„Doucement!“ – „Mach langsam!“, „Beruhig dich!“, so lautet die wörtliche Übersetzung, vom absoluten Lieblingswort der Beniner. „Dèdè, Dèdè!“, heißt es dann auf Fongbe. Die Beniner rufen dir manchmal allerdings auch Doucement zu und meinen damit „Achtung! Pass auf!“ Oder als dritte Variante kann es auch noch „Entschuldigung!“, bedeuten. Ihr seht man kann doucement eigentlich in jeden beliebigen Kontext stellen. Mir wurde diese Besonderheit neulich von den Mädchen beim UNO spielen erklärt. Da rutschte mir wohl des Öfteren mal ein „Desolée!“ heraus (dieses Wort habe ich doch im Französischbuch zum Entschuldigen gelernt  :)), während ich mit einem Grinsen im Gesicht eine 4+ Karte spielte. Sofort wurde mir erklärt, dass man hier in Benin auf keinen Fall Desolée sagt: „Du sagst entweder Doucement oder überhaupt nichts.“ Ahaa so läuft das hier also!

In den letzten 2 Monaten, die ich jetzt hier in Benin lebe, bin ich fast täglich in solche oder ähnliche Situationen geraten. Man entdeckt immer wieder irgendetwas Neues oder Unbekanntes. Ob ich bei meiner Ankunft einen regelrechten Kulturschock erlitten habe, kann ich nicht so direkt sagen. Es war eher so, dass ich mit weitgeöffneten Augen alles in mich aufsaugte, ohne groß über all die Eindrücke nachzudenken. Jetzt, wo ich mich wirklich schon ganz gut eingelebt habe, vielleicht sogar ein stückweit richtig angekommen bin, fallen mir immer mehr Dinge auf, die man eigentlich nur auf den zweiten Blick sehen kann. Ja, es ist eine andere Kultur mit Sitten und Regeln, die man immer nur Schritt für Schritt begreifen kann. Ich möchte euch nun einen Teil meines bisherigen Insider Wissens erzählen. Was ist anders oder fremd für mich? Was hingegen kommt mir irgendwie bekannt vor? !

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Das Zemfahren, schnell und praktisch 🙂

 

„Willkommen in Afrika!“
Das dachte ich mir, als wir neulich einen Ausflug in die kleine Stadt Ouidah machten. Die 40-minütige Fahrt dorthin war auf jeden Fall ein Erlebnis für sich. Wir nahmen uns, wie hier in Benin üblich, ein Auto-Taxi. Es gibt nämlich viele Leute, die sich durch private Taxi-Dienste, sei es mit dem Motorrad oder mit dem Auto, ein wenig Geld dazuverdienen. Und so ging es dann nach einer kurzen Verhandlung des Preises auch schon los…
Da saßen wir nun zusammengequetscht in einem wirklich alten Auto, das den letzten TÜV wohl schon seit sehr langer Zeit nicht mehr besucht hat. Als ich die linke Autotür zuschlug, hielt ich diese beinahe in der Hand.
Zu siebt saßen wir in besagtem Auto, das natürlich nur für fünf Leute ausgerichtet war. (Wir vier Mädels hinten, Simon und der Fahrer, sowie eine etwas kräftigere afrikanische Mama vorne) Die gesamte Situation war so komisch, dass wir trotz der Hitze und Enge eine lustige Fahrt hatten. Zum Glück hatte unser Fahrer dieses Mal das Motto „Doucement“ gut verinnerlicht, denn wir kamen, höchstens etwas verknittert, sonst aber wohlauf an unserem Zielort an. Generell ist der Straßenverkehr hier nämlich ziemlich anders wie bei uns Zuhause. Jeder macht, was er will, und fährt da, wo es eben am schnellsten geht, wenn es sein muss auch auf dem Bürgersteig.

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La Porte de Non-Retour

Zurück zum Ausflug:
In Ouidah wären wir dann auch beinahe in die Touristenfalle für Yovos (Weiße) getappt. Die Stadt war nämlich früher Zentrum des westafrikanischen Sklavenhandels. Die „Route des Esclaves“ führt heute noch vom ehemaligen Sklavenmarkt (Stadtzentrum) bis hinunter zum Strand. Auf diesem Weg befinden sich zahlreiche Statuen und Gedenktafeln. Am Strand erinnert ein großes Tor, „Porte de Non-Retour“ an das traurige Schicksaal der Sklaven. Das bedeutet so viel wie Tor, durch das kein Weg zurückführt und soll die Endgültigkeit des traurigen Schicksaals der Afrikaner ausdrücken. Unter unmenschlichen Bedingungen wurden sie auf Schiffen verladen und für immer in die Sklaverei geschickt. Ihr seht also, dass diese Stadt wirklich historisch gesehen bedeutungsvoll ist, weshalb viele Touristen Ouidah besichtigen wollen. Und da kommen wir wieder zu der Touristenfalle. Die Bewohner Oudiahs lassen dich nämlich normalerweise keinen öffentlichen Platz besuchen, wenn du dir nicht offiziell im Touristenbüro einen Führer holst und schlappe 15 Euro (für beninische Verhältnisse wirklich wahnsinnig viel!!) hin blechst. Zum Glück konnten wir diese Prozedur umgehen, da Simon, der französische Volontär, unseren Privatführer spielte. Ich kam mir fast vor wie in einer europäischen Touristenstadt, in der man auch für alle möglichen Attraktionen zahlen muss. 🙂

