Vamos a Bolivia

Teresa in Südamerika

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Und schon wieder ist ein Tag vorbei

Das Klima, die neue Sprache, der Verkehr, das Essen, die riesigen Märkte, die Micro-Busse, das frühe Dunkelwerden, meine Arbeitszeiten, der nächtliche Lärm auf den Straßen und und und … all das war am Anfang neu für mich und ich war abends total überwältigt von den vielen Eindrücken. Mittlerweile bin ich aber nun schon seit ganz genau sieben Wochen hier in Santa Cruz in Bolivien und die zunächst fremde, unbekannte Stadt mit all ihren Gerüchen, Geräuschen und Farben wird für mich immer mehr zu einem vertrauten Ort.

So langsam spüre ich, wie sich der Alltag einpendelt und sich immer mehr zu einer Routine entwickelt, was jedoch nicht bedeutet, dass es deswegen jetzt langweilig ist. Jeden Tag gibt es etwas Neues zu entdecken, zu erfahren, zu lernen und immer noch ganz viele Momente des Staunens.

Día a día (Tag für Tag)

Damit ihr euch ein ungefähres Bild von meinem Tagesablauf hier in Bolivien machen könnt, möchte ich euch in diesem Blogeintrag nun einmal von morgens bis abends durch meinen «typischen Arbeitstag» mitnehmen. Es fällt mir gar nicht so leicht alles, was ich hier erlebe in Worte zu fassen, aber mit vielen Fotos und einigen Erklärungen könnt ihr euch hoffentlich nach dem Lesen dieses Beitrags vorstellen, wie ich meinen Tag unter der Woche verbringe.

Zunächst ein paar Worte zu unserer Wohnsituation. Gemeinsam mit meinen sechs Mitfreiwilligen lebe ich auf einem hoch-ummauerten Gelände. In der Mitte ein Haus mit Küche, Wohnzimmer, oben Schlafzimmer und ein Balkon. Direkt daneben Bungalows, die wir uns jeweils zu zweit teilen. In jedem befinden sich zwei Betten, ein Schrank, ein Tisch und ein Badezimmer. Ich wohne zusammen mit Sofia in einem dieser sogennanten «cuartos» (= Zimmer).

Sechs Tage die Woche arbeite ich im Hogar Don Bosco. «Hogar» ist Spanisch und bedeutet übersetzt «Heim» oder «Zuhause». Dabei begleite ich die Comunidad «Carlo Acutis», die Gruppe der ältesten Jungs, jeden Tag von 14 bis 21 Uhr gemeinsam mit zwei «Educadores» (= Erzieher:innen) durch ihren Tag. Die Gruppe besteht aus ca. 30 «chicos» (= Jungs) im Alter zwischen 12 und 18 Jahren (mehr zu dem Projekt und den verschiedenen Don-Bosco-Einrichtungen in Santa Cruz findet ihr hier).

Los geht´s!

Nachdem ich meinen Wecker, der mich jeden Morgen um 7:55 Uhr aus meinem Schlaf reißt (ich habe mir vorgenommen, jetzt immer um diese Zeit aufzustehen, nachdem ich die ersten Wochen eher länger geschlafen und gemerkt habe, dass mir die Routine fehlt), ausgestellt habe, beginne ich den Tag meistens mit einer Runde Sport, springe danach zur Abkühlung unter die kalte Dusche und bereite mir ein leckeres Frühstück zu (Haferflocken mit frischem Obst).

Im Anschluss daran habe ich Zeit, Dinge wie Wäsche waschen, aufräumen, Blog oder Tagebuch schreiben, auf dem Markt einkaufen und was sonst so ansteht, zu erledigen. Manchmal mache ich aber auch einen kleinen Ausflug ins Zentrum, telefoniere mit meiner Familie und Freund:innen oder genieße den freien Morgen und entspanne mich beim Lesen eines Buches.

Wenn nicht irgendwer von meinen Mitvolos krank ist oder doch mal andere Arbeitszeiten hat (im Moment ist das wegen eines Streiks hier in Santa Cruz bei Sofia und Lukas der Fall), bin ich von Montag bis Donnerstag bis 12 Uhr immer alleine. Dann kommt meine Mitvoluntärin Hannah nach Hause und wir machen uns gemeinsam etwas zum Mittagessen. Danach spüle ich schnell meinen Teller ab, schlüpfe in meine Schuhe und mache mich auf den Weg zum Hogar, das zum Glück nur wenige hundert Meter die Straße runter entfernt liegt.

