machen.

So hab ich schon echt coole Gespräche (meistens auf Englisch oder Französisch, manchmal auch mit meinem seeehr brüchigen Kinyarwanda) mit Lehrern der Universität in Huye, Medizinstudenten, Bauern, Ordensschwestern, die an irgendeinem „petite seminaire“ (katholisches Internat) unterrichten, Musikfanatikern und Schülern geführt.

Aus diesem Grund sind die Busfahrten nicht nur unterhaltsam, sondern meistens auch noch lehrreich für mich! Falls ihr jetzt also Fragen zum ruandischen Bildungssystem, dem Stellenwert von Religion, der Umstellung von Französisch auf Englisch in den Unis und Schulen, dem Anbau von Mais oder dem coolsten Musiker Ruandas habt, wisst ihr ja jetzt, an wen ihr euch wenden könnt ; )

Landschaft gucken

Während ich aufpasse, dass Emma-die das Busfahren nutzt, um ein kleines Schläfchen zu halten- nicht auf die Schulter eines fremden Mitfahrers fällt, habe ich genügend Zeit, die unbeschreibliche Landschaft aus dem Fenster zu beobachten. 

Wenn wir aus Huye starten, begleitet uns noch eine Weile die Aussicht auf Tee und Kaffeeplantagen, in denen orange Punkte hin und her schwirren. Das sind die Gefangenen aus dem großen Gefängnis von Huye, in dem vor allem Häftlinge sitzen, die wegen einer Tat während des Genozides verurteilt wurden. Alle Häftlinge verlassen täglich das Gefängnis, um zu arbeiten- auf Baustellen, in der internen Werkstatt oder auf Reis-/Tee-/Kaffeefeldern.

ein geschwind vorbei ziehendes Teefeld

Wenn man hier mit dem Bus fährt, gibt es immer etwas zu sehen- allein, was die Landschaft angeht: ich kann das nicht wirklich beschreiben (und Fotos hauen da auch nicht gerade alles raus), aber es sind echt ÜBERALL Hügel! Außerdem wir kein Fleck hier unbebaut gelassen. Ruanda hat mit dem Problem der Überbevölkerung und somit auch mit der Notwendigkeit von viel Nahrung zu kämpfen. Aus diesem Grund ist jeder Fleck, den man finden kann entweder mit Häusern bebaut oder wird bewirtschaftet.
So begleiten einen kleine Häuschen am Straßenrand, in dessen Vorgärten Mais getrocknet oder zum Verkauf geröstet wird, Bananenbäume, Felder und Feldarbeiter.

Das Leben findet auf den Straßen, in Gemeinschaft, zusammen statt. So kann man am Straßenrand Frauen beobachten, die gemeinsam Wäsche waschen, Kinder die auf dem kleinen Fleckchen Wiese zwischen den zum Trocknen ausgelegten Kleidungsstücken spielen oder Grüppchen an Menschen, die zusammen sitzen, reden, Schach spielen, ihre Ziegen füttern…

Während diese irgendwie beruhigende Landschaft an Fenster vorbei zieht und man sich gerade nicht mit jemandem unterhält, kann man super nachdenken.

Gedanken denken

Worüber ich gerade nachdenke?  Natürlich über den hinter mir liegenden Abschied, der leider sehr abrupt und schnell von dannen ging. Ich konnte mich nicht von allen Menschen verabschieden, die ich während meiner Zeit hier lieb gewonnen hab, denn die Schulen, Kirchen und öffentlichen Plätze (auch das Oratorium) wurden schon Anfang letzter Woche geschlossen.

Was mir auch im Kopf rumschwirrt und mir in den letzten Tagen noch mal mehr bewusst geworden ist, ist die Bedeutung der Formulierung „famille salesienne“ (Don Bosco Familie).  Dieser Begriff, den wir hier so oft gehört, in Gebeten selbst benutzt haben, ist Wahrheit geworden.

