Vroni H. in Benin

Mit Don Bosco in Cotonou

Das Gefühl fremd zu sein

„Die Weiße“ wird man hier genannt, „die Andere“, „die Fremde“, „die von weit her“. „Was macht denn die hier?“, wird gerätselt, wenn ich mit Gummistiefel durchs Hochwasser zur Vorschule laufe. Die Kinder singen vor Freude ein Lied, wenn sie eine Weiße sehen, sie reiben an meiner Haut, ob nicht unter der weißen Schicht, die Schwarze kommt. Manche kleinen Kinder haben sogar Angst vor mir, weil sie noch nie eine Weiße gesehen haben und laufen ängstlich vor mir weg. Eins steht fest, man ist nun mal anders hier! Man fällt auf, immer und überall!

Doch was bedeutet das eigentlich „anders“ zu sein? Was gehört da alles dazu?

Zum anders sein gehören hier nicht nur meine typisch deutschen Birkenstocksandalen, die blonden Haare und die weiße Haut, sondern eben noch viel mehr. Auch meine Kultur, meine Traditionen und Gewohnheiten, die ich von Zuhause mitbringe, sind nun mal anders als die von hier.

Doch anders sein ist nichts schlimmes, im Gegenteil! Das Leben ist nun mal kunterbunt, wenn alle gleich wären, wäre es ja langweilig. Jedes Land hat nun mal seine eigene Kultur, seine eigenen Rieten und Spielregeln. So muss man als „Neuling“ erstmal rausfinden, wie diese laufen.
Ich werde hier jeden Tag aufs Neue ins kalte Wasser geschmissen, lerne neue Grundsätze, Regeln, Rieten und Menschen kennen. Für die Bewohner des Landes ist alles Normalität, doch für mich ist vieles nicht selbstverständlich. So probiere ich hier ganz viel aus und frage nach, mache Fehler und lerne daraus. Ich stelle Fragen, worüber die Beniner schon fast lachen, weil es für sie so alltäglich ist. Ich schaue mir von Einheimischen was ab, lerne wieder dazu und krieg so langsam die Spielregeln raus, die hier zählen.

Oft denke ich hier an die Flüchtlinge zurück, denen ich bei den Hausaufgaben geholfen habe und Deutschunterricht gegeben habe. Die ich in Gauting ein bisschen betreut habe, um den Start in dem neuen Land zumindest ein Stück weit zu erleichtern. Jetzt, wo ich selbst die Erfahrung gemacht habe, „fremd“ zu sein, kann ich ein bisschen besser verstehen wie zuvor, wie sich ein Flüchtling fühlt, der neu im fremden, unbekannten Europa ankommt. Ich glaube, er macht ähnliche Erfahrungen wie ich hier in Benin. Er kennt die Spielregeln nicht und ist erstmal „der Fremde“. Doch er lernt dazu, passt sich an und probiert aus. Er macht auch Fehler, missachtet Regeln, weil er sie schlicht noch nicht kennt, stellt Fragen, über die man als Einheimischer nur schmunzeln kann und macht dadurch Stück für Stück, Schritt für Schritt seine Erfahrungen.

Ich habe hier zum Glück ganz viele nette, herzliche Menschen um mich rum, die mich freundlich zurecht weisen, mich auf Fehler aufmerksam machen und mir erklären, wieso bestimmte Dinge hier anders sind. Hinzu kommt, dass ich natürlich nicht, wie so viele Flüchtlinge, ein schweres Paket mit schrecklichen Erlebnissen bei mir trage.

Wenn ich mir vorstelle, mir würde sogar Hass, Misstrauen und Feindseligkeit entgegen geschlagen werden, wäre es schwer, sich in die fremde Kultur einzuschließen, sich anzupassen und sie ein Stück weit zu übernehmen.

So will ich am Ende meines Blogartikels einen großen Dank aussprechen. Einen großen Dank an alle diejenigen, die mir helfen, mich hier zurechtzufinden. An das Volk der Beniner, die es mir leicht machen, die westafrikanische Kultur zu entdecken und ein Stück weit zu leben.

Aber auch all den freiwilligen Flüchtlingshelfern in Deutschland sei ein großer Dank ausgesprochen!  Danke für euer Engagement, eure Geduld und Hilfsbereitschaft!
Selbst Kleinigkeiten können so viel bedeuten und das „Einleben“ erleichtern.  Da kann wirklich jeder mithelfen! Sei es einfach nur einem Flüchtling am Bahnhof den deutschen MVV-Fahrplan zu erklären oder aber auch einfach nur ein nettes „Guten Tag“. Auch damit hat man es einem Flüchtling, der mit der Herausforderung „fremd“ zu sein kämpft, schon ein Stück weit erleichtert.

In diesem Sinne wünsche ich euch schöne und erholsame Herbstferien!

Eure Vroni

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1 Kommentar

  1. Agnes Wolf Hein

    Liebe Vroni, während hier der Schnee fällt und Peter seine ersten Skitour plant, schaue ich in deine tollen Fotos und bin immer wieder sehr beeindruckt! Das Foto mit Müll und Schweinen im Hintergrund die überschwemmten Strassen,die Gesichter der Vorschulmamis… deine täglichen Eindrücke… das berührt wirklich sehr. Wie toll das trotz allem die Kinder soviel Positives austrahlen und so neugierig und offen sind!Und wie nett, dass du so willkommen bist! Ja du hast Recht, da können wir uns ein Beispiel nehmen. Nun schicke ich die allerliebste Mamagrüße und hoffe du bleibst gesund und wohlauf! Wir sind stolz auf dich!

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