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Nähe

Guten Morgen!

Vielleicht passt es heute sogar ganz gut – ein Beitrag zum Thema „Nähe“. Wie viel Nähe darf man zulassen? Als Volontär im Allgemeinen, als junger Mensch in einem fremden Land, von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen? Aber auch jetzt, wo der Corona-Virus hier ankommt? Eigentlich wollte ich zu diesem Thema gar nichts schreiben. Aaaaber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt (Lotti, da haben wir wieder den Satz, den wir beide nicht verstehen ; ) ). Darum gibt’s dazu später noch einen kleinen Absatz. Wird bestimmt aber kein großes Ding hier. Ihr habt alle schon genug damit zu tun.

Natürlich ist alles was ich hier beschreibe, MEINE persönliche Meinung, meine Erfahrung. Das heißt noch lange nicht, dass es anderen Volos genauso geht oder dass sie es sehen wie ich. Nur nochmal vorweg.

Ruanda

Hier ist Nähe ein riesen Thema. Jeder wird per Handschlag oder mit Umarmung begrüßt. Die Kinder werden angefasst. Es wird ihnen über den Kopf gestreichelt. Und vor allem die Kinder rempeln, prügeln, raufen wie die Wilden, nehmen sich aber auch einfach super gerne an die Hand. Und nicht nur sich. Auch alle möglichen anderen Menschen. Beginnend bei Mama, Freunden oder eben weißen Volos.

Die Märkte sind super eng, man rempelt sich beim aneinander vorbeigehen an. Das ist gar nicht zu vermeiden. Da kommt man unfassbar viel mit anderen Leuten in Körperkontakt. Selbst, wenn man versucht, es zu vermeiden. Ich hab am Donnerstag mal drauf geachtet, als ich einkaufen war. Man schüttelt die Hände von den Marktdamen, von unzähligen Kindern, die den „Umuzungu“ grüßen wollen, auf dem Weg nochmal von bekannten Erwachsenen und Kindern, von geistig gechallengenden Personen. Nicht zuletzt auch unseren Schülern.

Das war bei der Patronage. Ganz typisches Bild.
Hände in den Haaren, Kind auf dem Schoß und andere neben mir. alle ganz eng

Bei einigen möchte ich lieber nicht wissen, wann sie sich zum letzten Mal die Hände gewaschen haben und was seit dem alles berührt wurde. Ich wasche mir meistens die Hände, wenn ich von draußen rein komme und vorm Essen auch, aber ganz ehrlich, jedes Mal denke ich nicht dran. Und wo wir schon mal bei der Wahrheit sind, mich stört es auch nicht, so viel Körperkontakt und Nähe zu erfahren. Ich finde es klasse, dass hier jeder jeden grüßt, persönlich und liebevoll. Mit Lächeln und einem kurzen Moment des Haltens, um zu grüßen. Es wird sich die Zeit genommen, um dem Gegenüber die Hand zu geben. Nicht immer natürlich und auch nicht jeder, aber doch die meisten. Und auch die Nähe auf dem Markt, das Anrempeln, es stört mich nicht. Echt nicht. Ich finde es spannend, eine völlig andere Erfahrung als in Deutschland.

Oratorium

Im Oratorium habe ich manchmal echt super körperkontakt-intensive Tage. Hallelujah (sorry, Carême, aber ich kann’s einfach nicht lassen). Alle kommen und wollen mindestens eine Umarmung zur Begrüßung, auf dem Schoß sitzen, Haare fühlen und neu „ordnen“. Die Arme streicheln, denn da sind ja kleine Haare drauf und auch sonst fühlt sich die Haut anders an als die eigene. Wenn wir Bälle holen gehen, nehmen mich die Kinder an die Hand. Oder hüpfen auf meinen Rücken oder auf meinen Arm. Oder sie liegen einfach in meinen Armen. Hauptsache Nähe, ganz nah an den Körper.

Kommt alle her, ganz nah ran. Wir sind doch ein Team.

Für mich gibt es Grenzen. Auf jeden Fall. Mittlerweile verteidige ich die auch besser als zu Beginn. Ganz deutlich. Die Kinder dürfen mir nicht auf den Hintern hauen, meine Brüste gehören mir alleine. Ob sie das gut finden oder nicht, ist mir dabei egal. Meins. Da will ich keine Kinderfinger dran haben. Und erst Recht nicht die Grabscher von Jugendlichen. Ich pack‘ die ja auch nicht an. Natürlich spricht nichts gegen zufälliges Berühren im Vorbeigehen oder wenn ein Kind mit dem Kopf gegen meine Brust gelehnt auf meinem Schoß liegt. Alles gut. Es geht um mutwilliges Betouchen.

