Tobi in Abidjan

Ein weiterer strassenkinder.de Blog

Diebstahl!

Es ist ja wirklich schon einen Monat her, dass ich mich hier habe blicken lassen… Die Zeit flitzt!

Vor etwa anderthalb Monaten ereigneten sich ein paar eher unschöne Dinge im Foyer. Es war ein Montag: Ein Ehemaliger namens Serge, der in den Jahren 2008 bis 2010 auch zu den Kindern des Foyer Magone zählte, stattete uns einen Besuch ab. Mittlerweile dürfte er so um die 20 Jahre alt sein. Es war nicht sein erster Besuch, daher kannte ich ihn bereits und wir verstanden uns auch recht gut. Es war bereits nach 18:00 Uhr und wir waren dabei mit den Kindern Hausaufgaben zu machen und zu lernen. Olivier (17 Jahre alt und der einzige im Foyer, der bereits eine Ausbildung macht) und Serge unterhalten sich sehr angeregt und lachen viel miteinander. Schön zu sehen, wenn sich alte Freunde nach langer Zeit wieder treffen. Bei den letzten Besuchen von Serge war Olivier nämlich immer bei der Arbeit.

Wie gewohnt ging ich um 20:00 Uhr zu den Salesianern um mit ihnen zu Abend zu essen. Serge war bereits verschwunden, niemand hatte dies bemerkt. Komisch.

Zwei Tage später möchte Joel mit mir reden. Er gehört zu den ältesten im Foyer. Er sagt, dass ein Computerbildschirm, der in einem Schrank im Essensraum verwahrt war, fehlt. Wie ist der denn verloren gegangen? Joel teilt uns mit, dass Serge diesen Bildschirm am Montag gestohlen hat. Sein Komplize: Olivier.

WAAAAS??? Wie ist das denn möglich? Wir waren doch die ganze Zeit im Essensraum um mit den Kindern zu lernen. Mit mir waren noch zwei andere Erzieher dort. Die ganze Zeit! Joel sagt, dass Olivier den Bildschirm herausbefördert hat und Serge diesen dann draußen vor der Tür in Empfang genommen hat. Noch am selben Tag wird Olivier klargemacht, dass für ihn kein Platz mehr im Foyer ist und er nach Hause gehen soll. Es war nicht sein erster Diebstahl. Sein Chef beklagt sich regelmäßig, dass Dinge, die er Olivier anvertraut hat, verloren gehen. Mindestens einmal im Monat musste ein Erzieher an Oliviers Arbeitsstelle kommen und sich anhören, welchen Mist Olivier in der letzten Zeit gebaut hat. Jedes Mal musste jener Erzieher um Verzeihung bitten. Und glücklicherweise wurde Olivier jedes Mal verziehen. Doch mit dem Diebstahl im Foyer ist das Maß voll. Wer mit 17 Jahren noch nicht verstanden hat, dass das Foyer seine letzte Chance im Leben ist, dem ist allem Anschein nach nicht mehr zu helfen. Olivier hat fast die Hälfte seines Lebens im Foyer verbracht. Im Alter von ca. 9 Jahren kam er das erste Mal. Mit 12 wurde er in die Familie reintegriert. Mit 13 verließ er seine Familie erneut um auf der Straße zu leben. Kurze Zeit später kam er wieder ins Foyer. Die Erzieher hatten es gerade geschafft seinem kleinen Bruder Lust aufs Foyer zu machen, sodass er nicht mehr auf der Straßen bleiben wollte. Nur wegen seinem kleinen Bruder akzeptierte man Olivier nochmals. Nach all dieser Zeit hat er leider noch nicht begriffen, dass man im Foyer alles versucht hat, um ihm zu helfen sich ein ordentliches Leben aufzubauen. Diese Tatsache beschert mir zwei schlaflose Nächte, da ich es einfach nicht begreifen kann wie man es nach so langer Zeit immer noch nicht geschnallt haben kann…

Oliver beim Kickern (vorne rechts)

Am vorletzten Montag klingelt es abends gegen 19:00 Uhr im Foyer. Vor der Tür steht Oliviers Mutter. Sie sagt, sie möchte ihre Kinder sehen. Ich bitte sie höflich herein und beginne, ihr zu erklären was sich ereignet hat. Mittlerweile war der Diebstahl bereits einen Monat her. Olivier ist seitdem nicht Zuhause gewesen. Und dann ist er auch noch ein Dieb. Die Scham der bereits etwas älteren Frau ist nicht zu beschreiben. Sie sagt, sie sei sehr krank gewesen in den letzten Monaten und auch ich erinnere mich, dass die Erzieher von der ihrer schweren Krankheit erzählt hatte. Aufgrund dieser Krankheit war Olivier sogar jeden Sonntag nach der Messe kurz nach Hause gegangen (sie wohnt nicht weit vom Foyer), um sich über das Wohlbefinden seiner Mutter zu erkunden. So sagte er zumindest.

Dann hole ich Oliviers kleinen Bruder Léon dazu, er unterhält sich ein wenig mit seiner Mutter und erklärt ihr aufs Neue die Situation. Sie ist sichtlich getroffen und verliert fast vollkommen die Fassung. Als sie sich wieder gefangen hat, erläutere ich ihr die schulischen Erfolge Léons, der Klassenbester ist und einen enormen Fortschritt im Lesen gemacht hat im vergangenen Schuljahr. Das muntert die Mutter wenigstens ein bisschen auf. Bald darauf sagt sie, sie müsse nach Hause, Léon begleitet sie noch ein Stück.

Vorheriger Beitrag

Deutsche Botschaft Abidjan zeigt sich größzügig

Nächster Beitrag

(K)ein Lieblingskind

  1. Benedict Steilmann

    Mensch Tobi,
    das ist ja nicht schön. Diebstahlmäßig ist ja gerade der Wurm drin. Ich kann mir vorstellen, dass das an deinem Menschenbild nagt.
    Ich weiß nicht, wieviel Enttäuschung angemessen ist. Ich habe vor etlichen Jahren mal etwas ähnliches im Jugendlager auf Korsika bei einem Kind erlebt und war furchtbar verärgert. Bis ich feststellte, dass der Bursche das überhaupt nicht persönlich gemeint hatte.
    Im Endeffekt sind die Täter der letzten Tage doch arme Teufel, die damit Türen hinter sich geschlossen haben, oder?
    Hoffentlich kommt deine gute Laune bald zurück.
    Herzliche Grüße
    Benedict

Schreibe einen Kommentar

Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kommentarformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an info@donboscomission.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Läuft mit WordPress & Theme erstellt von Anders Norén