P1040566Wie in meinem letzten Blogeintrag versprochen, will ich euch heute etwas über meinen Arbeitsplatz in der Baraque SOS auf dem Markt Danktokpa berichten:

Dort arbeite ich momentan zusammen mit Fofo Frank, Fofo Maurice, Tata Claudine und Tata Joliedo. (Tata und Fofo sind hier in Benin die Anreden für Frauen und Männer. Demnach heiße ich jetzt bei der Arbeit Tata Franzi.) Die Mädchen, die in die Baraque kommen, sind sehr verschieden. Da gab es einige Mädchen, die nur für die Ferien auf den Markt kamen, um ihre Waren zu verkaufen. Sie wohnten dann meistens bei Freunden oder Verwandten. Seitdem im Oktober die Schule wieder angefangen hat, sind diese Mädchen in ihre Dörfer zurückgefahren, um den Unterricht zu besuchen. Andere Mädchen, die sogenannten Vidomegons haben weniger Glück. Sie bleiben auf dem Markt, wenn sie Pech haben ein ganzes Leben lang. Sie haben kaum eine Chance auf Bildung oder eine Ausbildung, durch die sie selbstständig werden könnten.

Aber wie kommen die Mädchen denn eigentlich auf den Markt und rutschen in diesen Teufelskreis?
Fofo Frank hat mir das ganze immer gleiche Szenario folgendermaßen erklärt:

Es gibt sogenannte „Tutrices“, welche viele verschiedene Dörfer auf dem Land besuchen, um mit den Eltern der Mädchen einen Handel abzuschließen. Die Tutrices versprechen den Eltern ihr Kind mit in die Stadt zu nehmen und es dort in die Schule zu schicken. Die Eltern „glauben“ den Tutrices und verkaufen ihr Kind. Durch diese Aktion wird der Kontakt zu den eigenen Eltern für immer abgebrochen. Anstatt das verkaufte Mädchen in die Schule zu schicken, muss es nun der „neuen Mutter“ helfen auf dem Markt zu verkaufen. Die Mädchen müssen den ganzen Tag von früh bis spät mit schweren Tabletts auf dem Kopf herumlaufen und arbeiten 7 Tage die Woche.  Das verdiente Geld wandert dann am Abend in die Taschen der Tutrices. Zu kaufen gibt es bei den kleinen Verkäuferinnen eigentlich alles, von Pure Water (gekühltes Wasser), Tomaten, Zwiebeln, Reis, Bohnen, den schweren Igname- Wurzeln bis hin zu Schmuck, Kleidung, Beauty-Artikeln oder Medikamenten.

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Übung macht den Meister 🙂

 

Warum kommen die Kinder in die Baraque?

So richtig ausruhen können sich die Mädchen eigentlich nur in der Baraque SOS. Dabei müssen sie jedoch immer auf der Hut sein, dass ihre „Mütter“ nichts davon mitbekommen. Manchmal kommen die Tutrices nämlich aufgebracht in die Baraque, um nachzuschauen, ob ihr Kind gerade dort ist. Jeden Nachmittag findet nun eine Stunde lang ein Alphabetisierungskurs statt, bei dem die Mädchen die Chance haben sich ein bisschen wie in einer richtigen Schule zu fühlen. Bei diesem Unterricht lernen die Kinder neue französische Vokabeln, Buchstaben und Zahlen zu schreiben. Außerdem wird darüber geredet wer sie sind und was sie auf dem Markt verkaufen. Da die Niveaus der Schüler sehr unterschiedlich sind, werden wir in der kommenden Zeit verschiedene Lerngruppen bilden. Im Anschluss findet meistens ein kleines Gespräch mit den Fofos statt, bei dem die Kinder lernen wie man sich ordentlich wäscht.
Einmal ohne jede Zwänge zu tanzen, ein neues Spiel zu lernen, mit Buntstiften oder Wasserfarben zu malen, gebannt einen afrikanischen Film anzuschauen… auch diese ganzen Erfahrungen können die Mädchen in der Baraque machen.