War auch für mich ein Lernauftrag. Meine Grenzen besser zu verteidigen. Klar zu sagen, was ich will und was nicht. Und im Notfall mich zur Wehr zu setzen. Ja, das darf man. Jeder. Immer. Keiner muss sich begrabbeln lassen, wenn er oder sie das nicht möchte. Da darf man auch mal deutlicher werden, wenn es nicht ankommt. Aber es kostet Überwindung. Beim ersten Mal und auch danach noch. Trotzdem es ist notwendig. Und hinterher fühlt man sich gut. Besser als wenn man es zugelassen hätte. Man muss und darf sich nicht alles gefallen lassen, sonst nimmt keiner einen mehr ernst. „Bei der oder dem dürfen wir alles. Der/ Die sitzt sich eh nicht zur Wehr.“ Nein, das darf nicht passieren. Und wenn man es alleine nicht schafft, muss man sich Hilfe suchen. Das weiß ich jetzt. Aber auch ich musste es erst lernen. Auch mich hat es super viel Überwindung gekostet, mich zu öffnen und zu sagen, dass ich es alleine nicht schaffe. Und siehe da, die Leute haben nicht negativ reagiert. Weder der Aspirant, den ich gebeten habe, mir zu helfen noch meine Mitvolontäre beim Seminar noch sonst irgendwer. Denn es ist nicht die Schuld der Betroffenen. Das habe ich jetzt gelernt.

Einige von den Kindern, die samstags oder ins Oratorium kommen, brauchen und suchen ganz dringend Nähe, ob körperlich, in Form von Aufmerksamkeit oder zuhören. Und für sowas bin ich da. Denke ich. Liebe und Nähe geben. Das, was sie zu Hause bei vielen Kindern oft nicht erfahren. Oder viel zu wenig. Ich kann nicht viel geben, aber ich kann Zuneigung zeigen. Einfach da sein. Und selbst wenn ich nicht verstehe, was sie mir eigentlich erzählen, wenn ich nicht verstehe, was das Problem ist, reicht es. Ich muss nur zuhören. Mit Brummen signalisieren, dass ich noch dabei bin. Am Anfang meine fünf Standardfragen raushauen. Ein bisschen Interesse zeigen. Und dann die Kinder wiedererkennen, am Besten auch die Namen wissen. Das klappt zwar meistens nicht, denn mir fällt Namen lernen ohnehin schwer und diese Namen hier ganz besonders. Eieiei. Wenn ich die wenigstens verstehen würde, wäre das schon gut. Aber selbst das klappt oft genug nicht ; ) Darum bin ich mittlerweile ziemlich gut im so tun als ob ich den Namen wüsste. Das Gesicht vom Kind erkenne ich fast immer wieder. Das ich beim Namen oft scheitere, stört keinen. Weiß allerdings auch fast keiner, ich will ja ehrlich sein ; )

„Emma, können wir ein Foto zusammen machen?“
„Klar“
„Dann komme ich mal rangerutscht!“

Erwachsene

Ich muss sagen, dass ist für mich ein schwieriges Thema. Als sowohl zu beschreiben als auch umzusetzen.

Die meisten Erwachsenen halten Distanz. Also sie grüßen uns, die Frauen auch oft mit einer Umarmung. Obwohl eine begrüßende Umarmung bedeutet, ich lege meine Arme auf deine und verneige meinen Kopf leicht. Anschließend gebe ich dir die Hand. Es ist also kein Drücken, es ist aber doch körperlicher Kontakt vorhanden. Die Männer geben uns im Normalfall nur die Hand. Passt auch alles. Klar, wenn die Leute nasse Hände haben oder richtig, richtig dreckig sind und unangenehm riechen, gibt’s Schöneres, aber kann man alles aushalten.

