Was kommt euch als erstes in den Sinn, wenn ihr an die Farbe „weiß“ denkt? Der Schnee, die Milch oder die weißen Gänseblümchen…
Ihr könntet mir bestimmt noch viele weitere weiße Dinge nennen. Doch würdet ihr auch an eure weiße Hautfarbe denken? Ich wurde mir meiner weißen Haut zum ersten Mal bewusst, als ich vor 7 Monaten in Cotonou gelandet bin. Seitdem vergeht eigentlich kaum ein Tag, an dem ich diese Tatsache vergesse. Es fällt mir wirklich schwer euch einen Eindruck davon zu vermitteln, wie es sich anfühlt weiß zu sein, da man es eigentlich selbst erleben muss. Trotzdem habe ich in diesem Blogeintrag versucht ein paar Gedanken niederzuschreiben, die mir immer wieder durch den Kopf gehen:

Ich bin anders. Fremd. Weiß. Das sehe ich, wenn ich in den Spiegel blicke, dass sehen alle Menschen, die mir auf der Straße begegnen. Jeden Tag aufs Neue werde ich hier auf meine weiße Hautfarbe aufmerksam gemacht. Ich falle auf, egal wohin ich gehe. Beim Einkaufen höre ich immer die viel zu hohen Preise für „Yovos“, also für „Weiße“. Zum Glück habe ich inzwischen das Handeln gelernt und mit den richtigen Insiderwörtern auf Fongbe bekomme ich auch als Weiße einen anständigen Preis.“

 

Oder einfach mal ne Maske aufsetzen

Oder einfach mal ne Maske aufsetzen…

In den letzten 7 Monaten habe ich Stück für Stück die in Cotonou herrschenden Spielregeln ausgekundschaftet. Immer wieder habe ich geglaubt, jetzt alles verstanden zu haben. Und dann kurze Zeit später, bin ich doch wieder in ein Fettnäpfchen getreten und habe festgestellt, dass noch so viele „Puzzleteile“ fehlen. Nie im Leben kann ich alle Einzelheiten dieser lebensfrohen, bunten, traditionsbewussten, faszinierenden und einzigartigen Kultur verstehen, eben weil ich in ein anderes Umfeld hineingeboren wurde. Aber durch konkretes Nachfragen und Ausprobieren lerne ich immer wieder dazu. Durch den Kontakt mit den Menschen, kann ich zudem versuchen das ein oder andere Vorurteil zu widerlegen.


Die meisten Einheimischen haben nämlich ein ganz festgefahrenes Bild vom „Weißen“.
Der Weiße, das ist derjenige, der von woanders herkommt. Woher genau das weiß man auch nicht so genau. Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt der Weiße aus Frankreich, dem ehemaligen Kolonialherren. Fest steht allerdings, dass der Weiße viel Geld hat.“
Aufgrund dieses Klischees passiert es des Öfteren, dass mich Leute auf offener Straße nach kleinen Geschenken wie meiner Halskette oder meinem T-Shirt fragen. Als Weiße kann ich es mir bestimmt leisten eine neue Kette zu kaufen.“ Am Anfang habe ich mich bei solchen Fragen sehr unwohl gefühlt und oft so getan, als würde ich den Gegenüber nicht verstehen. Inzwischen versuche ich eher mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und das Vorurteil vom „reichen Weißen“ zu widerlegen.

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Von der Bezeichnung „Yovo…“

„Yovo, Yovo, wie geht es dir?“, singen schon die kleinen Kinder auf der Straße. „Hey Yovo, lass uns Fußball spielen!“, heißt es bei den Kindern im OCPM. „Yovo, Don Bosco Zentrum!“, rufen mir die Zemfahrer zu, die meinen Zielort schon kennen. „Yovo, was hast du mir mitgebracht?“, werde ich bei meiner Schneiderin gefragt. Wie ihr seht, das Wort Yovo begegnet mir eigentlich überall, jeden Tag. Doch was steckt eigentlich hinter dieser Bezeichnung? Ist es eine Beleidigung? Nein, ich glaube nicht, es ist wohl eher der Versuch mit einem Yovo ins Gespräch zu kommen, sei es aus dem Wunsch etwas von dem Weißen zu bekommen, aus reiner Neugierde oder einfach aus Freude. Doch auch wenn ich oft erstmal der Yovo unter vielen bin, werde ich bei allen näheren Bekanntschaften und Freunden als Franzi wahrgenommen.Von einer solchen Begegnung möchte ich euch nun erzählen:

Seit einigen Wochen habe ich eine sehr nette Bekanntschaft mit einer Marktverkäuferin gemacht. Diese rief mir anfangs auch immer „Yovo, Yovo komm doch her!“ zu, bis ich mich irgendwann überwand auf sie zuzugehen. Und schon gleich begann ein kurzes Gespräch auf Fongbe Wenn ich nun täglich auf dem Weg zum Mittagessen an dieser Frau vorbeilaufe, bleibe ich immer ein paar Minuten stehen, führe Smalltalk und lerne ab und zu eine neue Vokabel. Amanda, die Maisverkäuferin freut sich total, wenn ich mich für ihre Kultur und das Essen interessiere und beantwortet mir alle Fragen. Inzwischen werde ich bei meinem täglichen Besuch auch mit meinem Namen gerufen, was zeigt, dass Amanda in mir mehr sieht als irgendeine Weiße.
 