Die Pères und Frères in Rango, aber auch in den anderen Kommunitäten Ruandas, die Angestellten, die Kinder aus dem Oratorium und aus unserem Samstagsprojekt, die Schüler, die Novizen, unsere Aspiranten,die Gemeindemitglieder der Paroisse Yohani Bosco…das alles gehört zu der großen famille salesienne, zu der ich und Emma jetzt auch zählen.

Es ist schwer, seine Familie irgendwo zurück zu lassen- das habe ich schon bei meinem Aufbruch nach Ruanda feststellen müssen- und genauso schwer fällt es mir auch jetzt daran zu denken, gleich in den Flieger nach Amsterdam zu steigen ohne zu wissen wann/ob ich diese neue Familie wieder sehen werde. Teile meiner „2.Familie“ werd‘ ich auch in Deutschland antreffen: die anderen Volos und die lieben Mitarbeiter von Don Bosco Volunteers und natürlich Emma. Meine liebe Emma, meine Mitvolontärin, die gerade auf der Rückbank schlummert und ,die während meiner Zeit hier immer für mich da war, mit der ich so viel erlebt und geteilt habe ( fettes Dankeschön, alter Emma, Steve alter!)

Ich checke zum 1.000 Mal mein Flugticket auf meinem Handy ( das müssen wir gerade an jeder Polizeikontrolle vorzeigen, ab heute wurde hier eine Ausgangssperre verhängt und auf unserer 3 Stunden Fahrt nach Kigali müssen wir immer wieder unsere Fahrt rechtfertigen) und meinen Reisepass. In diesem Reisepass hätten noch einige Stempel dazu kommen sollen. Vor gut 1 1/2 Wochen haben wir noch überlegt, wann wir denn am besten einen der Salesianer nach Burundi begleiten könnten und ich habe motiviert meinen Besuch in Bombo, Uganda, bei den beiden Volos dort geplant. Wir hatten so viel für unsere 2. Hälfte geplant; für unsere Englischkurse, das Samstagsprojekt, den Kinderchor, den ich mitbetreut habe, das Oratorium….wie viel sich doch in so kurzer Zeit ändern kann.

Perspektivwechsel: krass, was ich alles schon in meiner Zeit hier erleben durfte und wie viel ich lernen, leben, teilen und wertschätzen durfte. Das klingt vielleicht kitschig, aber ich durfte auch unheimlich viel über mich selber lernen. Ich durfte eine komplett andere Kultur, eine andere Mentalität, eine für mich total neue Sprache kennen lernen! Ich bin unglaublich dankbar für diese Möglichkeit und all die Unterstützung von Don Bosco Volunteers, meiner Familie, meinen Freunden, meiner Don Bosco Familie, meinem Spenderkreis.

Jetzt gerade, wo mir der Wind so die Haare ins Gesicht klatscht, habe ich mich mit dieser Situation abgefunden, versuche einfach nur meine Gedanken zu ordnen und die unglaubliche Landschaft und das, was ich damit verbinde, ein letztes Mal in mich auf zu nehmen und empfinde eine krasse Dankbarkeit in meinem Herzen.

Ein letztes Mal kann ich nun nochmal diese Strecke nach Kigali fahren, busfahren. Wer weiß, wann/ob es dazu das nächste Mal kommt.

In diesem Sinne Murabeho, liebe Leser*innen und ein fettes Dankeschön für eure Unterstützung-egal in welcher Form.

Rike

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  1. Emma

    Hey Liebes!

    Da hast du aber viele Punkte angesprochen… wo soll ich denn da anfangen?
    Erst mal Danke für’s aufpassen, wenn ich eingeschlafen bin 🤭 die Strecke habe ich tatsächlich nicht ein einziges Mal im wachen Zustand geschafft, aber das weißt du ja 😂

    Und dann auf jeden Fall noch zu der anderen Geschichte. Ich bin auch super dankbar, dass wir zusammen dort waren. Auch wenn wir viel eher als geplant zurück mussten. Danke für alles 😘

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