Was ich aber zum Beispiel schwierig finde, sind so manche Angebote von erwachsenen Männern. Also nicht mal Jugendliche. Sondern wirklich Erwachsene. „Willst du mit mir ausgehen?“ „Gehst du mit mir tanzen ?“ Nein Mann, ich bin 18, du bist 100! Ich will nicht s von dir. Niemals. Lass mich bitte einfach in Frieden.
Oder wenn die so komisch gucken. Manchmal gehe ich dann einfach lieber flott weiter. Man muss aber ganz klar sagen, wenn man denen Nein sagt, ist es fast immer auch okay. Also, macht euch keine Sorgen. Ist alles gut. Und es sind auch überall Leute da, die uns helfen würden, wenn wir es alleine nicht schaffen würden. Ist bis jetzt aber noch nicht vorgekommen.

Jugendliche wollen uns aber auch oft ausführen, fragen uns, ob wir vergeben sind. Und wenn ich dann sage, dass ich Single bin, lässt die Frage: „Warum? Du bist doch hübsch.“ nicht lange auf sich warten.
Ich wurde hier doch schon recht häufig gefragt, ob ich einen der Jungs heiraten möchte. Oder mir wurde gesagt, dass sie mich lieben. Ja mein Schatz, du kennst weder meinen Namen noch mein Alter. Und auch sonst weißt du nix über mich, aber klar, ich heirate dich! Sofort! Los, lass uns die Zeremonie planen! ; )

Am Besten ist es, wenn meine Schüler mich fragen, ob ich nicht mit ihnen zusammen sein möchte. Die erste Frage, als ich mich vorgestellt habe, war selbstverständlich, ob ich einen Freund habe. Und dann ging’s weiter.
In meinem einen Englischkurs saßen zehn Mädels, darum war’s nicht allzu schlimm, war sogar ganz lustig. Als ich mich vorgestellt habe, wurde mir von den Schülerinnen auch diese Frage gestellt. Und dann kam vom Aspiranten: „Sie ist single searching!“ Danach ging’s ab! Einfach geil.
Aber ich bin mittlerweile doch ganz gut geübt darin, Körbe zu verteilen. Und zum Glück nimmt mir das auch keiner lange krumm. ; )

Corona

So, jetzt ein wirklich kurzer Absatz über die liebe Corona, die sich jetzt auch bis nach Ruanda bequemt hat. Ich weiß, das ein Virus männlich oder neutral ist, bei mir ist es aber die Corona. Also wundert euch nicht.

Schon letzten Sonntag wurde vorsorglich verboten, im Gottesdienst den Frieden per Handschlag auszutauschen. Weil die Leute nicht wussten, wie sonst, wurde einfach fast kein Gruß ausgetauscht. Das war schon ein bisschen amüsant. Im gleichen Zuge wurde gesagt, man solle sich nicht mehr die Hand geben, wenn man sich begrüße. Vor dem Markt steht ein Wasserbehälter, zum Hände waschen. Auch vor unserem Speiseraum der Schüler. Aaaber, es trinken trotzdem noch 16 Schüler aus einem Becher beim Essen. Und auch das Begrüßen mit Nicken oder Fußschlag scheitert in der Umsetzung. Zu viele vergessen es ständig. Warum auch dran denken? War bisher ja noch kein Fall bekannt, hier in Ruanda.

Trotzdem wurde Freitag bekannt gegeben, dass große Versammlungen ausgesetzt werden sollten. Prophylaktisch, denn wenn die Corona einmal hier ankäme, würde sie sich sehr schnell verbreiten. Eben wegen mangelnder Hygiene und sehr engem Zusammenleben.

Gestern, also am Samstag wurde der erste Fall bekannt. Und somit wurden für die nächsten zwei Wochen alle Messen verboten, die Schulen werden geschlossen, obwohl nächste Woche Exam wäre. Die Schüler aus den Internaten sollen nach Hause fahren. Mal schauen, ob wir das Oratorium noch weiter aufmachen dürfen. Darum haben wir heute viel mehr Zeit. Meine Englisch-Klausur muss ich wohl doch nicht fertig machen, obwohl sie das schon fast ist. Aber Unterricht für die nächste Woche muss nicht geplant werden. Ich bin mal gespannt, wie viel Freizeit ich so gewinne, in den nächsten Tagen. Denn ob das Oratorium seine Pforten öffnen darf, steht noch überhaupt nicht fest. Die Rike und ich werden uns aber mal überlegen, wie wir die Freizeit gut rumkriegen. Das Geschenk der allseits beliebten, gern gesehenen Corona. *Sarkasmus aus*

Das soll’s aber auch sein.

Seid lieb zueinander.
Liebe Grüße, bleibt gesund und keine Panik!
Das bringt nix.

Emma

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