Tobi in Abidjan

Ein weiterer strassenkinder.de Blog

Wieso soll ich denn Lesen und Schreiben lernen?

Am Montag, 15. Oktober 2012 hat im Village Don Bosco der Alphabetisierungsunterricht für die Kinder, die in den hier im Stadtteil Koumassi ansässigen Autowerkstätten arbeiten, begonnen.

In den Tagen vor dem 15.10. wurde sehr viel Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit von den Erziehern geleistet, was konkret bedeutet, dass jede Autowerkstatt in Koumassi besucht wurde, um die Chefs über die Vorteile der Fähigkeit zu lesen und zu schreiben, einerseits für die Kinder, andererseits aber vor allem für die Chefs selbst zu informieren. Hierbei muss man leider häufig feststellen, dass das Wohl und die Zukunftsmöglichkeiten der Kinder den Werkstattinhabern oftmals äußerst egal ist. „Wenn ein Junge mit 12 oder 13 Jahren nicht lesen und schreiben kann, ist das doch nicht schlimm!“, so der Chef der Garage, die sich gegenüber vom Foyer Magone befindet. Doch was macht das Kind, wenn es älter wird? Es wird mit 20 Jahren immer noch in derselben Werkstatt arbeiten, immer noch dieselbe Arbeit verrichten und dafür immer noch denselben Hungerlohn erhalten. Es wird mit 20 Jahren immer noch nicht den linken vom rechten Autoreifen unterscheiden können, da es ja nicht lesen kann, ob links oder rechts draufsteht. Es wird mit 20 Jahren immer noch nicht feststellen können, wie viele Autos fehlen, wenn sich in der Garage am Vormittag 12 Autos befanden, am Nachmittag jedoch nur noch 9. Somit birgt der Alphabetisierungsunterricht für diese Kinder auch Vorteile für die Chefs. Ihnen das klarzumachen ist bereits nicht so einfach, da viele unter ihnen selbst nicht lesen und schreiben können und demnach auch nicht wollen, dass die Kinder eine höhere Bildung erhalten als sie selbst.

Des Weiteren lag es an den Erziehern die Unterrichtszeiten auszumachen. Denn wenn die Kinder im Unterricht sind, können sie ja logischerweise nicht arbeiten, somit fehlt ihre Arbeitskraft in der Werkstatt. Folglich wurden als Unterrichtszeiten Montag bis Donnerstag von 08:00 bis 10:00 Uhr festgelegt, was ganz offensichtlich ein großes Entgegenkommen unsererseits darstellt.

Als der Unterricht dann am Montag begann, ließ die Motivation der Kinder leider sehr zu wünschen übrig, was mich sehr erstaunt hat. Somit fragte ich einen der Jungs, warum er denn gar nichts lernen wolle. Seine Antwort darauf war, dass er ziemlich zufrieden sei mit seinem jetzigen Leben, er hat jeden Tag etwas zu tun, verdient genug Geld um sich jeden Tag satt zu essen und hat keinerlei Bedürfnis etwas zu lesen oder zu schreiben. Aus diesem Grund beschlossen wir, also das Erzieherteam, den Kindern zunächst einmal zu erklären, warum es ganz sinnvoll ist Lesen und Schreiben zu lernen. Dadurch haben die meisten mittlerweile den Willen etwas zu lernen gewonnen.

Und wie arbeite ich bei der ganzen Sache mit?

Die Kinder sind, je nach ihrem Vorwissen, in drei Niveaus eingeteilt: Niveau I, II und III. Um ein Niveau allein zu unterrichten sind meine sprachlichen Fertigkeiten natürlich noch nicht gut genug, außerdem haben die unterrichtenden Erzieher alle eine Fortbildung absolviert, der ich nicht beiwohnen konnte. Deshalb assistiere ich zur Zeit bei den drei Niveaus und wenn mal einer der Erzieher für  Niveau II und III oder die Erzieherin für Niveau I ausfällt, ist es an mir ihn/sie zu vertreten. Und das war am Montag und am Dienstag der Fall. Am Montag habe ich kurzerhand den Unterricht für Niveau II übernommen, da der hierfür zuständige Erzieher aufgrund der starken Regens nicht kommen konnte. Am Dienstag dann Niveau I, weil die Erzieherin (sie war zwei Wochen krank) zu einer Nachuntersuchung ins Krankenhaus musste. Zu meiner Überraschung lief die Vertretung relativ gut. Es herrschte relativ wenig Unruhe im Klassenraum und die Kinder konnten die gestellten Aufgaben auch weitestgehend fehlerfrei lösen. Die Jungs sind zwar anstrengender als die im Foyer wohnenden, aber mich ständig „Monsieur le blanc“ zu nennen, habe ich ihnen schon fast ausgetrieben! Ich bezeichne sie ja schließlich auch nicht als kleine schwarze Jungs, sondern nenne sie bei ihrem Namen.

Das war’s soweit erstmal von mir,

Herzliche Grüße in die Heimat und bis bald

Tobias

Vorheriger Beitrag

Die Frage nach dem Sinn

Nächster Beitrag

Beiße niemals in die Hand, die dich füttert

  1. Jana

    Monsieur le blanc 😉
    Tobi wie immer war dein Beitrag sehr interessant.
    Ich grüße dich herzlich aus der Heimat zurück 🙂

Schreibe einen Kommentar

Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kommentarformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an info@donboscomission.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Läuft mit WordPress & Theme erstellt von Anders Norén