Hallo ihr Lieben,

ich habe mal wieder eine Weile gebraucht, bis ich mich wieder melde. Ich dachte einfach es passiert nicht viel Spannendes und sammele paar kleinere Sachen für einen Blog. Haha naja bei genauerem Durchdenken des Blogs, ist mir nun bewusstgeworden, dass doch einiges passiert ist. Also bereitet euch auf einen eventuell ziemlich ausführlichen Blog vor.

Zuerst möchte ich ein bisschen meine allgemeine Stimmung dieser zwei Wochen festhalten. Oberflächlich geht es mir mittlerweile echt super. Ich habe mittlerweile wirklich ein gutes Netzwerk aus netten Menschen um mich herum, mit denen ich quatschen und erleben kann. Zum einen lerne ich die Jungs immer besser kennen, zum anderen wachsen mir Mitarbeiter und Freiwillige die regelmäßig zu Besuch kommen sehr ans Herz. Letzte Woche habe ich es auch endlich geschafft, mich mit anderen deutschen Volontärinnen in Baroda zu treffen. Zum anderen finde ich so langsam so etwas wie einen Alltag. Ich kenne alle Abläufe im Snehalaya, das Unterrichten, was immer noch kein Zuckerschlecken ist, wird zur Routine und ansonsten fällt es mir immer leichter über den Tag verteilt kleine Aufgaben zu finden.

Unterschwellig wurde mir aber auch ab und zu bewusst, dass nicht alles Friede Freude Eierkuchen ist. Besonders einer der älteren Jungen half mir immer wieder dies zu erkennen und Lösungen zu finden. Als erstes hat eine, für meine Verhältnisse recht große, Unzufriedenheit mit mir selbst Einzug gehalten. Ich war im Grunde genommen nicht zufrieden mit meiner Arbeit. Das hatte verschiedene Gründe. Als erstes hatten meine drei kleinen Jungs und ich, durch meine Reisen ein wenig die Routine während der studytime verloren. Es wurde wieder chaotischer und ich wurde ähnlich, wie in meinen ersten Wochen unsicher und somit ungeduldiger und wütender. Diese Unsicherheit merkten natürlich auch die Jungs und nutzten diese aus, um mich mit ihren Späßen weiter in den Wahnsinn zu treiben.

Zu guter Letzt wandte ich bei einem der Jungs dann eine Sache an, die ich eigentlich nicht gerne mache. Er rannte schon während der ganzen Einheit immer wieder weg, machte seine Aufgaben nicht und ich hatte bereits das Fußballcoaching am Nachmittag für ihn gecancelt, als er einem seiner Mitschüler Wasser über den Rucksack goss und ich in diesem Rucksack meine Stifte fand, die er dort hineingelegt hatte, um sich an einer möglichen Strafe für den Mitschüler zu erfreuen. Aus meiner Ratlosigkeit heraus brachte ich ihn, wir mir schon öfter empfohlen, zum Father. Dieser beschloss nun den Kleinen erst einmal selbst zu unterrichten und mittlerweile lernt er mit gemeinsam mit etwas älteren Kindern. Für mich am Anfang natürlich schwer. Ich hatte meiner Meinung nach versagt und war nicht gut genug um die drei kleinen Jungs zu unterrichten.

Mittlerweile kann ich aber sagen, dass es eine gute Entscheidung war. Ich glaube das er einfach aus Langeweile so unaufmerksam war. Vor allem sein Wortschatz und sein Schreibvermögen ist schon viel umfangreicher, als bei den anderen beiden und er war einfach unterfordert. Nun bekommt er fordernde Aufgaben und ich habe die Chance die anderen beiden intensiver zu fördern. Ich habe außerdem gemerkt, dass es sich durchaus lohnt, den  Unterricht vorher etwas mehr zu planen und das ein oder andere Arbeitsblatt auszugeben. Dies hatte ich ja am Anfang schon gemacht, Malen, Basteln etc wird aber vom Father nicht gerne gesehen und somit hatte ich dies wieder etwas unter den Tisch fallen lassen. Mittlerweile habe ich aber Mut genug, um mich gegen sein grummeliges Gesicht zu wappnen und kann mit einer kleinen Rüge umgehen. Außerdem wurde auf den Arbeitsblättern, welche sie von der Schule heimbringen auch immer gemalt. Die Kinder sind nun viel motivierter und bleiben auch länger sitzen. Spätestens als sich einer der Beiden beschwert hatte, als der Father die Glocke zum Abendgebet läutete, sah ich mich in meinem Weg bestätigt und selbst der Father konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Weiter war ich auch mit meiner Arbeit außerhalb der studytime nicht sonderlich zufrieden. Das liegt zum großen Teil daran, dass mir der Father die Freiheit gibt, aufzustehen wann ich möchte. So schlief mir mein innerer Schweinehund oft zu lang und ich fühlte mich sehr faul. Denn auch am Nachmittag wird mir nun noch mehr abgenommen als zu beginn. Zuvor hatte ich immer die Juniors beschäftigt, während die  Inters und Seniors Fußball-und Basketballcoaching hatten. Nun wurden aber auch sie ins Trainingsprogramm aufgenommen und ich kann mich bis auf Ausnahmen nicht mehr wirklich einbringen.

