Ich werde nun auf diesem Wege eurem Brief antworten, da ich denke, dass ich Fragen gestellt habt, die auch andere interessieren könnten.

Als erstes möchte ich die Frage ob ich mich schon eingelebt habe weitestgehend mit „ja“ beantworten. Natürlich kenne ich noch nicht alles und es gibt auch weiterhin Dinge, die mir fremd erscheinen, aber der Großteil ist soweit ich denke geschafft. Ich kenne alle Leute die mich umgeben beim Namen und lerne sie jetzt gerade so „richtig“ kennen. Es natürlich noch Momente in denen ich unsicher bin. Das liegt vor allem daran, dass man die Menschen besser kennenlernt. Es passieren Missverständnisse und problematische Situationen die man vorher nicht kannte. Auch wird der Father immer strenger, weil die Anfangsphase vorbei ist. Dadurch entstehen oft Situationen in denen ich nicht weiß, ob ich seinen Anforderungen gerecht wer. Weiter bin ich auch immer noch unsicher, ob die Arbeit, die ich mache ausreichend und erwartungsgemäß ist.

Auf die Frage, ob mir die indische Küche mundet, kann ich eigentlich nur von der gujaratischen Küche erzählen. Diese hat für mich immer zwei Seiten. Unser Koch macht meistens Reis mit Chapati, Dal (eine Art Soße, aus Brühe und verschiedenen Gemüse oder Hülsenfrüchten) und verschiedenem Gemüse. Dies esse ich sehr gerne und ich finde es mittlerweile auch echt nicht mehr schlimm so viel Reis zu essen. Die Sponsoren hingegen bringen oft andere typische Gerichte mit. Dabei wird oft eine etwas bräunliche Soße mit Gemüse oder Tofu serviert. Sie ist süßsauer und das schmeckt mir eher weniger. Weiter muss ich doch immer wieder aufpassen, ob in den Soßen nicht Nüsse verarbeitet sind. Ich habe auf diesem Gebiet aber großes Glück in Gujarat gelandet zu sein. Denn auf meinem Trip in den Süden, erfuhr ich eine ganz andere Essenskultur, die zwar sehr lecker ist, aber wesentlich mehr Nussanteile aufweist.

Seit kurzem helfe ich auch beim Kochen, allerdings schneide ich das Gemüse nur zu oder rolle die Chapati nur aus. Die genaue Zubereitung kenne ich noch nicht.

Ja, erhalte Taschengeld. Das Bundesministerium für Entwicklung überweist mir monatlich 100 Euro, umgerechnet ca. 700 Rupien. Dies reicht locker aus um sämtliche Reisen, Curtas und andere Einkäufe zu finanzieren, denn für Nahrung und Unterkunft etc. ist ja gesorgt.

Ich betreue im Snehalaya ausschließlich Jungen. Sie sind im Alter zwischen 6 und 21 Jahren und kommen meistens von der Straße. Sie haben vorher oft gebettelt oder haben sich durch illegale Geschäfte ihr Leben finanziert. Viele haben aber noch eine Familie. Diese sind aber oft sehr arm und zwingen ihre Kinder mehr oder weniger zum Betteln. Oft sind die Eltern auch alkoholabhängig. Manchmal sind auch die leiblichen Eltern verstorben und die Kinder werden von Onkeln und Tanten versorgt, die diese eher als zusätzliche Belastung sehen. Im Snehalaya bekommen sie dann die Chance auf regelmäßige Nahrung, geistliche Fürsorge und Bildung, Manche von den Jungs besuchen ihre Familien an Feiertagen und Sonntagen. Ab und zu kommen auch Elternteile zu Besuch, um ihre Söhne zu sehen.

Die Verständigung klappt meistens auch ganz gut. Vor allem die Kleinen verstehen das Englische sehr gut, da sie eine Schule besuchen, die ausschließlich auf Englisch unterrichtet. Weiter haben sie sich schon durch meine Vorgänger einen kleinen Wortschatz angesammelt. So klappt die einfache Kommunikation ganz gut. Tiefschürfende und ausführliche Gespräche sind aber bis auf Ausnahmen eher selten. Diese kann ich dann vor allem mit zwei älteren Jungen führen, die scheinbar einen erstaunlichen Ehrgeiz hatten beim Englisch reden. Allerdings sieht es der Father nicht gerne, wenn wir zu viel quatschen. Und falls jemand etwas nicht versteht oder andersherum ist immer jemand da, der übersetzen kann. Weiter versuche ich Hindi zu lernen. Dies geschieht aber eher so nebenbei, da für richtig aktives Pauken und Lernen die Zeit fehlt, denn abends bin ich oft zu müde, um mich hinzusetzen.

Danke auch für mein Geburtstagsgeschenk. Meine oft trockene Haut wird sich sehr über diese kleine Aufmerksamkeit freuen und das Geld für einen Scooter wird sicher angelegt. In der Zeit bis ich sie erwerben kann, werde ich versuchen so viel Fahrpraxis wie möglich zu sammeln.

 

Liebe Grüße Luise