…ging meine erste Zemfahrt zum Espace Eveil Ladji, dem Kindergarten, wo wir an diesem Vormittag arbeiten werden.
Seit unserer Ankunft in Benin haben mich die Zems (Motorrad-Taxis) fasziniert. Sie fahren den ganzen Tag auf den Straßen herum und halten an, wenn jemand am Straßenrand winkt. Man erkennt sie immer an ihrem gelben T-Shirts, auf dem ihre Nummer steht. Sie schlängeln sich fix überall durch, es sieht immer wieder nach Beinahe-Unfällen aus, doch es geht immer alles gut. Hinzu kommt noch, dass sie meistens voll beladen sind, sei es mit einer Frau und drei Kindern oder einem Menschen, der riesige Säcke auf dem Kopf balanciert. Die Mitfahrer sitzen so entspannt hinten drauf, ohne sich festzuhalten, als sei es das Normalste auf der Welt. Gut das ist es hier auch, denn Zems sind das Fortbewegungsmittel Nr.1.
Hinzu kommt noch, dass man in Bénin keinen Führerschein für ein Motorrad braucht und man somit davon ausgehen konnte, dass viele keinen blassen Schimmer von Verkehrsregeln haben.
Endlich war es soweit, und wir konnten das erste mal Zem fahren. Der Fofo (Fon: Bruder) des Hauses hat uns eines geholt und den Preis verhandelt und dann hieß es Aufsteigen und Losfahren. Ich habe mich hinten festgehalten, wobei das bei dieser Fahrt gar nicht nötig war. Mich hat es überrascht, wie sanft die Fahrt über die kaputte Straße war, da man keinen Schlag hart gespürt hat, sondern hin und wieder vom Sitz abgehoben und wieder weich gelandet ist.
Der Fahrtwind wehte einem um die Nase und ich habe die ganze Fahrt über grinsen müssen. Jedes Mal, wenn ein Motorrad uns fast gerammt hat oder wir beinahe jemanden aufgefahren wären, habe ich die Augen kurz zu gemacht und darauf vertraut, dass der Fahrer schon weiß, was er macht.
Anfangs waren wir noch auf der großen Straße, dann kamen wir an der überirdischen Kanalisation vorbei, wo viele Zemfahrer eine Pause gemacht haben und entweder auf den Motorrädern geschlafen haben oder sich in das Abwasser entleert haben. Dann ging es irgendwann in eine unbefestigte Nebenstraße, die voller Schlamm war, da sie am Vortag noch unter Wasser gestanden hat. Hier war unsere Endstation, wir sind abgestiegen und zum Arbeiten in den Kindergarten spaziert.
Auf der Rückfahrt zum Maison de l’Esperance hat uns ein Zemfahrer, wie immer mit gelben Hemd, abgeholt. Er hat bereits auf uns gewartet, doch als wir raus kamen, hatte er plötzlich kein gelbes Hemd mehr an, was uns unglaublich verwirrt hat. Wir sind zu zweit auf ein Zem gestiegen und zu dritt ging dann die Fahrt wieder los. Es war wieder wie beim ersten Mal, nur, dass ich jetzt direkt hinter Teresa saß, die sich anfangs wie selbstverständlich am Zemfahrer festgeklammert hat.
Am Abend kam dann meine letzte Zemfahrt an die Reihe. Wir wollten von der Baraque auf dem Markt zurück nach Hause. Einer aus der Baraque hat sich mit uns an den Straßenrand gestellt und zwei Zems angehalten. Er fragte sie, ob sie den Weg nach Zogbo (unser Viertel) und Don Bosco kennen. Die zwei Fahrer nickten und es ging mit dem Verhandeln los. Die Fahrt kostet normalerweise 300 F (45Cent) pro Person. Der Zemfahrer wollte aber 700. Mit etwas verhandeln hat er sich auf 500 F eingelassen, was unserer Begleitung aber zu viel war. Er hat sie weggeschickt und zwei Neue angehalten. Diese wollten anfangs 500 F, haben sich dann aber auf 400 F eingelassen, was für uns in Ordnung war. Wir bezahlten, dann wurde sich auf den Sattel geschwungen und die Fahrt begann.
