Diesen Blog Eintrag möchte ich heute einmal nutzen, um auf ein paar Themen aus Indien einzugehen. Alle diese Themen begegnen mir mehr oder weniger oft im Alltag. So werde ich einfach ein paar Themen einzeln ansprechen.

Militär und Konflikte:

Auf meiner Nordindien Reise habe ich nochmal gemerkt, wie wichtig das Militär für Indien ist. Es gibt in fast jeder Stadt größere Militäranlagen. In Dhramsala am Fuße des Himalayas sind ganze Berge nur mit Militärgebäuden zugebaut. Auch in Kerala, an der Südspitze Indiens, sind große Teile der Küste und mache Inseln ausschließlich dem Militär vorbehalten. Für die meisten Inder ist es das höchste der Gefühle, wenn sie den Aufnahmetest für eine Laufbahn beim Militär bestehen.

Das ist die eine Seite, die man durchaus Kritisieren kann. Die andere Seite ist aber auch, dass Indien zwischen den Atommächten China und Pakistan zwei Feinde haben, die eine ernste Bedrohung darstellen. Mit Pakisten gibt es fast wöchentliche Grenzscharmützel. Währenddessen suchen Indien und China  immer nach Möglichkeiten die Grenzen im Himalaya zu ihren Gunsten zu verlegen. Zusätzlich kann man Myanmar und Afghanistan nicht gerade als stabile Nachbarn betrachten.

Innere Konflikte

Und das sind ja nur die Außenkonflikte. Im Gebiet Jammu und Kaschmir im Norden Indiens gibt es eine nicht zu unterschätzende Seperatistenbewegung, die Anschläge verübt. Aber dieser Konflikt ist ja den meisten bekannt. Weniger bekannt in der Welt ist, dass die Regierung in Zentral- und Ostindien starke Probleme mit Maoistenbewegungen hat. Durch starke Militärpräsenz ist dieser Konflikt eingedämmt worden. Es gibt aber immer noch Gebiete, in denen die Zentralregierung faktisch keine Macht hat.

Ihr seht, es gibt also durchaus reale Bedrohungen für den indischen Staat. Ob Militär die Antwort ist, muss sich jeder selbst überlegen.

Militärgebiet

Militärgebiet – Schon mit dem Schießen dieses Bildes habe ich mich strafbar gemacht

Politik:

In Indien regiert seit 2014 die BJP Partei mit ihrem Premierminister Narendra Modi. Als zweite große Kraft gibt es die Congress Partei auf nationaler Ebene. Die Congresspartei wird dabei massgeblich von den Nachfolgern Mahatma Gandhis gelenkt. Der Vorsitzende ist zur Zeit Rahul Gandhi. Die BJP Partei wird massgeblich vom „Modi-Clan“ gelenkt. Es sind also eigentlich zwei Familien, die versuchen die Geschicke des Landes zu lenken. Diese Vetternwirtschaft wird dabei sehr kritisch gesehen.

Narendra Modi führt mit seiner Partei übrigens einen rechten Hindunationalistischen Kurs. Das bedeutet, dass er die Hindus im Land stärken möchte und andere Religionen verdrängt. Außerdem versucht er Indien zu vereinheitlichen. Der Begriff Hindusthan fällt unter diese Politik. Dieser Begriff suggeriert schließlich es gäbe nur Hindus in Indien. So soll ganz Indien zum Beispiel Hindi sprechen lernen. Dass klingt vielleicht aus westlicher Sicht vernünftig. Wenn man aber bedenkt, wie viele Kulturen und Sprachen im Staat Indien existieren, merkt man, dass diese Politik der Vereinheitlichung das Land kulturell verkümmern lassen würde und ihm nicht gerecht wird. Deswegen wehren sich gerade die Tamilen hier bei uns gegen diese Politik.

Tamil Nadu:

Die Tamilen sind eine Jahrtausende alte Volksgruppe aus dem Süden Indiens. Die meisten von ihnen leben in Tamil Nadu. Mit 80 Millionen zugehörigen Angehörigen sind die Tamilen nach den Kurden die größte Volksgruppe der Welt ohne eigenen Staat. Sie sprechen ihre uralte Sprache Tamil und unterscheiden sich auch sonst vom Rest Indiens. Weil die Congress Partei und die BJP Partei hier verachtet werden, gibt es eigene Regionalparteien. Um nicht ihre Kultur und ihre Sprache zu verlieren, weigern sich die Tamilen konsequent in der Schule Hindi zu unterrichten, obwohl es von der Zentralregierung gewünscht wird. Generell habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Nordinder Tamil Nadu gar nicht kennen. Gleichzeitig verachten die Tamilen alles aus Nordindien.

Tamil Nadu

Das Emblem Tamil Nadus

Auch wenn man sagen kann, dass die Tamilen sich sehr gegen westliche Einflüsse gewehrt haben, ist gerade dies sehr interessant. Denn so kann ich besonders viele neue Erfahrungen machen.

Heiraten:

Die Familie ist in Indien sehr wichtig. Man wird nicht als Individuum angesehen, sondern als Teil einer Familie. Oft leben mehrere Generationen zusammen. Auch ist es unüblich in eine andere Stadt zu ziehen, da man ja sonst auch von der Familie wegziehen müsste. Dementsprechend ist die Heirat das wichtigste Ereignis im Leben. Es ist unüblich, dass Frauen über 30 nicht verheiratet sind. Mit spätestens 25 Jahren macht die Familie einer Frau also Druck zu heiraten. In den moderneren Familien machen die Eltern nur Vorschläge, die die Frau auch ablehnen kann. Bei den Männern ist es ähnlich. Auch sie leiden unter dem gesellschaftlichen Druck eine Familie gründen zu müssen.

Heiratsdruck

Weil viele junge Erwachsene sich dem Druck einen passenden Partner zu finden nicht gewachsen fühlen, bitten sie ihre Eltern einen Partner für sie zu finden. So ist es zwar keine brutale Zwangsheirat, aber immer noch eine arrangierte Ehe. Unvorstellbar aus westlicher Sicht, aber für viele Menschen ganz normal. Liebeshochzeiten würden sowieso nur kurz halten, arrangierte Hochzeiten würden dafür lange halten. Weil gerade Frauen ohne Ehemann eine sehr niedrige Stellung in der Gesellschaft haben, ist die indische Scheidungsquote eine der niedrigsten auf der Welt. Aber mit dem Wissen, dass die Frauen lieber zu Hause schlecht behandelt werden, als sich zu scheiden, kann man sich über die niedrige Quote auch nicht freuen. Natürlich gibt es wie immer Ausnahmen in positive oder negative Richtung, aber in vielen Familien in den Städten läuft es so ungefähr ab.

Kussverbotsplakat

Küssen und andere Zärtlichkeiten sind in der indischen Gesellschaft in der Öffentlichkeit unerwünscht

Zum Schluss:

Jetzt habt ihr hoffentlich ein bisschen was Neues gelernt. Beachtet bitte, dass ich mich hierbei nicht auf handfeste Statistiken berufe, sondern auf Gespräche und Erfahrungen. Ich hoffe, diese andere Art von Blog hat euch auch gefallen.

Wir sind gerade voll in der Prüfungsphase und die Kinder sind viel am lernen. So fiebern wir alle den Sommerferien am 20. April entgegen, in denen es dann etwas ruhiger wird.

Ich wünsche euch noch frohe Ostern nachträglich und hoffe, ihr könnt den kommenden Frühling genießen.

Euer Matteo

P.S.: Das Beitragsbild zeigt die größte alte Kanone der Welt, die in Indien steht. Allerdings wurde sie nie abgefeuert.