Meine liebe Mitvolontärin Martha haut hier einen Blogeintrag nach dem anderen raus, da kann ich ja jetzt wirklich nicht hinten anstehen. Nachdem ich gestern wieder in, wie mein Papa sagen würde, „good old germany“ angekommen bin, habe ich mir jetzt also hier die richtige Schreibatmosphäre geschafen. Zuerst mal meinen Mate aus dem Gepäck raus gekramt, das Noblezza Gaucha Lieblingsyerba (die Mate-Kräuter) geholt und ne kleine Thermo aus Papas Küchenschrank geklaut. Dazu noch spanische Musik auf die Ohren (die Band singt hier gerade etwas von „y tu y yo eramos tan felíces“ … ach wie gut das passt) und los geht’s.

El mate alemán

Was ist passiert?

Ich bring euch erstmal wieder so bisschen auf den neuesten Stand. Nachdem wir uns vor zwei Wochen also völlig überstürzt aus dem Oratorio verabschiedet haben (hierzu sei euch der Artikel von Martha sehr ans Herz gelegt), sind wir also mit dem wahrscheinlich letzten Fernbus von Santiago del Estero nach Buenos Aires gefahren. Die Idee (von unserem Koordinator Franceso – dem hier zusammen mit Niklas ein riesiges Dankeschön für die ganze wahrscheinlich oft unglaublich stressige Organisation gesagt sei) dahinter war, dass wir einfach für potenzielle Rückholaktionen an einem strategisch guten Ort untergebracht sind. In der Hauptstadt wurden wir dann sehr herzlich von der dortigen Salesianerkommunität in Almagro aufgenommen. Uns wurde sogar ein fast komplettes eigenes Stockwerk zur Verfügung gestellt, in dem sonst Mitarbeiter der Einrichtung untergebracht sind. Wir rechneten anfangs damit, vielleicht zwei, drei Tage oder höchstens eine Woche, die Gastfreundschaft der Salesinaer hier in Anspruch zu nehmen, doch als der erste Rückholflug logischerweise erstmal mit Alten, Kranken und Familien gefüllt wurde und ein zweites Flugzeug noch nicht in Sicht war, verlängerte sich unser Aufenthalt im Zentrum der Metropole am Rio de La Plata doch ein bisschen.

Quarantäne-Alltag in der capital federal

Wir 5 Argentinien-Volos (Maria/Villa Regina, Jakob und Luis/San Juan und Martha und ich/Santiago), also eingesperrt in unserem Stockwerk, durften uns dann irgendwas zu tun suchen. Ich mein, das kennen die meisten von euch ja… Der Großteil der Zeit wurde dabei mit Netflix schauen überbrückt: „Yeees wenigstens können wir die in Deutschland nicht vorhandenen argentinischen oder spanischen Serien zu Ende schauen!!!“ Sehr schnell wurde dann aufgrund von Mangel an argentinischen Serien doch zu englischsprachigen gewechselt. Oder aber unser Filmfreak Luis hat uns mehr oder weniger spannende Filmklassiker empfohlen^^.

Nahrung

Gott sei Dank wurde nicht auch noch für uns gekocht, somit konnten wir ein paar schöne Kochsessions starten. Um ja nicht zu früh auf deutsche Vegetarierkost umzusteigen, versorgten uns die Salesianer hier erstmal mit einem ganzen Hühnchen und dann noch mit einer riesigen Portion an Asado (argentinisches Gegrilltes). Zusätzlich gab es einen Empanada-Abend (an meine Freunde in Santiago: mittlerweile kann ich die Empanadas auch wunderschön schließen… man mag es nicht glauben ^^) und diverse Sandwich-Sessions (bei denen Jakob und ich uns kreativ auslebten… so ein angedünsteter Apfel im Sandwich macht schon was her 😛 ). Dank unserer Hobbybäckerin Martha wurden wir zusätzlich sogar noch mit süßen Köstlichkeiten versorgt. Und auch an flüssiger Nahrung fehlte es nicht, die tollen „3 für 2“ oder „4 für 2“ Bier Angebote im Supermarkt konnte man ja nicht so einfach ignorieren.

Einkaufen

Apropos Supermarkt, der ist auch einen eigenen Absatz wert. Da die Ausgangsbeschränkungen in Argentinien, meiner Einschätzung nach, nochmal härter sind, als in Deutschland, war der Supermarktgang tatsächlich die einzige Möglichkeit mal an die frische Luft zu kommen. Der Supermarkt, der einen Häuserblock von unserer Unterkunft entfernt war, war meist durch eine mindestens 50 Meter lange Schlange vor seinem Eingang zu erkennen. Man kommt also an, stellt sich schön mit Sicherheitsabstand von más o menos 1,5m an und wartet erst einmal. Wenn man dann am Eingang angekommen ist, erwarten einen zwei Angestellte, die einen erst rein lassen, wenn auch wieder eine andere Person raus kommt. Zusätzlich wird man eindringlich darauf hingewiesen, dass pro Haushalt auch wirklich nur eine Person eintreten darf. Bei nicht Befolgen dieser Anweisung wird man dann schon mal von 2 Mitarbeitern radikal nach draußen begleitet. Außerdem bekommt man am Eingang noch ’ne Ladung Desinfektionsmittel auf die Pfoten (Als ich gestern das erste Mal in Deutschland in einem Supermarkt war, kam mir das alles schon ein bisschen lasch vor ^^).

