Campamento: Zeltlager im Nachtisch-Tal?!

Endlich Sommerferien – das bedeutet wohl überall auf der Welt, ob in Deutschland oder Bolivien, das Gleiche: wenn möglich geht es ab in den Urlaub. Ebenso auch im Hogar Don Bosco! Lange Zeit wussten wir vom ominösen Campamento (Zeltlager), in das wir im Dezember mit unseren Jungs fahren würden nicht mehr als den Namen. Nachdem dann Anfang Dezember ca. die Hälfte der Kinder für den Monat nach Hause zu ihren Familien ging, stieg beim Rest die Vorfreude immer weiter. Zudem wurde uns erstmals auch der Name des Dorfes verkündet, in dessen Nähe wir ab dem vierten Dezember zwei Wochen verbringen würden: Postrervalle (Das Nachtisch-Tal).

Und ab geht die Fahrt

Sonntag Abend ging es dann los: Nachdem Gepäck und Kinder in den angemieteten Reisebus verfrachtet waren, fuhren wir fünfeinhalb Stunden in den Südosten von Santa Cruz, bis auf eine Höhe von etwa 1800 Metern: wir waren in den Voranden angekommen. Um halb drei Uhr nachts stiegen wir alle todmüde aus unserer „flota“ (wie der Reisebus genannt wird) aus und wurden erstmals in unserer gesamten Zeit in Bolivien von einem eigenartigen Gefühl überrascht – Kälte. Während es den vorherigen Monat in Santa Cruz fast jeden Tag 35-40 °C hatte, sind in dieser nicht mehr tropischen Region Temperaturen um die 20 °C normal, nachts durchaus auch mal unter 10 °C, was für uns verwöhnte Deutsche natürlich den Himmel auf Erden darstellte.

Durch ein Missverständnis fehlten die Schlüssel für die beiden Dormitorios (Schlafräume) noch und so schliefen wir in drei kleinen bereits geöffneten Räumchen: jeweils mit 10 Jungs im Raum und nur einer dünnen Decke zwischen uns und dem Steinboden. Das war selbst für uns ziemlich frisch. Nach nur drei Stunden Schlaf hieß es dann aber schon ab zum Frühstück und damit „bienvenidos al campamento!“

Wunderschöne Landschaften…

Ich weiß noch, wie wir in der elften Klasse im Spanischunterricht eine Präsentation über Bolivien bekamen und mich die dort gezeigten Fotos der unglaublichen und wunderschönen grünen Hügel und Berge so beeindruckten, dass ich mir das erste Mal überlegte, meinen Freiwilligendienst nach dem Abi vielleicht in Bolivien zu machen. Und genau in einer solchen Umgebung habe ich die letzten zwei Wochen verbracht. Die Landschaft hat mir tatsächlich jeden Tag aufs neue den Atem geraubt und ich habe gemerkt, wie sehr ich während der letzten drei Monate in der Großstadt die Natur, ihre frische Luft und unendliche Ruhe vermisst habe.

Auch Postrervalle selbst als Dorf ist unglaublich idyllisch, mit beschaulichen Sträßchen, freilaufenden Kühen, Pferden und Hühnern überall und unglaublich netten Menschen, die meistens noch in traditionellen Kleidern und Hüten anzutreffen sind.

…und tolle Erlebnisse!

Die Aktivitäten, welche wir mit den Jungs unternommen haben, ähnelten dann tatsächlich einem Zeltlager – auch wenn wir mit Schlafräumen mit Betten oder zumindest Matratzen auf dem Boden statt Zelten ausgestattet waren. Es gab Bergbesteigungen und Fußballspiele, Filmmarathons, Wanderungen und Lagerfeuer. Wir wateten durch Flüsse, schwammen unter Wasserfällen und fischten mit (aus Stöcken und Schnüren selbstgemachten) Angeln den angrenzenden Weiher so gut wie leer. Auch wir Volontäre veranstalteten viel Programm! Von Werwolf und Armbänder machen an Regentagen über das Hausspiel oder eine große Olympiade zum Austoben bis hin zu Pizza und Kaiserschmarrn für die Jungs kochen war alles dabei. Besonders viel Spaß machten den Jungs aber die typischen deutschen (Pfadfinder-) Zeltlagerklassiker: Bei „Capture the flag“ und „British Bulldog“ waren sie so sehr dabei, dass wir bei ersterem sogar fünf Runden hintereinander gespielt haben.

Nächtliche Abenteuer

Auch die Zeit, sobald die Kinder im Bett waren, wurde voll ausgenutzt, sei es beim Sterne gucken mit meinen deutschen Mitvolos oder beim nächtlichen Angeln und Fischebraten überm Lagerfeuer mit den ebenfalls mitgefahrenen Educadores (Mitarbeiter).

Mein persönliches Highlight der zwei Wochen war jedoch ganz klar die Bergbesteigung mit meinen Mitfreiwilligen Jona und Lukas: Wir sind nachts um halb drei Uhr aufgestanden und drei Stunden lang auf den höchsten Berg der gesamten Region gewandert, um dann von oben den Sonnenaufgang beobachten zu können. Die gesamten sechs Stunden begleitete uns ein zufälliger Straßenhund (Finn), den gesamten teilweise doch sehr anstrengenden Weg nach oben und später wieder hinab, was das ganze noch einmal magischer machte. Der Blick von oben übertraf übrigens unsere kühnsten Vorstellungen, wir sahen auf zahllose Berggipfel, das von hier aus winzige Dorf und wunderschöne grüne Berghänge hinab. Dies war ganz klar eine der Erfahrungen, die ich für immer im Gedächtnis behalten werde.

Highlight oder doch stressiger Urlaub?

Trotz schlechter Tage und Erfahrungen, sehr begrenzter Freizeit und fast schon Dauerstress hätte ich die Campamento-Zeit niemals missen wollen. Einerseits sind wir das erste Mal seit drei Monaten, die wir uns nun schon in Bolivien aufhalten, aus Santa Cruz rausgekommen und haben einen ganz anderen und wunderschönen Teil des Landes gesehen. Die Natur hat mir sehr gefehlt und mich wieder richtig zur Ruhe gebracht. Andererseits war das Campamento eine Unterbrechung unseres doch oft gleich ablaufenden Alltaglebens hier, die auch ich nötig hatte: Ich merke richtig, wie sehr sich meine allgemeine Stimmung dadurch nochmal verbessert hat. Besonders schön aber waren all die Erlebnisse und Erfahrungen, die wir mit den Jungs gemacht haben. Man hat so viele von ihnen viel besser und von einer ganz anderen Seite kennengelernt und richtig enge Beziehungen aufgebaut, was ich um nichts in der Welt würde wieder hergeben wollen.

Euch allen eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch ins neue Jahr!

¡Hasta luego – Bis bald!

Hannah

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  1. Papa Dreizler

    Danke für den schönen Bericht. Unsere Vorfreude Dich wiederzusehen und Bolivien kennenzulernen stieg wieder ein Stücken an.
    Dein Papa

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