Problem beim Essen: Roland (14) ist bestraft, da er den ganzen Vormittag nur Dummheiten gemacht hat und auch nach mehrmaligem Auffordern nicht wie alle anderen für die Schule lernen wollte (am Freitag war Brückentag, da am Donnerstag ja Allerheiligen war, was hier ein Feiertag ist).

Infolgedessen wird seine Portion Reis zu Mittag etwas gekürzt. Nachdem die Kinder alle Teller im Essensraum platziert haben (das Essen wird bereits in der Küche auf alle Teller verteilt) nimmt sich Roland einfach eine komplette Portion und beginnt zu speisen, bevor alle am Tisch sitzen und wir gebetet haben. Die Anderen sind natürlich empört und versuchen ihm den Teller wegzunehmen, da ihm eine ganze Portion heute nicht zusteht, er verhindert dies natürlich. Wir dürfen hierbei nicht vergessen, dass die Kinder alle ehemalige Straßenkinder sind, und demnach nicht erst lange diskutieren, sondern zuschlagen, wenn sie meinen es sei nötig. Somit ergibt sich eine kleine Prügelei zwischen Roland, Ali und Salomon. Die beiden letzteren sind natürlich vollkommen im Recht, da Roland die Regeln des Hauses zu akzeptieren hat, doch gewalttätig vorzugehen ist keine Lösung. Ich kann die drei also dazu bringen, den Kampf erst einmal zu beenden. Dann schicke ich Roland nach oben in sein Zimmer, da er im Zuge der kleinen Prügelei gut die Hälfte der kompletten Portion, die er essen wollte, auf dem Tisch verteilt hat und somit Nahrungsmittel verschwendet hat. Er weigert sich inständig nach oben zu gehen und sagt, er wolle jetzt eine komplette Portion essen. Ali und Salomon wird das alles zu bunt und sie teilen mir mit, dass sie Roland jetzt nach oben bugsieren werden. Roland wehrt sich natürlich, doch Ali und Salomon (beide 15 Jahre alt) sind zusammen stärker als er und bringen ihn in sein Zimmer. Roland ist immer noch sehr wütend und schlägt pausenlos gegen die schwere Eisentür, die ich, nachdem Ali und Salomon aus dem Flur zu den Schlafsälen der Kinder geflüchtet waren, zugeschlossen hatte, sodass Roland sich erst einmal beruhigen kann. Danach essen die Kinder, während ich zum Maison Provinciale gehe und den verantwortlichen Salesianer Père Rafael hole, damit er die Situation nun in die Hand nehmen kann. Er lässt sich das Ganze noch einmal von den Kindern erklären und hört danach Roland an. Dieser ist nicht fähig normal zu reden, da er allem Anschein nach fast hyperventiliert hat und gar nicht klarkommt. Zur Strafe muss Roland 200 mal „Ich werde nie mehr gegen die Tür im Foyer schlagen“ schreiben. Rafael hat ihm unmissverständlich klargemacht, dass er kein Recht hat, etwas im Foyer zu zerstören. Außerdem hat er die Regeln des Foyers einzuhalten. Wenn er die Regeln nicht mehr akzeptieren will (er ist bereits seit drei Jahren dort und hat sich zuvor relativ gut in das Leben eingeordnet), was soll dann noch aus ihm werden?

Die Erzieher im Foyer sind die Einzigen, die sich noch um Kinder wie Roland kümmern, der Rest der Gesellschaft hat Roland schon längst aufgegeben, da er den Stempel „Straßenkind“ auf der Stirn hat. Ich hoffe, Roland hat jetzt verstanden, dass er besser nicht in die Hand, die ihn füttert, beißt. Nach der ganzen Sache, erklärt mir einer der Erzieher, dass Roland seit den diesjährigen Sommerferien sich stark verändert hat. Normalerweise verbringen die Kinder vom Foyer Magone die Sommerferien bei ihren Familien, doch Rolands Vater wollte ihn dieses Jahr nicht haben. Dass er ihn während den Ferien nicht haben will, ist das Letzte was Roland zur Zeit von seinem Vater gehört hat, seine Mutter lebt nicht mehr. Muss man sich dann noch wundern?