Von Montag bis Donnerstag sieht mein Tag dort dann wie folgt aus.

Um 14 Uhr…

… gehe ich, wenn ich dort angekommen bin, direkt in «sala» (= Schulraum) eins oder zwei. Dort suchen die Jungs entweder gerade noch ihre Schulsachen zusammen oder sind schon fleißig dabei, ihre «tareas» (= Hausaufgaben) zu erledigen. Ich werde direkt von einem oder sogar mehreren Jungs nach «ayuda» (= Hilfe) gefragt und unterstütze sie dann bestmöglich bei ihren Aufgaben. So erkläre ich zum Beispiel Benjamin* die Algebra, berechne mit Augy* Volumina von Kugel, Kegel und Würfel, bilde mit Thiago* verschiedene englische Sätze, unterstütze Adalberto* beim schriftlichen Addieren und Substrahieren oder versuche Robinho* dabei zu helfen, den Verdauungsapparat des Menschen zu verstehen.

Um 15 Uhr…

… machen wir uns jeden Dienstag und Donnerstag auf den Weg zur «lavandería» (= Wäscherei), die mit auf dem Gelände des Hogars liegt und die Jungs müssen ihre Kleidung per Hand waschen. Meine Aufgabe dabei ist es, «cepillo» (= Bürste), «jabón» (= Seife) und «tapón» (= Stöpsel fürs Waschbecken) aus dem Schrank zu holen und an alle Jungs zu verteilen. Manchmal wird aus dem Waschen zwar eher eine Wasserschlacht und auch ich bekomme mal ein paar Tropfen ab, aber da es hier im Moment (fast) jeden Tag mindestens 30 °C sind, ist es für die Jungs eine kurze Abkühlung und die Kleidung trocknet auch ruckzuck wieder.

Wenn alle ihre Kleidung gewaschen und schön ordentlich mit den «ganchos» (= Wäscheklammern) auf die Wäscheleinen gehangen haben, ist meistens schon eine Stunde vergangen und es klingelt zur…

… «Merienda»

Alle Jugendlichen rennen entweder direkt aus den «salas» oder von der «lavandería» zum «comedor» (= Speisesaal) und stellen sich in eine Schlange, um sich die «Merienda» abzuholen, ein kleine Zwischenmahlzeit, die hier jeden Vormittag und Nachmittag verteilt wird. Es gibt für alle etwas zu trinken, dazu Obst, Brot, manchmal sogar Torte oder Donuts.

Die nächsten zwei Stunden gestalten sich für mich jeden Tag unterschiedlich. Montags und Mittwochs gehen einige der Jungs in die «carpintería» (= Tischlerei) oder in die «soldadura» (= Schweißerei), die mit auf dem Gelände des Hogars liegen und bauen dort Hocker, schweißen Blumengefäße oder fertigen sich einen Ring an. Auch ich habe schon meinen ersten Hocker zusammengebaut und einen Weihnachtsbaum aus Draht gebogen.

Andere arbeiten in den «jardines» (= Gärten), bemalen dort Bäume und alte Autoreifen, die als Abgrenzung dienen, pflanzen etwas ein oder graben um.

Jeden Dienstag brechen wir gemeinsam zu einem «taller» (= Workshop) im CEA Mamá Margarita auf, dem Verwaltungsgebäude des Projekts, das in der Nähe des Hogars liegt. Dort basteln die Jungs, reden über wichtige Themen wie Hygiene oder Werte im Gemeinschaftsleben (zum Beispiel Respekt) oder schauen auch mal einen Film.

Um 18 Uhr…

… geht es entweder noch einmal in die beiden «salas», um die restlichen «tareas» des Tages zu erledigen oder es wird Sport gemacht, meistens Fußball. Die Zeit von 18 Uhr bis zum Abendessen gestaltet sich jedoch jeden Tag unterschiedlich.

Um 19 Uhr…

… schellt erneut die Klingel, diesmal für das «cena» (=Abendessen). Alle Jungs machen sich auf den Weg zum Speisesaal und stellen sich vor der Tür in eine lange Schlange. Jeder bekommt Desinfektionsmittel auf die Hände und darf sich an seinen Tisch stellen. Wir beten gemeinsam und danach heißt es auch schon «¡Buen provecho!» (= Guten Appetit).

