In meiner ersten Woche hier dachte ich noch, wir hätten den Monsun schon verpasst, weil es immer -wenn überhaupt- nur nachts regnete. Aber Pustekuchen, jetzt geht’s scheinbar erst richtig los!
So hat es z.B. am letzten Sonntag während der Games Time also mitten im Fußballspiel angefangen zu schütten. Das war echt mega witzig, weil, obwohl sich der Platz, auf dem wir immer spielen, im Nullkommanix in einen See verwandelt hat, fleißig weitergespielt wurde und der Ehrgeiz und die Ernsthaftigkeit mit der vor allem die älteren Jungs an die nachmittäglichen Matchs rangehen, durch das Wetter keineswegs nachgelassen haben. Untermalt von dramatischen Blitzen und Donnerknallen spielten wir also wie gewohnt bis der Schiri (einer der Brothers hier im Heim) das Spiel ganz normal abpfiff und uns durchnässte Spieler in die Duschen schickte. Was irgendwie paradox war, weil die Duschen der Jungs sich draußen, also zu dem Zeitpunkt mitten im Regen, befinden.. Aber nach Ende des Spiels hat der Regen dann auch wieder nachgelassen 😉
Neben solchen besonderen Erlebnissen, die ich hier erfahren darf, finde ich aber auch immer mehr in meinen normalen Alltag hinein.. Und damit ihr euch vielleicht ein bisschen besser vorstellen könnt, wie mein Leben hier so ist, gibt’s hier eine kleine Beschreibung, wie die Grundstruktur der Wochentage meistens ist:
Nach unserem Frühstück um ca. 7.30 Uhr bringen wir die Jungs zu ihren jeweiligen Schulen.
Wenn wir dann wieder im Heim eintrudeln, beginnt der entspannteste Teil des Tages: Da sich fast alle Jungs in der Schule befinden, ist es hier im Heim den Vormittag über eher ruhig und wir Volos haben Zeit, Sachen für den Abend vorzubereiten, Wäsche zu waschen, zu putzen und alles zu tun, was sonst noch so anfällt.
Am Nachmittag holen wir die 4 jüngsten Jungs wieder von der Schule ab und dann startet die -zu Beginn des Blogeintrags schon erwähnte- „Games Time“, das heißt alle Jungs, die 2 Brothers und wir Volos spielen auf dem großen Vorplatz des Heims Fußball oder ein indisches Murmelspiel (den Namen konnte ich mir leider nicht merken) oder natürlich den indischen Nationalsport Cricket. Und jaa, langsam aber sicher verstehe ich die Regeln und das Punktesystem immer besser und treffe den Ball schon eher als in meinem ersten Cricketmatch 😉 Auf jeden Fall blühen die Jungs dabei total auf und ich muss immer wieder ein bisschen schmunzeln, wenn nicht ganz klar ist ob der Ball „out“ war oder nicht und auf einmal alle Jungs anfangen wild durcheinander auf Tamil zu diskutieren.. Hier ein paar Action-Pics:
Nach der Games Time gibt’s einen kleinen Snack und dann beginnt um 18.30 Uhr die „Study Time“. In dieser Zeit beschäftigen sich die Jungs mit ihren Hausaufgaben oder lernen für Exams, wobei wir Volos unser bestes geben, sie dabei zu unterstützen. So ist es mittlerweile unsere Aufgabe jeden Abend mit ein paar Jungs separat eine kleine English Class zu machen. Das stellte sich zu Beginn als relativ schwierig heraus, da die Konzentrationsbereitschaft der Jungs schon ziemlich sinkt, sobald man den Study Room verlässt, um auf dem Flur Englisch zu machen. Auch weil es teilweise ziemlich große Unterschiede in den Englischkenntnissen der Jungs gibt, ist es manchmal kompliziert, alle im Unterricht mitzunehmen. Aber wenn ich genug Vorbereitungszeit hab, kriege ich es immer hin, mir für die English Class genügend Aufgaben etc. auszudenken, sodass die Jungs nicht über- bzw. unterfordert sind und gut mitmachen 🙂
Sobald die Study Time zuende ist, gibt’s dann „Supper“, also Abendessen für die hungrigen Boys und Volos und um ca. 21 Uhr beten alle Jungs auf dem Hof den Rosenkranz. Danach gibt es noch eine abschließende Abendansprache, bei der wir immer dabeistehen und versuchen trotz der vielen Moskitos, die zu der Zeit am liebsten zuschlagen, keine Miene zu verziehen…
Soo, das war jetzt doch irgendwie ein längerer Einblick in meinen bisherigen Alltag und meine Aufgaben hier… An Wochenenden und freien Tagen läuft das Ganze nochmal anders ab und ab nächster Woche beginnen die Holidays, die die meisten der Jungs zu Hause bei ihren Familien verbringen werden. Das heißt, im Heim sind dann nur noch ca. 20 Jungs, deren zu Hause hier das Anbu Illam ist und die Ferientage laufen wahrscheinlich wieder ganz anders ab… Mein „Alltag“ ist also sehr abwechslungsreich und es bleibt spannend 😉
Apropos wandelbarer Alltag: Gestern haben wir Volos spontan ca. 16 der Jungs zu einer Veranstalung zum International Peace and Gratitude Day begleitet. Das war so eine Art Umzug durch die Stadt mit Trommeln und Trompeten und vielen Kindern aus Don Bosco Einrichtungen in Chennai, die für Frieden und Verkehrssicherheit demonstriert haben (Ja, so ganz hat sich der Zusammenhang zwischen diesen Themen für uns auch nicht erschlossen… Aber als wir dann über die nur halb gesperrte Straße gezogen sind und immer wieder breite Busse hupend und nicht ganz so langsam an uns vorbeigerauscht sind, fanden wir, dass mehr Frieden im Verkehr vielleicht doch sinnvoll ist.) An der ganzen Aktion fand ich eigentlich die Hin- und Rückfahrt am witzigsten, weil ich da gelernt hab, wie man sich zu 23st in einen Van mit 13 Plätzen quetscht, sich zu dritt einen Platz teilt und trotzdem noch fröhlich bei Tamil-Songs aus dem Radio mitsingen kann 🙂
Hui, das ist jetzt doch ein längerer Text geworden…. Vielen Dank für’s Durchlesen und bis zum nächsten Blogeintrag!
Eure Clara
P.S.: Wer sich beim Lesen gewundert hat, warum ich immer von „uns Volos“ schreibe: 3 Tage nach Jakob und mir sind noch zwei Mädchen aus den Niederlanden hier im Heim angekommen. Beide sind auch 18 und zu viert teilen wir uns die Aufgaben ein und quatschen über unsere Eindrücke, die Jungs usw…
Christoph Hackbart
Hallo Clara,
danke für die interessanten Eindrücke, die ich gern verfolge. Offensichtlich hast Du es ganz gut getroffen, das freut mich.
Bitte halte uns weiterhin auf dem Laufenden!
Herzlich, Christoph
Clara Casser
Lieber Christoph,
vielen Dank! Das freut mich, dass du hier vorbeischaust. Ich geb‘ auf jeden Fall mein bestes am regelmäßigen Blogschreiben dranzubleiben 😉
Ganz liebe Grüße aus Indien,
Clara