Rike und Ruanda

Ein Listen- und Termintaktermensch in einer buhoro buhoro-Welt

Père Hugo wird 86!

Jetzt stellen sich natürlich einige Fragen: Wer ist Père Hugo? Und wieso möchte Rike uns von ihm erzählen? Vor einer guten Woche erhielten wir eine Einladung vom Noviziat gegenüber unsere Kommunität für den gleichen Tag, um den Geburtstag von einem der Salesianer zu feiern. Père Hugo lebt und unterrichtet schon seit vielen Jahren im Noviziat und kommt eigentlich aus Belgien.Toll, dachte ich mir, ein Geburtstagsessen für einen 86-Jährigen…das kann ja nur langweilig werden. Falsch gedacht! Ich möchte euch gerne von einem Abend erzählen, der mich sehr beeindruckt hat.


Geburtstagsessen und Vorbereitungen

Als wir- die beiden Aspiranten und Ich- beim Abwaschen erfuhren, dass unsere ganze Kommunität zum Abendessen nach drüben ins Noviziat eingeladen wurde, war ich zuerst nicht so begeistert. Père Hugo kannte ich schon von unserer Vorstellungsrunde im Noviziat und in den letzten Wochen kam er auch ein paar Mal zum Mittagessen bei uns vorbei- ein wirklich sehr netter Salesianer. Trotzdem konnte ich nicht direkt etwas damit anfangen, zu seiner „Geburtstagsparty“ zu gehen. Ich war aber doch sehr gespannt, was sich denn dahinter verbirgt. Frère Rémégie kam später auf mich zu und meinte, dass wir uns zum Vorbereiten am besten im grande salle treffen. Aha, Vorbereitung für was? Nachdem ich ihn wohl sehr fragen angeschaut habe, erklärt er mir, dass -wenn man hier zu einer Feier unter den Salesianern eingeladen ist- man eine kleine Nummer zum Präsentieren vorbereiten sollte. Wir arbeiteten also mit den beiden Aspiranten zusammen an mehreren Liedern und fanden am Ende ein französisches Lied, dass wir schnell merhstimmig einstudieren und auch etwas auf Hugos Leben umschreiben konnten. Zuerst stand noch „Salve Regina“ zur Auswahl, aber ich konnte leider niemanden von der Sister Act-Version davon überzeugen…;)

„Emma hehe?“

-diese Frage musste ich mir an diesem Tag und den Tagen drumherum leider öfter -auch auf Französisch- von Kindern, Novizen und Salesianern anhören: Wo ist Emma? Emma war leider die letze Woche über krank und musste deshalb erstmal im Bett bleiben. Aber keine Sorge, ihr geht es jetzt schon wieder besser. Dadurch habe ich das erste Mal alleine im Oratorium gearbeitet, mit den anderen gebetet etc.

Es ist schon erstaunlich: da ist man gerade mal knapp 1 1/2 Monate hier, und schon hat man sich total an eine bestimmte Routine, und vor allem auch an Leute, gewöhnt. Es war zuerst echt komisch, unserer Arbeit im Oratorium ohne Emma nach zu gehen. Und auch in anderen kleinen Situationen ist mir dann schon aufgefallen, dass Emma da im Moment irgendwie gefehlt hat oder es schön gewesen wäre, genau dann über was Bestimmtes zu reden. Ich sehe das mal als ein sehr gutes Zeichen für unser weiteres Zuammenleben 😉

Natürlich hat trotzdem alles gut geklappt und ich konnte auch alleine die üblichen Hürden an Sprachbarrieren, Wundenverarzten und Schlüsselsuchen meistern. Zu wissen, dass man die Sachen auch alleine schaffen kann, hat mir ein gutes Gefühl gegeben. Außerdem bin ich so mit manchen Situationen ganz anders umgegangen; kein hilfesuchender Blick zu Emma, kein Abwägen oder Zurückziehen aus Gesprächn oder Situationen….oder in total neuen Situationen und Gesprächen gelandet, sehr spannend!

Aufbruch auf die andere Seite!

Dadurch, dass Emma krank war, konnte sie am Abend auch nicht mit zum Noviziat und ich bereitete mich alleine auf den Abend vor: mal wieder Haare kämmen, das mit Kreide befleckte Tshirt wechseln und nach einer Halskette suchen- das ist doch ein besonderer Anlass, oder? Etwas versetzt nach der deutschen Pünktlichkeit machten wir uns dann auf den Weg zum Noviziat. Mit der Gitarre fürs Ständchen und unsere Gebetsbüchern (vorm Essen sollte es noch eine gemeinsame Abendandacht geben) bewaffnet überquerten wir die Straße und kamen gerade noch rechtzeitlich während der Einführung der Andacht , bei der einer der Novizen als Impuls aus einem Buch vorlas, in der Kapelle des Noviziats an.