Ich sitze gemeinsam mit fünf anderen Jungs an einem Tisch und meistens ist es meine Aufgabe, das Essen zu verteilen. Wenn alle Kinder mit dem Abendessen fertig sind und ihre Hocker, mehr oder weniger leise, auf die Tische gestellt haben und aufgestanden sind, wird ein Dankgebet gesprochen und eine Ansage gemacht, wie der restliche Abend gestaltet wird. Danach verlassen wir den Speisesaal.

Nach dem Abendessen…

… steht entweder Fußball, Basketball, Volleyball oder Tanzen auf dem Plan. Das ist jeden Tag unterschiedlich, oft gibt es auch zwei Aktivitäten gleichzeitig. Beim Fußball, Basketball und Volleyball hören wir immer laute Musik und viele der Jungs singen oder rappen mit. Da wir fast jeden Abend die gleichen Latino-Songs hören, fällt es auch mir immer leichter, ein paar Zeilen mitzusingen und ich habe schon einige neue Lieblingssongs für mich entdeckt.

Je nach Lust und Laune sitze ich manchmal auch mit einigen Jungs am Rand, die an dem Tag nicht so motiviert sind, Sport zu machen. Mit ihnen spiele ich Klatschspiele, wir unterhalten uns, singen, lernen gemeinsam deutsche und englische Wörter oder sitzen manchmal auch einfach nur da und schauen zu.

Um 20:30 Uhr…

…, manchmal auch etwas später, werden die Lichter am Fußballfeld ausgeschaltet und es heißt für alle «a la ducha» (= in die Dusche). Alle Jungs schlendern in Richtung ihrer «dormitorios» (=Schlafräume), schnappen sich ihr Handtuch und laufen in die Dusche. Hört sich leichter an, als es in Wirklichkeit ist. Nicht selten gibt es Diskussionen und eine Unterhaltung oder Klatschspiele mit mir erscheinen den Jungs dann doch spaßiger als direkt in die Dusche zu gehen.

Meine Aufgabe währenddessen ist das Verteilen von Shampoo und Zahnpasta. Auch das ist nicht ganz so einfach, wie man vielleicht denken könnte und selbst meine Haare haben dabei schon einige Male einen Klecks Shampoo von einem der Jungs abbekommen.

Wenn alle geduscht sind und sich bettfertig gemacht haben, verabschiede ich sie mit einem «Buenas noches» (= Gute Nacht) und «Hasta mañana» (= Bis morgen) und schon wieder ist ein Tag vorbei.

Um 21 Uhr…

… verlassen meine Mitvoluntärin Hannah und ich dann im Dunkeln das Hogar und machen uns auf den Weg nach Hause. Ein wenig erschöpft, aber auch mit einer Menge schöner Momente im Herzen lasse ich den Tag noch einmal Revue passieren.

Ich spüre jeden Tag mehr, wie mir die Jungs ans Herz wachsen und wie dankbar ich bin, dieses Jahr mit ihnen verbringen und jeden einzelnen mit all seinen Stärken und Schwächen besser kennenlernen zu dürfen. Vieles fühlt sich mittlerweile schon so vertraut an und ich freue mich jeden Tag aufs Neue, ins Hogar zu kommen und in die meist strahlenden Gesichter zu blicken. Langsam wird das Hogar auch für mich schon zu einem «Zuhause». Und wie sagt man so schön? «Zur richtigen Zeit am richtigen Ort», genau so fühlt es sich für mich an.

Zum Abschluss möchte ich gerne noch ein Zitat mit euch teilen, das ich im Hogar Don Bosco schon so oft gelesen habe und mir seit dem ersten Tag im Kopf hängen geblieben ist.

Hagan todo por amor, nada por la fuerza.

(Tu alles aus Liebe, nichts mit Gewalt.)

S. Francisco de Sales

Bis zum nächsten Mal!

Teresa

P.S.: Um den Beitrag von der Länge her nicht zu sprengen, werde ich über die Tage am Wochenende noch einen zweiten Eintrag schreiben. Da die Jungs dort keine Schule haben, unterscheidet sich der Ablauf dort wiederum von dem unter der Woche.

*Die Namen habe ich zum Schutz der Jugendlichen alle geändert.

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