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Bin ich denn etwas „Besonderes“, nur weil ich weiß bin? Weil ich anders bin?
Oder warum fahren mir die Kinder sonst mit großen Augen über meine weiße Haut oder spielen mit meinen Haaren herum. „Warum hast du denn blaue Augen, warum hast du so komische schwarze Punkte (Leberflecke) auf deiner Haut?“ Solche Fragen muss ich immer wieder beantworten. Für viele Kinder ist es einfach etwas Sonderbares, wenn sie zum ersten Mal in ihrem Leben einem Weißen von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Durch gemeinsames Fußballspielen, Basteln oder Tanzen zeige ich den Kindern, dass uns gar nicht viel voneinander unterscheidet. Weil ich genauso wie sie ein Mensch bin, der über Witze lacht und der sich ärgert, wenn er beim Kartenspielen verliert.
Durch meine Arbeit versuche ich runterzusteigen von dem Podest, auf das ich seit meiner Ankunft immer wieder gestellt werde, um den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen. Wenn ich mich mit den Kindern vergnüge, dann fällt es mir oft sehr leicht meine Hautfarbe zu vergessen und ich fühle mich dazugehörig. Denn es spielt keine große Rolle, dass ich anders aussehe. In Momenten, in denen mir ein Kind ohne nachzudenken in die Arme springt, da wird mir immer ganz warm ums Herz.

Der Vergleich zwischen meinen Erfahrungen, mit denen eines Geflüchteten:

Erst hier in Afrika kann ich wirklich verstehen, was es bedeutet in eine fremde Kultur geworfen zu werden. In ein Umfeld, indem die Mentalität, die Sprache, das Essen, die Gewohnheiten und die Spielregeln schlichtweg anders sind. Ich kann ein bisschen besser nachvollziehen, wie befremdet und erstaunt sich ein Geflüchteter fühlen muss, wenn er zum ersten Mal nach Deutschland kommt. Wenn ich jetzt an eine meiner ersten Wochen in Benin zurückdenke, dann kam mir damals alles wie ein großer Wirbel von Eindrücken, Farben und neuen Informationen vor. Wenn also ein Flüchtling zum ersten Mal all die sauberen Straßen, das Schwarzbrot oder den ersten Schnee sieht, fühlt er sich bestimmt sehr befremdet.

Auch ich musste mich in einer völlig fremden Umgebung zurechtzufinden und all die Riten, die für die Einheimischen selbstverständlich sind, Stück für Stück herausfinden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass der Geflüchtete auf ihm freundlich gesinnte Menschen trifft, die ihm Auskunft geben und ihm geduldig weiterhelfen.
 Doch ich kann auch verstehen, dass jeder Geflüchtete auch an seiner eigenen Kultur festhalten will. Denn es ist nun mal das Vertraute, dass wir uns in der Fremde herbeiwünschen. So denke ich hier oft an meine Praktikumswoche im Bamberger Flüchtlingshaus der Don Bosco Einrichtungen zurück. Dort haben die Jugendlichen mit ihren leckeren Gerichten ein Stück ihrer Heimat auf den Esstisch gebracht. Und auch ich genieße jeden Happen, wenn wir zu der Gelegenheit kommen einmal Spätzle zu kochen.
Im Gegensatz zu einem Flüchtling habe ich jedoch die Gewissheit, dass ich jederzeit in meine Heimat zurückkehren kann und trage kein schweres Paket mit schrecklichen Erlebnissen mit mir herum.


Ich kann nur von Glück sagen, dass die allermeisten Menschen, denen ich hier begegne freundlich und hilfsbereit sind. Ich kann hier mit wildfremden Leuten ins Gespräch kommen und mich über die Hitze oder das Essen unterhalten. Und wenn ich einmal auf dem großen Markt verlaufe, dann findet sich immer jemand, der mir den Weg zeigt.
Ich kann mir kaum vorstellen, wie
elend ich mich fühlen würde, wenn mir hier offener Hass und Ignoranz entgegenschlagen würden.

Ich möchte an dieser Stelle jedem, ob Mitvolontärin, Schwester, Foyer-Mädchen, Arbeitskollegen oder Marktfrau … einen großen Dank aussprechen. Da all jene Menschen mir täglich helfen, mich hier in Cotonou zurechtzufinden und mich heimisch zu fühlen.
Aber auch Zuhause in Deutschland möchte ich all denen danken, die sich Zeit nehmen für die Geflüchteten und ihnen den Weg in die fremde Kultur zeigen!

Elabo- Au revoir- Tschüss!!

Elabo- Au revoir- Tschüss!!

Seid alle lieb gegrüßt und genießt die ersten warmen Frühlingstage!  Bis bald!

Eure Franzi!