Lotta in Mumbai

Mein Jahr in Indien

Von wegen Teenage – Problems

Ich liebe mein Leben in Mumbai. Jeden Tag lernt man mehr von Indien und kommt den einzelnen Jungs immer näher; ich teile Kekse, Geschichten, Hintergründe und Zeit.

Natürlich kommen dann manchmal Dinge zum Vorschein, vor denen man sich erschreckt. Man sieht auf den Straßen Schicksale, die man so aus Deutschland nicht kennt.

In diesem Blogeintrag versuche ich euch diese Seite meines Freiwilligendienstes näher zu bringen und euch trotzdem etwas von der guten Seite zu zeigen.

Die eine Seite

Saksham (empowerment): ein Projekt des Shelters, in dem Slumkinder, die aus irgendwelchen Gründen nicht zur Schule gehen, lernen können. Hier lerne ich eine Mutter mit einem siebenjährigen Sohn und einer vierjährigen Tochter kennen. So weit so gut, aber die Mutter ist 25 und verheiratet seit sie 15 ist. Eigentlich ist sie Hindu, musste aber für ihren Mann zum Christentum konvertieren.

Im Slum: winzige ausgezehrte Katzen schleichen im Dreck herum, kein Gramm Fett am Körper, aber dennoch trächtig.

Am Straßenrand: ganze Familien. Sie wohnen unter Planen, die von wenigen Stöcken gestützt werden. Über vielen rauchenden Feuern kochen Frauen mit Babys im Arm. Wo wird geschlafen? Auf dem Steinboden. Gehen die Kinder zur Schule? Manche vielleicht.

Überall: Straßenhunde. Manchmal zu schwach um zu laufen, weil sie zu abgemagert sind und manchmal tot.

Im Shelter: 10 jährige Jungen, dessen Eltern im Himmel sind. Ehemalige Straßenkinder. „Didi, look that is my Mommy House“, wenn man an Bahnhaltestellen vorbeigeht.

Und schließlich: „Didi, Teenager haben viele Probleme oder?“ Ich will schon zustimmen, das scheint doch überall gleich zu sein, aber nein. Es folgt eine Geschichte, in der Eltern fehlen und die reich ist von Trennung der Geschwister, der Straße als einzige Bleibe und Gefängnisaufenthalten – bis das Kind endlich im Shelter Don Bosco ankommt.

Die andere Seite

Trotz allem sind die Menschen und vor allem die Kinder, von denen ich berichte, unglaublich lebensfroh und voller Liebe. Merkt man an manchen Verhaltensweisen, dass sie nicht wie ich in einem heilen Zuhause aufgewachsen sind? Ja.

Aber: Wenn wir in den Shelter kommen, schmeißen sich sofort mehrere Kinder in unsere Arme und hängen sich das nächste Stück Weg an uns dran.

Jeden Tag muss ich mindestens zehn Mal ein Video zeigen, in dem sich erst Balou (🐕) und dann meine Schwester unter einer Decke verstecken. Die Jungs lachen jedes Mal begeistert, sagen, „face sister same to same Didi!“ (gemeint ist, dass Janni und ich uns ähnlich sehen) und knutschen meinen Handybildschirm ab.

Einem Jungen muss ich wieder und wieder versichern, wie hübsch er ist und er freut sich schrecklich.

Ein Anderer rennt auf einmal ganz schnell (wie das schnellste Auto der Welt, das ich gerade googeln musste). Ein Junge ist in der Gruppe etwas anstrengend, aber sobald man ihm alleine Aufmerksamkeit schenkt, strahlt er uns an und kann sich super konzentrieren.

Essen wir im Shelter, wird sich darum gestritten, wer neben uns sitzen darf und wir müssen immer alles aufessen, damit wir auch stark bleiben. Wenn dann trotzdem einer von uns krank ist, sagen sofort alle, dass sie für uns beten.

Ein Junge ist ernsthaft auf meinem Schoß eingeschlafen und drei andere haben sich bei einem gruseligen Film an mich gedrückt. Hier musste ich wieder und wieder versichern, dass die Hexe nicht echt ist (wobei ich mir da zwischendurch selbst nicht so sicher war…).

Jemand anderes wollte mit Anna-Lus Mama telefonieren, um ihr zu sagen, was für ein gutes Mädchen sie ist. Außerdem wollte er klären, ob sie vielleicht einen seiner Cousins heiraten kann.

Als ich einen Jungen gefragt habe, wie alt er ist und erstaunt realisiert habe, dass ich tatsächlich älter bin, war die Antwort: „Didi, es ist unwichtig wie alt wir sind, es zählt nur, dass du meine Schwester bist und ich dein Bruder. Wir sind alle deine Brüder.“

Halleluja, darf ich sie bitte alle behalten Gott❤️?

Was ich sagen will

Ihr merkt vielleicht, dass ich sie liebe😂. Eigentlich will ich euch aber zeigen, dass es den Kindern trotz aller Traumata möglich ist, ein buntes Leben zu führen. Und das Dank der Salesianer. Ihre Arbeit ist unglaublich.

Es gibt so viele Feste, die gefeiert werden, so viele lokale Volunteers, die wöchentlich zum Englisch lernen und Kaleidoskop basteln kommen, so viele Konzerte, Zeichen-, Theater-, Kurzfilm-, Tanz- und Gesangswettbewerbe, die veranstaltet werden.

Das alles macht die Erlebnisse der Kinder natürlich nicht ungeschehen und diese Geschichten berühren mich sehr. Ich frage mich oft, was ich getan habe, um mein Leben zu verdienen.

Ob ich das je verstehen werde ist fraglich, aber das ist vielleicht auch nebensächlich. Ich kann nur versuchen mein riesiges Glück mit anderen zu teilen (Salesianer werden könnte sich in meinem Fall nämlich als schwierig gestalten).

Also bleibt als Fazit❤️:

Fröhlich sein, Gutes tun und die Spatzen pfeifen lassen.

Don Bosco

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  1. Dominique Odendahl

    Liebe Lotta, heute ist Deine Weihnachtspostkarte angekommen, über die wir uns sehr gefreut haben. Durch Deine Blogs dürfen wir ein wenig Anteil an Deinen Erlebnissen haben. Das Leben dort scheint Dich sehr zu erfüllen – nichts anderes kann man sich für Dich wünschen. Bei dem Motto unter Deinem Blog ( Fröhlich sein….) kamen Erinnerungen an die Kinderfreizeit damals in Ratingen bei mir hoch.
    Lass es Dir weiterhin gutgehen, wachse und lerne, höre und schaue.
    Sei herzlich gegrüßt.
    Dominique

    • Charlotte Urbanek

      Sehr gerne und dankeschön! Wegen der Freizeit bin ich ja auch erst auf die Idee mit Don Bosco Volunteers gekommen☺️☺️

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