Hallo allerseits!
Wie bereits angekündigt, kam ich vergangene Woche in den Genuss meiner ersten freien Tage. Mit Matteo zusammen nahmen wir uns nach zweieinhalb Monaten Arbeit, Montag bis Freitag frei, um mal etwas rauszukommen. In den Süden sollte es gehen,um uns mit Mitvolontären zu treffen und ihr Projekt zu besichtigen.
Los geht’s
Früh um 6 gings los und mit Rucksack ausgestattet, liefen wir über die Gleisen zum nahen Bahnhof. Wie abgemacht wartete am Gleis bereits Suresh von Don Bosco auf uns. Er arbeitet im Childline Projekt mit und sitzt viele Stunden täglich am Bahnhof und hält Ausschau nach gestrandeten und verloren gegangenen Kindern. Nicht selten werden diese Kids dann von der Polizei zu uns oder einem anderen Projekt gebracht, bevor sie auf der Straße landen können.
Suresh war so nett, schon mal die Zugtickets organisieren und nach ein paar warmen Snacks im Bahnhof fuhr der Zug auch schon ab. Seine Tageszeitung auf Tamil hat er mir auch noch mitgegeben, dass wir auf der Fahrt etwas die Sprache lernen können.
Und Zeit dafür war wahrlich genug. 200 km in 7 1/2 Stunden Fahrt können sich sehen lassen. Glücklicherweise wurde das Klischee der überfüllten Züge, das man unweigerlich im Kopf hat, wenn man an Indien denkt, nicht erfüllt. Die meiste Zeit hatten wir mehr als genug Platz und man konnte sich ausbreiten wie man lustig war. Die Füße hochzulegen ist hier auch ganz normal. So verging die Fahrt recht entspannt und man konnte gelegentlich sogar die Füße aus der offenen Zugtür strecken und den Fahrtwind genießen.
Zwischenstopp Madurai
Nachmittags mussten wir umsteigen in Madurai, der drittgrößten Stadt Tamil Nadus, nach Chennai und Coimbatore. Von hier aus sollte es dann mit dem Bus weitergehen, aber wo wir schon mal hier waren, wollten wir uns die Gelegenheit nicht entgehen lassen, uns die größte Tempelanlage Indiens anzusehen.
Matteo hat hierüber schon bereits einen Eintrag verfasst, deshalb möchte ich lieber auf seinen Blog verweisen, als alles doppelt zu erzählen. Aber so viel sei gesagt: Wir konnten interessante neue Bekanntschaften machen, neue Blinkwinkel zum Thema Vorsicht und Misstrauen erfahren und der Besuch des Menakshi-Tempel hat sich definitiv gelohnt.
Don Bosco College Keela Eral
Nachdem wir noch die obligatorischen Süßigkeiten als Mitbringsel eingekauft hatten, traten wir gegen 19 Uhr die letzten zwei Stunden Busfahrt an. Zum Glück gibt es in Indien auch noch in den Bussen einen Kontrolleur, der nicht nur aus einem Stempelautomat besteht. So konnte er uns rechtzeitig rausschmeißen, dass wir die Haltestelle auch ja nicht verpassen.
Keela Eral hieß die Haltestelle und dort warteten bereits unsere zwei deutschen Kollegen Hendrik und Jakob auf uns. Sie arbeiten als Volontäre in dem örtlichen Don Bosco College, in dem wir uns netterweise für die 4 Nächte einquartieren durften. Auf dem Land hat man Platz. Das habe ich recht schnell feststellen können, als man uns am nächsten Tag das Gelände zeigte. Ein riesiger Komplex mit Universitätsgebäuden, Hostels, Grundschule, Sportplätze, Kantine, Kraftraum, Kirche und ein Gemeindehaus im Aufbau.
Am zweiten Tag machten wir einmal das Programm der Jungs mit und fuhren früh mit dem Bus in ein nahes Dorf, um dort die zwei Lehrerinnen zu unterstützen, die sonst vier Klassen gleichzeitig zu unterrichten hätten. So schnappten wir uns bis zum Mittagessen zwei Klassen, um mit ihnen spielerisch Englisch zu lernen.
