Unsere Reise in den Nord-Osten

Anlässlich der Priesterweihe von Primus, einem Salesianer der uns bei den Vorbereitungsseminaren für unseren Freiwilligendienst unterstützt hat, haben wir uns am 18. Januar auf eine Reise in den Norden gemacht. Nach einer 16-stündigen Reise mit Zug, Flugzeug und Taxis kamen wir spät abends endlich in Shillong an.

Ein kleiner Kulturschock

In den nächsten Tagen prasselten eine Menge Eindrücke auf uns ein und ich muss ehrlich sagen, dass ich schon fast einen kleinen Kulturschock hatte, als ich die vielen Unterschiede zwischen Südindien und Nordostindien festgestellt habe. Klar haben uns schon im Voraus viele gesagt. „Ihr müsst unbedingt zu ganz vielen Orten in Indien reisen, jeder Ort ist unterschiedlich.“ – aber dass es wirklich so viele große Unterschiede gibt, hätte ich nicht gedacht.

Fangen wir mit einem der offensichtlichsten Unterschiede an, den man sich auf Grund der geografischen Lage aber auch schon denken konnte. Das Klima. Während man bei uns im Süden auch abends im Winter noch bequem mit einer dünnen Strickjacke rumlaufen kann, ist es im Nordosten wirklich kalt. Da konnte ich alle meine warmen Sachen übereinander ziehen und habe immer noch gefroren. Und eins habe ich definitiv gelernt: Dankbar sein für deutsche Heizungen!

Der größte Unterschied waren aber die Menschen. Die Haut war viel heller und die Gesichtszüge sehr asiatisch. Aber was mich noch mehr überrascht hat ist: So gut wie jede Frau ist in Jeans rumgelaufen und die meisten haben ihre Haare offen oder in zu einem Pferdeschwanz gebunden getragen. Im Süden dagegen sieht man nur sehr selten eine Frau in Jeans. Die Jüngeren tragen meistens Chuudies und die Älteren die altbekannten Saris. Zudem haben im Süden wirklich fast alle Frauen ihre Haare zu einem Zopf nach hinten geflochten.

Ein weiterer Unterschied ist die Landschaft. Hier wachsen andere Bäume und vor allem liegt viel weniger Müll auf den Straßen. Und nicht zuletzt ist auch das Essen anders, im Gegensatz zum Süden nämlich so gut wie nie scharf.

Was aber genauso ist wie bei uns, ist die große Herzlichkeit der Menschen. Überall wurden mit offenen Armen empfangen und alle wollten nur das Beste für uns. Und was sich auch nicht verändert hat: Die große Liebe zu Selfies mit uns Weißen. Manchmal kamen wir uns wirklich vor wie Prominente, was durchaus sehr anstrengend sein kann.

Die Priesterweihe

Am 19. Januar wurde Primus zusammen mit neun anderen jungen Männern zum Priester geweiht. Dazu gab es einen großen Gottesdienst unter offenem Himmel in Shillong. Da der Gottesdienst auf Kashi gehalten wurde, konnte ich jedoch nicht viel verstehen. Am Abend sind dann alle Gäste von Primus nach Umden, in sein Heimatdorf, gefahren. Unter den Gästen waren außer Johanna und mir auch vierzehn andere Deutsche, die alle extra zur Priesterweihe angereist sind. Am Abend gab es ein leckeres Abendessen und dann durften wir Deutsche alle in einem Krankenhaus übernachten, damit am nächsten Tag fleißig weiter gefeiert werden konnte.

Der nächste Tag bestand dann aus Primus Primiz (seinem ersten eigenem Gottesdienst), einer Prozession, einem kulturellen Programm und einem Programm mit allen geladenen Gästen bei ihm zu Hause. Bei diesem Programm haben auch wir Deutschen unseren Teil beigetragen und einen bayrischen Tanz aufgeführt. Anschließend wurde die Musik aufgedreht und getanzt. Da kamen auch gleich ganz viele kleine Mädchen auf mich zu und haben mich auf die Tanzfläche gezogen, da konnte ich gar nicht anders, als mich von der guten Stimmung zum Mittanzen bringen zu lassen.