Mittlerweile habe ich mich aber ganz gut im Griff. Ich schaffe es immer öfter früh genug aufzustehen, um noch etwas in der morgendlichen studytime für die Nachmittagsschüler zu helfen. Wider Erwarten kann ich mich dabei auch echt nützlich machen. Diese Schüler lernen nämlich zunächst nur Gujarati Buchstaben und finden es daher ungeheuer spannend auch das lateinische Alphabet zu lernen. Des Weiteren lernen einige von ihnen gerade das schriftliche Rechnen. Sie freuen sich sehr, wenn ich ihnen ein paar Aufgaben aufschreibe, denn ein Mathebuch mit Aufgaben haben sie nicht. Nachdem summieren und subtrahieren mittlerweile super klappt, habe ich nun angefangen, einigen das schriftliche multiplizieren zu erklären. Mit Übersetzungshilfe haben auch einige das System verstanden, allerdings muss das kleine 1*1 noch ordentlich trainiert werden. Besonders Spaß macht mir auch das Englisch-Lesetraining mit einem der älteren Jungs. Erstens merkt man sehr wie sehr er diese intensive eins zu eins-Betreuung genießt zum anderen ist es auch sehr spannend die indischen Geschichten zu lesen und so die Freude am Lesen weiterzugeben.

Es hat sich außerdem ergeben, dass ich nun von 11-12:30 beim Gemüseschneiden in der Küche helfe. Immer wieder werden mir neue Gemüsesorten gezeigt und ich genieße es vor allem mal richtige „Handarbeit“ mit sichtbaren Endergebnis zu machen. Schließlich ist meine restliche Arbeit hauptsächlich geistlich und Früchte trägt sie oft erst mit der Zeit und oft auch unsichtbar.

Zuletzt kam noch das Gefühl hinzu, dass mich der Father nicht wirklich mag und meine Arbeit nicht schätzt. Ausgehen und Urlaube war für ihn nie ein Problem und ich bekam das Gefühl, dass es ihm egal ist, ob ich da bin oder nicht. Als ich dann auch noch mitbekam, dass er bei anderen Leuten anscheinend über mich lästerte, liefen mir schon die Tränen über die Wangen. Schließlich gibt er mir wenig Anweisung und auch Lob oder Kritik sind selten. Ich dachte, warum gibt er mir nicht die Chance mich zu beweisen, indem er mich über Fehler und seine Missgunst in manchen Bereichen aufklärt. Schließlich erwartet er von mir ähnliches. Aber mir fällt es eben schwer ihm über meine Probleme zu berichten, wenn wir auch sonst nicht viel reden. Ich versuche nun zu zeigen, dass meine Wortkargheit ihm gegenüber nicht böse gemeint ist und er dies nicht als ein „Ich mag dich nicht“ interpretieren soll. Ich versuche immer mehr ihn an meinen Erlebnissen teil haben zu lassen und mich von seiner oft schlechten Laune nicht einschüchtern zu lassen. Dies klappte, zumindest diese Woche ganz gut.

So nun aber zu wirklich wichtigen Dingen im Dezember. Als erstes werde ich oft von euch gefragt, wie ich den in Indien die Adventszeit erlebe. Dazu muss ich sagen, dass sie mehr oder weniger an mir vorbeigeht. Erstens fällt es mir bei 30 Grad schwer in Weihnachtsstimmung zu verfallen und zweitens wird der Advent in Indien kaum zelebriert. Es gibt keinen Adventskranz und weihnachtliche Beleuchtung und Musik gibt es auch nicht.