Gaffen und Einmischen

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Mhmm Schlange, ganz nah!

Nun einmal zu einer anderen Angewohnheit der Beniner: Immer, wenn irgendetwas Aufregendes passiert, lassen alle Umherstehenden ihre Arbeit liegen und gaffen. Sei es eine Prügelei zwischen zwei Marktverkäufern, sei es ein Unfall auf der Straße, oder sei es eine frei herumlaufende Schlange. Letzteres ereignete sich vor einiger Zeit in der Baraque SOS. Ich war gerade dabei mit meinen Mädchen Memory zu spielen, als plötzlich ganz aufgeregt ein weiteres Mädchen in die Baraque stürmte und irgendetwas auf Fongbe schrie. Auf einmal sprangen alle auf, ließen alles stehen und liegen und rannten hinaus, irgendwohin. Zwei Sekunden später, war die Baraque leer, zumindest fast, denn ich stand natürlich immer noch da mit meiner Spielkarte in der Hand. Ich verstand wie so oft „nur Bahnhof“. Später wurde mir dann erklärt, dass es sich um eine freilaufende Schlange handelte, die wohl irgendwo auf dem Markt gesichtet wurde. Kommt euch das bekannt vor? Wenn es in Deutschland auch keine Schlange ist, die die Aufmerksamkeit der Menge erregt, so gibt es doch immer wieder Situationen, in denen Menschen neugierig stehen bleiben und glotzen. Hier in Benin kommt jedoch noch eine weitere Angewohnheit dazu, nämlich das Einmischen. Wenn es beispielweise beim Zemfahren (Motorradtaxis) Probleme mit dem ausgehandelten Preis gibt, dann kommen sofort andere Zemfahrer vorbei und mischen sich ein. Manchmal helfen sie dir, manchmal behaupten sie aber auch einfach alle zusammen, dass der Preis viel höher ist, als in Wirklichkeit. Da fängt man fast an ihnen zu glauben. Oder sei es, dass es eine Schlägerei gibt, dann ergreift man sofort die Partei für den, der am Unschuldigsten aussieht. Mitunter wird der Streit so gelöst, mitunter wird er aber auch ausgeweitet.

 

Und was kommt mir hier bekannt vor?

Auch wenn die Kultur und die Gegebenheiten hier in Benin anders und manchmal auch unverständlich sind, so gibt es doch immer einige Gemeinsamkeiten. Es wird zum Beispiel mit großer Leidenschaft Sport getrieben, denn jeden Nachmittag haben die Schüler von Laura Vicuna (der Schule neben unserer Wohnung) Sportunterricht: Es wird geturnt, Leichtathletik gemacht, oder Basketball gespielt etc. Selbst von der großen Mittagshitze lassen die Schüler sich nicht abhalten.
Die Beniner lieben außerdem ihr Essen und sind wirklich stolz darauf, genauso wie die Bayern.
🙂Anstatt Kloß mit Soße, gibt es dann Ijam pilée mit Soße, was dem Kartoffelbrei sehr ähnelt. Nur dass die Soße dazu vielleicht etwas! schärfer ist und man das Gericht typischer Weise mit der Hand ist. Die Gemeinsamkeiten der deutschen und der beninischen Kultur sind Dinge, die mir eigentlich überhaupt nicht auffallen, da sie ja normal für mich sind. Es ist anders und dann doch wieder gleich. Es gibt freundliche und unfreundliche Begegnungen, fröhliche und traurige Menschen.

Ich hoffe es geht euch zu Hause allen gut und ihr macht euch nicht zu viel Stress bei der Arbeit, der Uni oder in der Schule! Wenn ja, dann empfehle ich euch dringend das Motto: „Doucement“ zu verinnerlichen, was man hier in Benin wirklich gerne und gut zu praktizieren weiß. 🙂 Genießt den ersten Schnee, während ich hier in der Sommerhitze schwitze!! Ich freue mich sehr von euch zu hören.

Eure Franzi!