Nachdem wir zwei Tage gefeiert haben, durften Johanna und ich noch zwei Tage im Projekt von unseren Mitvolontärinnen Anita und Vroni verbringen. Die beiden arbeiten in einem Internat für Mädchen. Da aber gerade Schulferien sind, haben wir nicht viel von ihrem Alltag mitbekommen. Dafür konnten wir uns das nahegelegene Dorf Nongpoh anschauen. Und am zweiten Tag haben wir einen Ausflug nach Cherrapunji – dem regenreichsten Ort  der Welt – gemacht. Da aber gerade Trockenzeit ist, haben wir nicht viel von dem vielen Regen mitbekommen 😉

Varanasi

Am 24. Januar ging unsere Reise weiter. Die 24 stündige Zugfahrt nach Varanasi ging sogar schneller rum als erwartet. (Doch während 24 Stunden im Zug für mich ewig klingen, sind für Inder auch zwei oder drei tägige Zugfahrten keine Besonderheit.)

Als wir in Varanasi ankamen, war die Stadt zunächst sehr laut und chaotisch – eine typische indische Großstadt eben. Der Verkehr auf der Hauptstraße erinnerte an einen nie aufhörenden Auto Corso.

Auf dem Weg zu unserem Hotel wurden die Gassen dann aber immer schmaler, bis unser Tuk Tuk stehen bleiben musste und wir den Rest zu Fuß gelaufen sind. Hier war die Atmosphäre gleich viel ruhiger. Statt Unmengen an Autos und TukTuks, kreuzten jetzt jede Menge Kühe unseren Weg. Da diese Kühe für die Hindus heilig sind, dürfen sie hier überall herum laufen.

In den kommenden Tagen haben wir es sehr genossen in den kleinen Gassen der Altstadt herum zu schlendern. Außerdem haben wir uns natürlich auch eine Bootstour auf dem Ganges nicht entgehen lassen. Für die Hindus ist der Ganges sehr heilig, fast alle wollen einmal zum Ganges pilgern, um sich dort mit seinem Wasser von schlechten Taten rein zu waschen. Außerdem ist es das höchste Ziel von vielen Hindus, nach ihrem Tod direkt am Ganges verbrannt zu werden. Sie glauben, dass sie so dem ewigen Kreislauf des Lebens entkommen können.

Varanasi ist aber auch eine große Touristenstadt mit Touristen aus aller Welt. Für Johanna und mich war es daher vor allem in den ersten Tagen sehr ungewohnt, plötzlich wieder so viele Weiße zu sehen. Doch es hat zu vielen lustigen und interessanten Begegnungen geführt – an einem Tag haben wir zum Beispiel mit einem Deutschen, einem Österreicher und einem Holländer auf der Dachterrasse eines Restaurants Karten gespielt.  Was uns dabei sofort auffiel ist, dass sich vor allem beim Essen sehr oft die Touristen von den Indern separieren. Wahrscheinlich geschieht das oft unbewusst. Die Europäer gehen in schön hergerichtete Restaurants mit einer großen Auswahl an indischem und nicht indischem Essen, während die Inder in kleinen Straßenkaffees sitzen und essen was gerade gekocht wird. Wir waren immer gerne in den kleinen Straßenkaffees, aber manchmal hatten wir auch Lust auf westliches Essen, da wir das in den letzten Monaten so gut wie nie bekommen haben.

Eine traurige Seite von Varanasi sind die vielen Straßenkinder und Mütter mit ihren Babys, die um Essen oder Milchpulver betteln, da sie oft selbst keine Milch geben können. Manche Bilder sind mir immer noch im Kopf hängen geblieben. Ich hätte diesen kleinen, hilflosen Kindern so gerne geholfen – aber ich wusste einfach nicht wie. Da merkt man wieder, dass die große Armut allgegenwärtig ist.  Umso mehr ist mir noch einmal aus neue bewusst geworden, wie viel Glück ich habe, in Deutschland bei meiner Familie aufgewachsen zu sein.

 

Wir sind auf jeden Fall sehr froh und dankbar darüber, dass wir auf unserer Reise noch einmal ganz andere Seiten von Indien sehen konnten. Damit haben wir jetzt schon mehr Bundesstaaten gesehen, als fast alle von unseren Jungs und Mitarbeitern. Von denen waren nämlich die wenigsten schon einmal außerhalb von Tamil Nadu.