Mitten durch den großen Markttrubel, wo man zu Fuß schon kaum durch kam, ging es. Es wurde gehupt und dann einfach losgefahren, sodass die Leute aus dem Weg springen mussten, wenn sie nicht überfahren werden wollten. Es war ein ständiges Vollgas, bei dem ich leicht nach hinten gefallen bin, gefolgt von abrupten Bremsern, wo ich voll auf den Fahrer drauf geknallt bin. Nach ein paar Minuten hatte ich es raus, wie ich mich hinten festhalten kann, sodass ich nicht immer durch den Rücken meines Vordermanns gebremst werde, sondern mich mit der Hand hinten halten kann. Auch bei Schlaglöchern war es gut, sich festzuhalten und sich wieder auf den Sattel zu ziehen, wenn man zu sehr in die Luft katapultiert wurde.
Bei einer großen Kreuzung gab es dann mal eine rote Ampel, die auch für die Zems galt und es hat sich eine riesige Traube aus Zems vor den Autos gebildet. Als es grün wurde haben alle gleichzeitig angefangen zu hupen und mein Fahrer hat laut Yovo gerufen, wodurch wir etwas vorgelassen wurden. Dann hatten wir wieder vollen Fahrtwind und es wurde nur noch für große Straßenschäden etwas Fahrt heraus genommen oder über den Gehsteig gefahren, da es dort flacher ist. Auch hier ist mir immer wieder die Luft weg geblieben, wenn das Motorrad seitlich weg gerutscht ist oder sehr heftig ausgewichen wurde.
Es dauerte jedoch nicht lange, bis ich den nächsten Schrecken bekommen habe. Nach ein paar Minuten hält der Zemfahrer an der Kanalisation und fängt an mit ein paar Kollegen auf Fon zu quatschen. Ich bin natürlich sitzen geblieben, obwohl ich sehr verwirrt war. Aber zum Glück ging es dann auch weiter. Teresas Zem hat solange an der Kreuzung auf uns gewartet, da ihr Fahrer den Weg nicht kannte. Doch keine drei Straßen weiter hält mein Zem schon wieder an, diesmal in einer kleinen Nebenstraße. Doch dann sehe ich was los ist. Am Straßenrand steht ein Mann, der 1L-Falschen mit einer braun-gelben Flüssigkeit für 750F verkauft. Es wird kurz gequatscht und dann befüllt der Verkäufer mit einem Trichter den Tank des Motorrads und der Fahrer bezahlt. Er hatte also keinen Sprit mehr und musste tanken, das war los gewesen.
Der Rest der Fahrt verlief holprig über Stock und über Stein, doch dann erkannte ich den Markt Fifadji, der bei uns in der Nähe ist, und wusste, dass wir gleich da sind. Angekommen bin ich etwas ungelenkig vom Motorrad abgestiegen, wobei ich es fast umgeschmissen hätte. Bei dem Zemfahrer habe ich mich noch kurz für die Fahrt bedankt und dann sind wir grinsend in Richtung Zimmer marschiert.
Regina
Na, da wird ja wer zur Motorradbraut…Wie gut, dass Du einen Helm aufgetrieben hast, es scheint ja wirklich sehr abenteuerlich auf den Straßen zuzugehen… Wenn die Motorräder so voll beladen sind, haben sie dann auch extra lange Sitze? Und Fußstützen? Es hört sich schon extrem an, wenn hinter dem Fahrer eine Frau mit mehreren Kindern sitzt oder so viel Gepäck transportiert wird.
Liebe Grüße, Mama
Valerie Buß
Die Sitze der Zems sind tatsächlich etas größer, aber nicht sehr viel. Bei drei Kindern bekommt der Zemfahrer eines auf den Schoß, zwischen Fahrer und Mutter sitzt ein weiteres Kind und die Frau hat sich das dritte mit einem Tuch auf den Rücken gebunden.