Wenn man nicht auf dem Weg zum Supermarkt ist, sollte man wirklich nicht auf der Straße sein.

Eine kleine Anekdote

Jakob und ich also an einem der in sich verschwimmenden Quarantäne-Tage um ca. 17.00 auf dem Weg zum Supermarkt. An der Ecke entdecken wir, dass die Schlange echt unendlich lang und entscheiden uns umzukehren. Wir gehen also die Straße entlang zurück. Plötzlich hören wir eine laute Stimme nach uns schreien: „Hey ihr zwei da sofort stehen bleiben!“ Ein Polizist nähert sich uns.

„Stellt euch dort hin an die Wand!“

„Woher seid ihr? Die Leute haben mir gesagt, ihr sprecht eine andere Sprache?“

„Aus Deutschland??? Seit wann seid ihr hier? Ist euch bewusst, dass man nicht spazieren gehen darf?

„Zum Supermarkt? Zum Copo hier direkt? Die Schlange war zu lange? Wo wohnt ihr?“

„Okay. Passt. Dann haut ab!“

Dass Jakob in dem Moment seinen Perso nicht dabei hatte, hat uns dabei nicht gerade entspannter werden lassen. Aber es war auf jeden Fall eine spannende Situation und irgendwie hat es uns, wie so oft in der Corona-Zeit, Diskriminierung aufgrund unserer Herkunft spüren lassen. Das ist in dem Moment selbst zwar echt nicht so schön, aber ich glaub auf lange Sicht etwas, was einen als weißen deutschen privilegierten jungen Erwachsenen weiter bringt, sich selbst ein Mal in einer solchen Rolle wieder zu finden.

Und sonst so?

Luis hat mich nach unendlichen Netflix-Sessions immer wieder dazu motiviert doch etwas zu lesen. Luis selbst ist in seinem Buch glaub ich durchaus weiter gekommen, ich selbst hab vielleicht 15 oder 20 Seiten gelesen, dann hab ich’s wieder gelassen und mir dumme Kommentare von unserem Lesewurm angehört. Es sei zu meiner Rechtfertigung dazu gesagt, Luis hat auch an einem Tag zwei Staffeln der Netflix-Serie“Sex Education“ durchgesuchtet und meine Lektüre „Das Kapital“ ist zusätzlich manchmal etwas schwer zu verstehen. Außerdem haben wir aus lauter Langeweile und mit zu viel Energie im Körper eines Tages im Gang angefangen American Football zu spielen. Ich bin sehr froh, dass weder eines der Bilder vom Ball zerstört wurde noch einer von Jakobs Knochen durch Luis‘ Tackle zerstört wurde.

Die Gefährten gehen unterschiedliche Wege

Am Ende der zwei Wochen mussten wir fünf Gefährten uns dann trennen. Genau so, wie Frodo und Sam den Fluss überqueren und Legolas, Gimli und Aragorn bei Herr der Ringe (ja, das haben wir auch geguckt :p) zurückließen, so mussten auch Maria und ich die anderen drei unserer Wegbegleiter in Buenos Aires lassen. Denn die deutsche Botschaft hatte nur uns beiden ein Boot über den Fluss ähhh… ein Ticket für das Flugzeug am 01.04. zugesandt. Somit mussten wir uns nach einer sozial intensiven Zeit von Luis, Jakob und Martha verabschieden und wurden mit einer fetten zweistöckigen Lufthansa-Maschine nach Frankfurt geflogen (ich mit meinem Glück sogar in der Business-Class … olé olé), wo mich meine kleine Schwester Ele mit Schild und mein Papa schon sehnsüchtig erwarteten.

Das war noch nicht das Ende meiner Blogeinträge, ich hab euch ja noch einen Eintrag über Sachen aus Argentinien, die ich in Deutschland vermissen werde, versprochen. Der kommt safe noch und mal sehen, vielleicht ist die Ausgangssperre sogar für noch mehr Blogartikel gut.

Ansonsten freu ich mich weiter über Spenden für mein Projekt, da mir nach dem verfrühten Ende meines Volontariats immer noch eine gewisse Summe zum angepeilten Ziel fehlt. Also sprecht Leute an oder teilt meinen Artikel in die Welt hinaus, ich bin euch unglaublich dankbar dafür.

…bis zur heimischen Couch

In diesem Sinne ein kurzes Tschöööö mit Ö und man hört bzw. liest sich.

Euer Simon