Meine Zeit in Indien

Freiwilligendienst im Care Home Nilavaarapatti, Tamil Nadu

131 Tage Indien

Kleiner hike hinterm Care Home

131 Tage Indien. 131 Tage Care Home und 131 Tage meine Jungs.

Noch nie war ich so lange von Daheim fort und doch fühle ich mich hier als wäre ich Zuhause . Am Anfang war alles neu, alles war ungewohnt und so anders als Daheim. Es hatte seinen Reiz und war aufregend jeden Tag neue Begegnungen, neue Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln. Mit der Zeit jedoch kehrte immer mehr ein Gefühl der Gewonheit ein. Zuerst dachte ich, es sei etwas Negatives und ich müsse jeden Tag so viel Neues wie nur irgendwie möglich erleben. Mittlerweile sehe ich das anders. Mit der Gewohnheit kam auch die Gelassenheit und das Gefühl von Heimat, Sicherheit und Vertrauen. Je länger wir hier waren, desto mehr gehörten wir dazu und wurden ein Teil der Gemeinschaft . Anfangs hatte man oft das Gefühl etwas zu verpassen, man musste immer und überall sein und wollte möglichst viel aufnehmen. Mittlerweile weiß ich, dass ich einen festen Platz in der Gemeinschaft habe und von den Jungs aufgenommen und respektiert werde. Das Gefühl ein Teil der Gemeinschaft, dieser großen Familie, zu sein, ist so viel schöner als ich es je erwartet hätte. Die Kinder hier sind zu unserer Familie geworden und man hat jeden Einzelnen so sehr ins Herz geschlossen. Die Liebe, die einem jeden Tag entgegengebracht wird und die man auch unter den Jungs beobachten kann, macht mich glücklich und ist allgegenwärtig. Anfangs dachte ich, ich sei hier um zu Geben. Den Kindern meine Zeit zu geben, ihnen etwas beizubringen und für sie da zu sein. Mir war nicht bewusst, wie viel man von ihnen zurückbekommt und wie sehr auch sie mein Leben bereichern würden. Jeden Tag bekommt man so viele lachende Kinder zu Gesicht, und es ist das Schönste zu sehen, wie man die Kinder mit nur wenig, so glücklich machen kann. Oft ist es nur ein Lächeln, ein Schulterklopfen oder ein Zuzwinkern, was die Jungs aufstrahlen lässt und ihnen ein Grinsen entlockt. Dann muss auch ich Lächeln und freue mich insgeheim sie zum Grinsen gebracht zu haben. Diese Kleinigkeiten machen jeden Tag hier besonders und es gibt keinen Tag an dem nichts Schönes im Care Home passiert.
Zu Beginn war jedes Gespräch mit den Jungs etwas holprig, es wurde oft Small Talk geführt und Einzelne waren zu schüchtern und angespannt um auf Englisch mit uns zu reden. Es war schwer bei all den Jungs den Überblick zu behalten und die Beziehungen waren zunehmend oberflächlich. Mit der Zeit lernten wir jedoch immer besser uns mit den Jungs zu verständigen, eigneten uns die wichtigsten Worte in Tamil an und begannen ihr holpriges Englisch mehr und mehr zu verstehen. So konnten wir uns immer intensiver unterhalten und aus Small Talk wurden schon bald tiefgründigere Gespräche. Vor allem abends bei der Recreation haben wir die Möglichkeit mit den Jungs zu reden, da sie hier nochmal zwanzig Minuten Zeit für sich bekommen. Dann unterhalten wir uns oft mit ihnen über wichtige Themen wie Traditionen, Liebe, Beziehungen oder was sie sonst beschäftigt. Wir haben das Gefühl, dass sie gerade über sensible Themen gerne mit uns sprechen, da wir sie nicht verurteilen und vergleichsweise offen mit den Tabuthemen Indiens umgehen können, da sie für uns einfach kein Tabu darstellen. Ich glaube die Jungs genießen es, jemanden zu haben, mit dem sie sich über solche Dinge austauschen können ohne die Befürchtung vor unangenehmen Reaktionen haben zu müssen. Außerdem ist es auch für uns schön, zu sehen, wie die Jungs sich einem Stück für Stück mehr öffnen und auch andere Seiten von sich zeigen.
Neben all den guten und schönen Dingen hier im Care Home, habe ich leider aber auch immer wieder mit der Realität zu kämpfen. Je wichtiger einem die Kinder werden, desto mehr drängt sich auch die Frage auf, was später einmal aus ihnen wird und desto mehr schmerzt es, wenn man sie leiden sieht. Im Gegensatz zu den anderen Projekten sind unsere Kinder mit HIV infiziert und auch wenn man es ihnen zumeist nicht anmerkt, so gibt es doch immer wieder Situationen, die dies verdeutlichen. So sind unsere Jungs beispielsweise sehr anfällig auf Krankheiten und bekommen schnell einmal Fieber. Außerdem müssen sie täglich ihre Medikamente nehmen und es kommt immer wieder zu Komplikationen, wenn sie diese beispielsweise nicht vertragen oder die Medikamente umgestellt werden müssen. Dies mitzuerleben fällt mir manchmal sehr schwer und es macht mich traurig und wütend, zu wissen, mit was für einem schweren Schicksal die Kinder hier zu kämpfen haben.
Gleichzeitig bewundere ich die Jungs jeden Tag dafür, wie sie damit umgehen.
Sie sind so glücklich, lebensfroh und dankbar, lachen so viel und so herzlich und lassen sich von nichts unterkriegen.

131 Tage Indien. 131 Tage Care Home und 131 Tage meine Jungs.

Es waren 131 Tage voller Höhen und manchmal auch kleiner Tiefen. Ich durfte so viel lernen, erfahren und miterleben und bin dankbar für jeden einzelnen Tag hier.
Auf die kommenden 210 Tage Indien, Care Home und natürlich auf unsere Jungs! Ich kann es kaum erwarten

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  1. Simone H.

    Hallo Laura,
    So schön geschrieben ♥️. Ich kann dich verstehen und ich freue mich, dass Du dich so wohlfühlst. Ich lese und lebe jeden Beitrag mit.
    LG Simone

    • Laura Gnann

      Hallo liebe Simone,
      Das freut mich wirklich sehr zu hören ! Danke für deinen lieben Kommentar und deine motivierenden Worte ☺️
      Lg Laura

  2. Cornela Waibel

    Hallo liebe Laura,
    vielen Dank für deinen Blog, du schreibst so schön, dass man sich beim Lesen selbst ein bisschen wie in Indien fühlt – so wird auch unsere Welt ein wenig größer. Wir bewundern dich und freuen uns, dass es dir gut geht und dass wir dich auf den Fotos strahlen sehen.
    Ganz liebe Grüße aus Ravensburg von Cornela und Omi und Opi von Flora

    • Laura Gnann

      Liebe Cornelia,
      Wie schön von euch zu hören! Es freut mich sehr, dass ihr meinen Blog lest und noch mehr, dass er euch gefällt ! Ich wünsche euch ein schönes Wochenende und danke dir für den lieben Kommentar

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