Nach einer Führung über den Campus und Gamestime mit den Studenten ging es abends in ein benachbartes Dorf zur Hausaufgabenbetreuung. Statt Hausaufgaben, wurde heute aber der Children’s Day gefeiert. Eine Spielolympiade für die Kids und wir vier Volontäre durften das ganze Schauspiel als „Ehrengäste“ beobachten. Später wurde noch getanzt und die besten Schüler bekamen Preise in Form von kleinen Büchern. Hungrig kamen wir schließlich wieder zum Abendessen ins College und beendeten geschafft unseren zweiten „Urlaubstag“.
Vilathikulam
In einem Dorf nur 40 Minuten entfernt, war schon das nächste Projekt. In Vilathikulam arbeiten Charlotte und Anette und zusammen mit Hendrik & Jakob besuchten Matteo & ich sie am Mittwoch. Auch hier wurde uns wieder die Einrichtung gezeigt und in dieser Runde von sechs Volontären am Tisch, gab es natürlich genug zu erzählen. Anders als bei uns vier Jungs, hat Vilathikulam zurzeit wegen Bauarbeiten kein Hostel, das heißt es wohnen keine Kinder direkt im Projekt. Dafür gibt es hier Näh- und Computerkurse sowie eine eigene Buchdruckerei. Wir begleiteten die Mädels bei ihrer Arbeit mit den Kindern und bekamen einen kleinen Einblick in das Leben auf dem Dorf bevor es abends wieder nach Keela Eral ging.
Im Indischen Meer
Am letzten Tag fuhren wir ans Meer. Knapp 90 Minuten Busfahrt und wir waren in einem kleinen Dorf mit langer Geschichte, wie man uns später mitteilte. Hendrik, Jakob, Matteo und ich konnten nach einem kurzen Fußmarsch schon die salzige Meeresluft schnuppern und Euphorie machte sich breit. Bei mir zumindest. Ein Fischerstrand, der zwar durch die Boote an Panoramaqualität verliert, dafür umso mehr an Charme gewinnt. Und während wir uns so in dem warmen Ozean vergnügten und eine Weile schwommen, fühlte es sich für mich zum ersten Mal wie Urlaub an.
Anschließend bekamen wir noch unverhofft eine kleine Führung. Ein Student aus dem Don Bosco College erkannte uns wieder und wollte uns seine Heimat zeigen. Das ganze Dorf sei christlich und von den Portugiesen missioniert worden. In der Architektur einiger alter Häuser steckte noch so manche Geschichte. Währenddessen standen aber genauso auch Hütten aus Palmwedeln nahe dem Strand. Das Land der Gegensätze eben.
Als die Sonne unterging mussten wir allerdings etwas auf die Tube drücken, um nicht den letzten Bus aus diesem Örtchen zu verpassen.
Heimreise
Am frühen Morgen mussten wir wieder in Keela Eral los um unseren Zug in Madurai zu erwischen und im besten Fall noch zum Abendessen wieder in Coimbatore zu sein. Per Anhalter den Bus rauswinken, klappt soweit schon ganz gut. In Madurai hatte unser Zug dann zwei Stunden Verspätung und ich hab meine Zeit ganz indisch verbracht. Ein schattiges Plätzchen suchen, wo es gerade nicht nach Urin stinkt und eine Runde schlafen. Der Rest der Reise verlief inklusive einmal Umsteigen recht ereignislos.
Umso schöner war es als wir in Coimbatore dann mit Kindergeschrei begrüßt wurden, noch bevor ich überhaupt jemanden ausmachen konnten. Unsere Smallboys fielen uns in die Arme und hatten gleich noch ein paar Süßigkeiten für uns aufgehoben. Und auch die Großen freuten sich anscheinend uns wieder zu sehen, umarmten uns und hoben mich sogar in die Lüfte. Den Rest des Abends wurden wir noch über unsere Reise ausgefragt und wir erzählten fleißig.
Schön in dieser Form eine Anerkennung der eigenen Arbeit zu erfahren. Mal sehen, ob diese Art der Begrüßung auch bei den nächsten Trips bleibt. War ja bestimmt nicht der Letzte 🙂
Schöne Grüße aus dem sonnigen Coimbatore ins verschneite (?) Deutschland!
Philip
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