Die Kapelle war vergleichsweise zu den normalen Verhältnissen in unserer Kommunität (die ja auch „nur“ aus 5 Salesianern, 2 Aspiranten und 2 Volontärinnen besteht) rappelvoll: alle ca 20 Novizen (zwischen 20 und 30 Jahre alt) , die 4 Salesianer der dort ansässigen Kommunität, unsere Brüder und wir quetschten uns in Bankreihen.

Ich fühlte mich während der Andacht relativ sicher, da diese den gleichen Ablauf hatte wir auch unsere Andachten in der Kommunität. Hier fand aber alles etwas lauter, mit Trommeln und mit mehr Mehrstimmigkeit und Gesang statt. Die paar Psalme, die wir leise vor uns hinsprechen, wurden von den Novizen mehrstimmig dahingeschmettert und zwischen jedem Absatz nochmal schnell ein Ave Maria runtergebetet. Das war wirklich spannend und auch cool, die ganzen Gebete mal in einer anderen Form zu erleben.

Geburtstagstraditionen

Nach der Andacht, bei der im Speziellen für Père Hugo gebetet wurde, versammelten sich alle vor der Kapelle- ich etwas im Hintergrund, da ich ja keinen Plan hatte was jetzt passiert- und starteten eine kleine Prozession mit Kerzen, Blumen und flotten französischen Liedern Richtung Speisesaal. Ganz vorne natürlich Père Hugo, begleitet von blumenstraußtragenden Novizen.

Als wir den Speisesaal betraten, musste ich erstmal staunen: der ganze Raum war mit unendlich vielen bunten Tüchern geschmückt, blinkende Lichterketten und Girlanden funkelten zwischen „Happ Birthday“-Ballons und ein kleiner Tisch stand voll mit kleinen Häppchen. Während langsam die gesamte Prozession im Raum ankam, konnte ich mir das Lachen nicht verkneifen: es wirkte alles so unrealistisch und die Sitation kam mir so ulkig vor. Da stehe ich wirklich in einer Menge aus klatschenden Salesianern und denen, die’s mal werden wollen, umringt von Kerzen und Lichterketten, und versuche, die ganzen Geburtstagslieder mit zu singen, die nacheinander aus verschiedenen Ecken des Raumes angestimmt werden.

Zur Feier des Tages gabs erstmal einen Willkommensschnaps in kleinen Gläschen in allen möglichen Formen und Farben (die Gläschen, nicht der Schnaps) und ich wurde von einigen Novizen zu einem Tisch gewiesen: der Beginn eines langen, sehr unterhaltsamen, mit Gesprächen gefüllten und von Bier begleiteten Abendessens.

Sprachwirrwarr

Die Novizen, die sich momentan in der Vorbereitung im Noviziat befinden, kommen aus Ruanda und Burundi. Zu der Vorbereitung gehörte auch das Französischlernen. Also sitzen da ganz viele neugierige Novizen, die Englisch, Französisch, Kinyarwanda und Kirundi ( die Sprache Burundis, die sich nicht sehr von Kinyarwanda unterscheidet) sprechen können und keine Ahnung haben, wie sie mit mir kommunizieren sollen. Dementsprechend hatte ich viel zu tun mit dem Wechseln zwischen Französisch, Englisch und einigen Floskeln auf Kinyarwanda. Es war aber mega lustig und sehr interessant sich anzuhören, aus welchen Gründen sich die Novizen auf dieser Laufbahn befinden.

Das Abendprogramm und „Wie schön, dass du geboren bist“

Die angeregten Gespräche und das leckere Essen wurden dann irgendwann vom Geburtstagsprogramm unterbrochen. Ja, es gab ein ganzes Programm! 🙂 Da meine Gedanken die ganze Zeit auch noch beim Emma rumschwebten, die alleine in ihrem Zimmer lag, nur mit den 2 Bananen und Broten,die ich ihr vor unserem Aufbruch gebracht hatte, flitzte ich schnell mit einem Topf voller Essen rüber.

