Obwohl Ich in diesem Land eine Fremde(siehe Aussehen) und dazu noch bekennende Christin bin(siehe Kette mit Kreuz um meinem Hals), bekomme Ich dennoch die Ehre einen Segen am Feiertag der Geburt Ganeshas (Vinayakachavithi) in Form von ein paar Reiskörnern zu bekommen. Doch das gefährdet nicht mein Christ sein, der Segen ist gleichbedeutend mit Glückwünschen- und die nehme Ich immer gerne an.

Doch zuerst eine kleine Geschichtsstunde aus dem Hinduismus. Hier kommt die meist erzählteste Version von Ganeshas Geburt: Die Göttin Parvati wollte baden gehen und ungestört bleiben, hatte aber keinen Wächter der die Tore zum Bad bewachte. Also nahm sie etwas Lehm und formte einen Jungen, dem sie darauf hin Leben einhauchte. Sie befahl dem Jungen die Tore zu bewachen und niemanden Eintritt zu geben, bis sie ihr Bad beendet hatte. Ihr Ehemann Shiva kam und wollte zu seiner Frau Parvati. Doch der Junge wollte Shiva nicht zu seiner Mutter Parvati lassen, so wie sie es ihm aufgetragen hatte. Shiva schlug im Kamp dem Jungen den Kopf ab und der Junge starb. Als Parvati erfuhr was ihr Ehemann getan hatte, war sie außer sich vor Wut und drohte die gesamte Schöpfung auszulöschen. Lord Brahma, der Herr der Schöpfung, wollte sie von ihren eher drastischen Plan abbringen. Sie willigte ein die Schöpfung zu verschonen, aber nur wenn der Junge wieder zum Leben gebracht werde. Ihr Ehemann Shiva, der seine jähzornige Tat bereute, schickte seine Diener aus um ihm den Kopf des ersten toten Tieres zu bringen das sie fanden. Und sie fanden eine toten Elefanten, und brachten den Kopf zu Lord Brahma, welcher dem Jungen den Elefantenkopf aufsetzte und ihm das Leben zurückgab. Und das ist eine der vielen Geschichte von Ganesha`s Geburt. Seit jeher wird er von den Hindus aufgrund seines Elefantenkopfes seine Weisheit verehrt; seine großen Ohren zeichnen ihn als guten Zuhörer für die Sorgen und Bitten der Armen aus und sein dicker Bauch verspricht Glück und Wohlstand.

Obwohl mein Projekt christlich ist, haben auch wir eine kleine Feier veranstaltet. 90% der Kinder sind Hindus und der Hinduismus hier nicht nur eine Religion, sondern stellt auch ein kulturellen Aspekt Indiens dar (genauso wie Leute anderer Religionen in Deutschland manchmal auch Weihnachten mitfeiern). Im Shelter trafen sich um die hundert Leute, die meisten Kinder aus den umliegenden Stationen sind dabei und auch ein paar Mitarbeiter von Navajeevan Bala Bhavan. Vorne ist ein kleiner Altar aufgebaut, dem als Opfergaben Süßigkeiten (Ganesha ist ein Schleckermaul) und Räucherstäbchen beigestellt sind.

Die Zeremonie ist eher zwanglos, man unterhält sich locker ein wenig mit den Kindern die um einen herum auf dem sauber gefegten Boden sitzen. An einer Stelle singt der Zeremonienmeister etwas und alle Anwesenden antworten im Chor, mit Ausnahme von mir, ich checke natürlich gar nichts. Ich bekomme von einer Frau etwas mit Curry/ Kukurma gelb eingefärbten Reis. Unsicher was zu tun ist schaue Ich die Kinder an und frage ob Ich den Reis essen soll. Die Kinder lachen. „ Noooo, sister. You wait.“ antwortet mir ein kleiner Junge. Meine Frage unbeantwortet und mit nichts mehr als einem kleinen Häufchen gelben Reis in der Hand warte Ich also. Ich warte so vor mich hin, mache ein Foto von dem Reis in meiner Hand und langweile mich fast schon etwas weil Ich von dem Telugu wirklich nichts verstehe. Der kleine Junge mit den super hilfreichen und aufschlussreichen Antworten dreht sich zu mir um. „Now, Sister, put rice on your head.“ Ich höre wohl nicht richtig. Meine Haare sind frisch gewaschen!!! Aber um mal nicht der ahnungslose Nachzügler zu sein, streue Ich den Reis auf meinen Scheitel. Erleichtert finde Ich heraus dass der Junge mich nicht veräppelt hat(machen die manchmal und freuen sich dann tierisch dass du blöd da stehst) ,und alle diesen Segen so an sich selber ausführen. Und damit war die Feier im Shelter auch schon wieder vorbei.