Der internationale Club von Baroda, der zweimal die Woche zur Bastelstunde kommt und ich versuchen aber den Kindern ein wenig von unserer Weihnachtskultur zu zeigen. So basteln wir mit ihnen Schneemänner, Sterne und Christbäume und lesen ihnen weihnachtliche Geschichten vor. Weiter hat mir meine Mama ein Paket mit Adventskalender, samt Füllung geschickt. Jeden Abend dürfen sich vier Jungs über Haribo-Gummibärchen und Sticker freuen und somit einmal einen Adventskalender erleben.  Allerdings verstehen sie das Lossystem, mit dem jeden Tag die vier Kandidaten ausgewählt werden nicht so ganz. Sie sind sehr oft traurig, wenn ihr Name nicht gezogen wurde und können nicht begreifen, dass in den 24 Tagen jeder einmal an der Reihe sein wird.

Ein weihnachtliches Highlight, war dann aber der Santa Claus Besuch, welcher vom internationalen Club organisiert wurde. Er überraschte sie beim Abendessen mit kleinen Geschenken für jeden. Besonders die kleinen Autos waren der absolute Renner und werden seit Tagen bespielt.

Der internationale Club ermöglichte auch mir einen Tag mit etwas weihnachtlicher Stimmung. Nachdem ich morgens bei einer gut befreundeten Französin Kuchen und Plätzchen buck, durfte ich am Nachmittag an deren Weihnachtsfeier teilhaben. Es wurde gebastelt, europäische Snacks gegessen und schrottgewichtelt. Allerdings fühlte es sich am Ende doch eher wie eine Gartenparty an.

Ein weiteres Event stellte mein Geburtstag dar, der am Ende passend zu meiner Persönlichkeit sehr chaotisch ausfiel. Der Morgen verlief abgesehen von vielen herzlichen Glückwünschen ganz normal. Allerdings musste ich die Älteren trösten. Sie wollten mit mir in den Geburtstag reinquatschen und ich Schnarchnase war unglücklicher Weise vorher ins Reich der Träume gewandert. Am späten Nachmittag holte ich mir dann meine riesige Schokotorte mit dem Motorroller ab. Diese war, wie mir danach erklärt wurde, sündhaft teuer, schmeckte aber auch sündhaft schokoladig und lecker. Allerdings wurden an einander vorbei zwei Torten bestellt und ich konnte mich so auch noch über eine Schwarzwälder Kirschtorte freuen. So kam es, dass zweimal die „Torten-Anschneide-Zeremonie“ durchgeführt wurde. Dabei werden die Kerzen angezündet, danach ein Ständchen gesungen, der Kuchen angeschnitten und das Stück dem nächstbesten in den Mund gestopft. Eine riesen Sauerei muss ich euch sagen, da es ja auch besonders spassig ist die Sahne im ganzen Gesicht zu verteilen. Aus der geplanten Tanzpartner wurde allerdings leider nicht. Da der Father nicht wusste, dass der 14. mein Geburtstag war, hatte er nämlich einen Sponsor zum Abendessen eingeladen und naja so wurde es eher eine Schmausparty. Aber dafür blieb dann die Torte bis zum nächsten Frühstück über und es geht doch nichts über ein Stück Schokokuchen morgens um 6:30.

Gestern war ich dann noch zu meiner ersten indischen Hochzeit eingeladen. Der Bruder einer sehr guten Freundin von mir heiratete seine estnische Freundin. Es war jetzt aber keine dieser großen indischen Hochzeiten. Die Rituale wurden mittags im kleinen Familienkreis am Tempel durchgeführt und das Publikum war auch nicht sonderlich aufmerksam. Es quatschte, machte Foto und aß Chipss. Erstaunlich fand ich, dass sich Braut und Bräutigam die meiste Zeit nur auf Internetportalen Nachrichten gesendet haben und sich erst vor acht Monaten das erste Mal trafen. Nachdem er in Estland keine Arbeit gefunden hatte zogen sie vor drei Monaten zurück nach Indien. Die Frau heiratet also einen Mann, dessen Kultur, Sprache etc. sie nicht im Ansatz versteht. Sogar den Großteil ihrer eigenen Hochzeit hat sie sowohl von Spiritualität als auch sprachlich nicht verstanden. Sie wirkte die meiste Zeit über sehr in sich gekehrt und weit entfernt von glücklich. Ich weiß nicht ich habe großen Respekt davor, dass sie sich nach so kurzer Zeit sicher sind, miteinander das Leben zu teilen ohne die Kultur des anderen verstanden zu haben.

 

So das war ein sehr langer Blog. Aber ich dachte besser du schreibst es auf. Am Ende ärgerst du dich vielleicht, wenn du es nicht tust.

 

Liebe Grüße Luise