Das Programm hatte Vieles zu bieten: mehrere Reden, bei denen oft gelacht werden musste, eine kleine Zaubershow, Gesangseinlagen der Novizen und einen kostlichen Geburtstagskuchen. Die Stimmung war echt super und auch unser umgedichtets Lied kam gut an. Da alle so herzlich waren und mich so unglaublich warm und offen empfingen, entschied ich kurzerhand, selbst noch was zum Programm dazu zu steuern. Aus diesem Grund hüpfte und tanzte ich wenig später alleine durch den Raum und gab meine Version von „Wie schön, dass du geboren bist“ zum Besten. Die Choreo dazu entstand noch während des Liedes, kam aber wohl trotzdem recht gut an 😉

Hier ein kleiner Ausschnitt aus dem Gesangsprogramm der Novizen. Ich habe es leider nicht hinbekommen, die Audio etwas zurecht zu schneiden…so richtig was zu hören gibt’s ab 1:44! 😉

Père Hugo nutzte diesen Anlass auch, um seinen Werdegang bis hier hin zu rekapitulieren. Seine kleine Rede beeindruckte mich sehr. In Belgien geboren, in Deutschland sein zweites Philosophiestudium und Praktikum gemacht, später in den Kongo zum Gründen der ersten Salesianerkommunität dort geschickt, dann nach Burundi und später ins Noviziat in Ruanda. Dort traf er auch Père Léon wieder. Der belgische, sehr liebenswürdige Salesianer unserer Kommunität, mit dem er selber zusammen im Noviziat war. Aus diesem Grund bestand die Rede zum Teil auch aus Anekdoten und Gesprächen zwischen den beiden auf Flämisch, die in Lachanfällen ihrerseit und nach der Übersetzung auch bei uns endeten. Während seinen Ausführungen wurde mir klar: dieser Mann glaub wahrhaftig an Gott und die Kraft einer Kommunität. Ich habe währenddessen alle möglichen schlauen Sprüche, die er von sich gegeben hat, auf eine Serviette gekritzelt, da ich so viel wie möglich davon festhalten wollte, die Serviette aber leider verlegt…Was aber geblieben ist: man muss vertrauen in Gott haben, avoir la coeur avec le Seigneur- den Herrn immer im Herzen haben, und dann wird sich schon alles in die richtige Richtung bewegen.

Partys und der Glauben

Es war interessant zu sehen, wie sich bei diesem Essen eine „normale“ Gebrtstagsfeier mit der Feierlaune der Novizen und dem kommunitären Leben/ dem Glauben mischte. Bei der Andacht zu Beginn des Abends wurde inbrünstig gesungen und gebetet, auch das Tischgebet, das alle motiviert mitbeteten fiel nicht kurz aus. Und der letzte offizielle Programmpunkt war die Segung der Gäste durch das Geburtstagskind, die auf eine Ansprache des Leiters der Kommunität folgt, der von der wundervollen Gabe Gottes, dem Alter, erzählte. So entstanden auch einige Momente, in denen jeder in sich gekehrt über die gesprochenen Worte nachdachte. Auf der anderen Seite gingen die Salsianer nicht sparsam mit dem Bier um, stimmten voller Motivation alle möglichen Lieder an und starteten beim Kuchenanschneiden ein kleine Tanzeinlage, bei der jeder einzelne Novize in den gebildeten Kreis sprang und so tat, als würde er Kuchen schneiden. Durch diese super Stimmung und mir bis dahin nicht bekannte interessante Mischung aus Party und Glaube, fühlte ich mich sehr wohl.

der sternenbegleitete Rückweg

Nach diesem vollen, ereignisreichen Abend machte ich mich mit den Salesianern wieder auf den Rückweg. Mit einem Stück Kuchen für Emma in der Hand lief ich mit den Anderen durch diese wolkenlose Nacht, in der man am Himmel so unglaublich viele Sterne und einen sehr hell leuchtenden Mond sehen konnte. Dieses idyllische Bild wurde noch von einem Novizen unterstrichen, der uns nach Hause begleitete und dabei auf der Gitarre Halleluja spielte und sang. Die letzten Gespräche wurden zu Ende geführt und Pläne geschmiedet: Ich und Emma sollte doch unbedingt nochmal zum Essen vorbei kommen und könnten doch auch bei der nächsten Chorprobe der Novizen mitmachen, um mit ihnen zusammen in der nächsten Sonntagsmesse zu singen. Im Gegenzug versprach ich, ihnen den „Geburtstagstanz“ bei zu bringen (wenn der mir bis dahin wieder einfällt…). Während des Rückweges habe ich auch das erste mal ein sehr offenes und reflektierendes Gespräch mt Père Gaspard über Emmas und meine Arbeit in ihrer Kommunität geführt und fiel dann – nach so vielen Gesprächen, Gedanken, Liedern und Kuchstücken- müde ins Bett. Das was wahrhaftig ein Tag, der mir gezeigt hat, was Kommunität wirklich heißt: Zusammenhalt, Gutes feiern und bei Schlechtem beistehen und vorallem, nicht den Glauben an Gott verlieren.

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  1. Katharina Theune

    Liebe Rike,

    der Blogeintrag liest sich so unheimlich schön, es ist fast als wäre man dabeigewesen. Auch dank der tollen Tonaufnahme! Ich bin gespannt, wie es bei euch weitergeht und ob wir dann auch mal was vom Chor zu hören bekommen…

    Alles Liebe,

    Kathi

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