Doch auf den Straßen Vijayawadas wird Vinayakachavithi auch zu genüge gefeiert. Gelbe und orange Blumenketten hängen vor jeder Haustür, an den Autos und an den Straßenständen. Schon vor ein paar Tagen  ist mir aufgefallen, dass man kleine Ganesha-Figuren aus Lehm an den Straßenständen kaufen kann. Diese sind für die Feiern zuhause, es gibt aber auch große teilweise 6 m hohe Ganesha-Statuen aus Lehm die von den Gemeinden aufgestellt werden. Diese sind bunt und wahnsinnig detailliert bemalt. Sie stehen auf kleinen Bühnen, die Tag und Nacht(nachts leiser um niemanden zu stören) von Lautsprechern mit traditionellen Telugu-Liedern, Tollywood-Hits (Bollywood (=Hindi)->Tollywood (=Telugu)) und ab und zu auch Justin Bieber beschallt werden.

Obwohl die Leute in Andhra Pradesh (mein Bundestaat)) diesen Feiertag eher häuslich feiern, bekommt man auf der Straße dennoch ordentlich was zur Schau gestellt. Ich sitze am Volunteer-Chillplatz und höre etwas Musik. Ich wippe ein bisschen meine Füße zum Takt, bis plötzlich ein lautes Trommeln mein westliches Gedudel unterbricht. Was ist das? Von Neugier gepackt hole Ich mein Chunni und meine Lederschlappen und folge dem Geräusch der Trommeln hinaus auf die belebte Straße. In der breiten Gasse neben der Flat hat sich eine Gruppe junger Inder gesammelt die mit Trommeln ordentlich Rhythmus gibt. Zwei haben größere längliche Trommeln lässig unter dem Arm geklemmt auf denen sie mit der flachen Hand tiefe Grundbassakzente setzen. Drei andere haben leichtere Trommeln mit denen sie mit Schlägeln in der mittleren Tonhöhe unterschiedliche Rhythmen anspielen; einem mal ein Solo geben oder zusammen sich abwechseln. Zwei der Jungs stellen sich Rücken an Rücken aneinander, schauen sich lachend an und bringen den Rhythmus mit kräftigen gleichzeiten Schlägen auf einen erneuten Höhepunkt. Der letzte in der Gruppe hat einen Trommelwirbel drauf, mit dem er immer wieder einsetzt und dann schlagartig sich zurücknimmt um den Basstrommeln ein kraftstrotzendes Auftreten zu ermöglichen. Es ist ohrenbetäubend und mitreißend. Mein Musikerherz schlägt im gleichen Takt vor Freude diese Jungs so in Harmonie und im gleichen Flow zu sehen. Diese Improvisation, die durch ihre Spontanität und Perfektion ein unbeschreibliches Erlebnis darstellt… Ich hätte mir am liebsten selber eine Trommel geholt und mich dazugestellt! Gleichzeitig wurde mir aber auch schnell bewusst dass ich eine Frau bin, die mitten auf der Straße intensiv und fasziniert junge Männer dabei beobachtet, wie sie sich vollkommen unbefangen in der Musik genießen. Normalerweise sind Frauen die alleine auf der Straße sind und ihre Sache machen gar kein Thema. Aber das offensichtliche Interesse eines Mädchens an einer Gruppe Jungen ist dann doch eher unerwünscht, weswegen Ich bald – gebrochenen Musikerherzens- in die Flat zurückkehre, weil Ich ja wirklich nur die Musiker sehen wollte. Obwohl ich diesmal doch wirklich kein Interesse an den Jungs, sondern nur Interesse an der Musik hatte! Gott sei Dank sind die Leute in meiner WG auch musikalisch! Und so tröstet mich das abendliche Singen mit Sophia auf dem Flachdach über diese verpasste Gelegenheit hinweg.

Aber was macht man mit den Ganesha-Figuren?

Seit ein paar Tagen fahren kleine und aufwendig beschmückte Laster partymäßig durch die tümmeligen Straßen. Geladen haben sie die größeren Ganesha-Figuren und auch immer ein paar Jugendliche, die wohl gute Stimmung verbreiten. Denn was passiert mit den riesigen Lehm-Figuren? Ganesha hatte zwei Mütter: die Erde und das Wasser. Und so landet Ganesha`s Figur nach 10 Tagen im Wasser- in meinem Fall im Fluss Krishna. Dort löst sich die Figur auf und man glaubt das Ganesha zu Pavarti zurückkehrt. In Andhra Pradesh wird Vinayakachavithi eher bescheiden gefeiert- in Mumbai wird das Fest in größeren Ausmaßen gefeiert! Jährlich werden um die 155.000 Lehm-Statuen ins Wasser gekippt!!!

Liebe Grüße an euch zuhause,

Eure Lilli

P.S.: Dieses Fest wäre meine erste Gelegenheit gewesen einen Sari zu tragen. Aber meiner ist noch beim Schneider- und die nächste Gelegenheit kommt schon bald… (hier vorfreudiges mädchenhaftes Gekicher einblenden!)