Wie gut wir es haben in einem so reichen Land wie Deutschland war mir in der Theorie immer bewusst, aber ich konnte es niemals richtig verstehen. Nicht mit dem Herzen begreifen. Nach dem Aufstehen morgens drehen wir den Wasserhahn auf um uns zu waschen, zu duschen, um Zähne zu putzen. Und da kommt Wasser aus dieser Leitung! Es gibt Wasser-immer wenn wir es brauchen! Wir sind verwöhnt. Ich bin verwöhnt. Wie oft dusche ich einfach mal zwei Minuten länger, weil es so schön warm ist. So angenehm. Und merke überhaupt gar nicht, wie verschwenderisch ich mit diesem wertvollen Rohstoff umgehe. Hier in Quebrada wissen wir nie genau, wann das Wasser mal wieder weg ist. Jeden Morgen bin ich wieder dankbar, wenn ich aufstehe und sehe, dass tatsächlich Wasser da ist. Dass ich duschen kann. Freuen wir uns. Und dann geht es unter die kalte Dusche, was immer wieder eine Überwindung ist. Aber wir haben Wasser, auch wenn es kalt ist. Und so beginnt jeder Tag, an dem wir Wasser haben, als ein Geschenk.

Und dieses Wasser, das da in Deutschland aus der Leitung kommt, ist sauber. Wir können es trinken. Wir können damit unseren Durst stillen, ohne uns zwei Stunden später mit Bauchschmerzen auf dem Bett zu wälzen, weil das Wasser dreckig war. Die Menschen hier in Quebrada trinken das Leitungswasser weiterhin, während Anna und ich mittlerweile Wasser kaufen, um nicht ständig Bauchschmerzen zu haben. Aber hier ist man daran gewöhnt. Die Körper haben sich an das schmutzige Wasser gewöhnt, das auch abgekocht immer noch viel zu dreckig ist. Sie trinken es, tagein tagaus. Und auch wenn ihre Körper nicht mehr darauf anschlagen, ist es doch nicht gesund. Hätte doch eigentlich jedes einzelne Kind, jede Frau, jeder Mann hier sauberes Wasser verdient.

Und wir haben Strom. Wann immer wir in Deutschland die Lampe anknipsen, erstrahlt sie in hellem Licht. Wir müssen nicht immer schon im Voraus Akkus aufladen oder Kerzen bereitstellen, weil ja mal wieder Strom weg sein könnte. Und selbst wenn es mal einen Stromausfall gibt-wir haben ja Notstromaggregate, die dann doch wieder alles retten. Und falls das tatsächlich mal nicht der Fall sein sollte, rufen wir später irgendwo an um uns zu beschweren. Wir sind es nicht gewöhnt, uns Alternativen zu überlegen, wenn einfach mal für fünf oder sechs Stunden kein Strom da ist. Weil es ja auch so selten vorkommt.

Dieser Artikel ist kein Vorwurf an unsere Gesellschaft – es ist vor allem mein Blick auf mich selbst. Mein Blick darauf, wie ich mit Wasser und Strom in Deutschland umgegangen bin-wie wenig ich beides schätzen konnte. Und erst hier, wo ich immer wieder erlebe, dass wir weder Wasser noch Strom haben und auch nicht wissen, wann wir wir wieder damit rechnen können, ist mir richtig bewusst geworden, wie gut es uns geht. Wie abhängig wir von beidem sind und wie schwer es ist, einfach mal einen Tag ganz ohne Wasser und Strom zu leben. Wie dankbar wir an jedem neuen Tag dafür sein sollten, dass wir Wasser haben, dass nicht ständig der Strom ausfällt. Dass dieses Wasser sauberes Wasser ist, das wir sogar aus der Leitung trinken können.

Es geht uns gut. So so gut. Wir leben in einem reichen Land. Das sollten wir nicht vergessen….