Um euch eine bessere Vorstellung von alldem zu geben, will ich euch nun zwei Mädchen vorstellen:

Elena* kommt fast jeden Tag in die Baraque und versteht sich ausgezeichnet mit den Erziehern. Sie ist 17 Jahre alt und verkauft kleine Seifen auf einem großen Tablett. Eine Seife kostet 100 Francs, also ca. 15 Cent. Das klingt jetzt total billig ist es aber verglichen mit den übrigen Preisen hier nicht. Auch eine Ananas, eine Kokosnuss, eine kleine Packung Kekse oder Ohrringe… kosten 100 Francs. Aber nun zurück zu Elena. Abends muss sie das ganze verdiente Geld ihrer Tante bringen, die einen kleinen „Laden“ besitzt. Da ihre Eltern gestorben sind als sie ganz klein war, ist sie mit ihrer großen Schwestern von Porto Novo nach Cotonou gezogen, um bei ihrer Tante zu leben. Sie durfte nie in die Schule gehen, sondern musste ihr Leben lang auf dem Markt verkaufen. In der Baraque SOS hat sie gelernt französisch zu sprechen, was sie inzwischen so gut kann, dass wir uns ohne Probleme unterhalten können. Elena tanzt unglaublich gut, liebt Musik jeder Art und kleidet sich gerne modisch, soweit das eben möglich ist. Neulich erzählte sie mir, dass sie sich wünscht eine Ausbildung als Köchin im Maison de l’Espérance (siehe les Projets) zu machen. Ihre Tante hat es Elena jedoch verboten, sodass sie weiterhin ihre Seife verkaufen muss.

Und dann gibt es noch Aida*, die 14 Jahre alt ist, einen sehr lauten, fröhlichen Charakter besitzt und Pure Water (gekühltes Wasser) verkauft. Sie wohnt wie einige wenige Mädchen der Baraque zu Hause bei ihren Eltern. Aida ist eigentlich für alles zu begeistern, egal ob UNO, Mensch ärgere dich nicht, Singen oder Basteln. Das Mädchen ist bereits einige Jahre zur Schule gegangen und spricht daher auch sehr gutes Französisch, kann schreiben und rechnen. Leider fehlt der Familie das Geld, wodurch sie nun auf dem Markt Wasser verkaufen muss. Genau wie ihre Mutter möchte auch Aida eines Tages Schneiderin werden. „Das ist leicht, da konnte ich bei meiner Mama schon oft über die Schulter gucken.“, erzählt sie mir mit einem Lachen im Gesicht. Elena und Aida sind keine Einzelfälle, denn auch viele andere Mädchen der Baraque erleben hier Ähnliches und haben nicht die Möglichkeit in die Schule zu gehen. Der Wille in die Schule zu gehen und etwas zu lernen ist auf jeden Fall bei den meisten Mädchen da, auch wenn sie dann einen Teil ihrer Freiheit, die sie tagsüber auf dem Markt genießen, einbüßen müssten.

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 An dieser Stelle möchte ich nun einen Cut machen und mich bei euch ganz herzlich für die Spenden bedanken!! Diese werden wir ab März nächsten Jahres einsetzen können. Es besteht nämlich die Möglichkeit für einige ältere Mädchen der Baraque SOS Ausbildungsplätze zu organisieren durch welche sie eine Chance bekommen würden, den Markt für immer hinter sich zu lassen. Ich finde es sehr ungerecht und es macht mich wirklich traurig, dass den jungen Mädchen das Recht auf Bildung genommen wird. Und gleichzeitig bin ich froh, dass so viele von euch Lesern mich und die Projekte der Don Bosco Schwestern unterstützen wollen.

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Namensschilder basteln in der Baraque SOS

„Wir sind alle bestimmt, zu leuchten, wie es die Kinder tun.“Mit diesem Zitat von Nelson Mandela möchte ich den heutigen Blogeintrag beenden. Dieser Satz trifft nämlich wirklich sehr gut auf die Mädchen in der Baraque SOS es zu, denn sie können trotz aller Stolpersteine, die ihnen in den Weg gelegt werden leuchten und fröhlich sein. Ich finde es sehr bewundernswert wie eigenständig und tapfer die kleinen Verkäuferinnen sich durchschlagen und gleichzeitig so viel Lebensfreude und Begeisterung für die kleinen Dinge an den Tag legen.

Liebe Grüße,

eure Franzi!

PS: Dank der lieben, freundlichen und witzigen Art meiner Mitvolontäre konnte ich mich hier wirklich schon richtig gut einleben und freue mich jeden Abend nach der Arbeit in unsere kleine Wohnung zu kommen, die inzwischen mein zweites Zuhause geworden ist. Ich will euch allen auch sehr gerne die Blogs von Anna und Vroni ans Herz legen!! Dadurch könnte ihr noch einige weitere Eindrücke bekommen!!