emma in ruanda

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Gefühle und so…

Halli hallo hallöle! Heute soll’s nicht allzu lang werden. Es ist gerade Sonntag, kurz nach Mitternacht. Ich müsste eigentlich schlafen, aber nix da. So kann ich später länger schlafen. Also los geht’s!

Da mir leider keine Vorschläge bzw. Wünsche geliefert wurden, musste ich kreativ werden. Mama hat mir ein bisschen geholfen. Sie wurde wohl öfter mal gefragt, wie es mir eigentlich so geht. Und darum soll’s heute gehen.

Wie geht’s dir?

Die Frage bekomme ich ziemlich oft zu hören und ich finde sie unfassbar schwer zu beantworten. Wenn wir mal ehrlich sind, in Deutschland sind wir nicht immer glücklich und zufrieden oder? Warum sollte ich es dann hier sein? Für mich gibt es, genauso wie für alle anderen schönere Tage, aber auch härtere. Einige sind leichter, andere schwerer. Natürlich. Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen. Das wäre ja weder sinnvoll noch normal. Wenn es mir immer super duper perfekt gehen würde, dann sollte man sich Sorgen machen.

Manchmal habe ich Tage, an denen frage ich mich, warum ich das eigentlich mache. Warum bin ich hier? Warum so weit weg von zu Hause, von Freunden, Familie? Von gewohnten Strukturen? Von all den Aktivitäten und Events, die ich so liebe?
Harte Tage sind beispielsweise Feste, Geburtstage, aber Rollschuhmärchen-Wochenenden. Aber auch, wenn es hier mal nicht so rund läuft. Wenn es super stressig wird, wie die letzten Wochen, als wir für das Straßenkinder-Projekt unfassbar viel organisieren mussten. Als ich ein paar unschöne Begegnungen hatte, denn die gehören leider einfach dazu.
Die Frage, ob die Menschen, an dich ich so oft denke, überhaupt auch mal an mich denken, stelle ich mir schon auch ab und zu.

Für über 60 Kinder Hefte zu organisieren war mit einem riesen Aufwand verbunden.
Alle aufschreiben, kontrollieren, rechnen, einkaufen und sortieren

Manchmal kommt einfach die Sehnsucht nach meinen Eltern, meinen Schwestern, nach Freunden, meinen Ponys. Mal mit Grund und mal einfach so, weil sie gerade Bock hat. Und manchmal kommt sie so unerwartet, dass ich schon über mich selbst schmunzeln muss.
Und ab und zu muss ich mich dann mal richtig fett in meiner Sehnsucht suhlen. Dann werden alle Bilder, Briefe, Nachrichten und Bücher rausgeholt. Und dann geht’s ab. Auch mal mit ein paar kleineren Tränchen.

ABER…

… vor allem fühle ich unfassbar tiefe Dankbarkeit. So viele Menschen, die mir für meinen Freiwilligendienst alles Gute gewünscht haben. So viele Menschen, die mich unterstützen. So viele Menschen, bei denen ich mich melden kann, wenn ich das Bedürfnis habe. Und sogar für die Sehnsucht nach zu Hause. Das ist doch ein gutes Zeichen. Schlimmer wär’s, wenn ich das alles nicht vermissen würde oder? ; )
Aber auch, dass ich die Möglichkeit habe. Dass der Staat meinen Freiwilligendienst unterstützt. Dass ich so tolle Leute kennelernen durfte und darf. Für die Erfahrungen – die guten und die nicht so guten.
Und nicht zuletzt dafür, wo und wie ich aufwachsen konnte.

Manchmal hilft dann einfach nur noch was Süßes.
Auch okay ; )

Mir das bewusst zu mache, hilft aber nur bedingt. Wenn ich gerade in so einem Loch stecke, dann ist Nachdenken und Rumsitzen nicht das beste für mich. Nein Freunde, ich muss auch raus. Mich bewegen. Zu den Kindern. Einfach ein Lächeln abholen, eine Umarmung, ein „Mwiriwe Emma!“ (übers. Hallo Emma!). Egal, einfach nur ein bisschen Liebe. Oder wenn es richtig schlimm ist, zu meiner Mama hier in der Küche, Mariya. Ein Küsschen, einen dicken Drücker.

Oder zu meiner lieben Mitvoluntärin, der Rike. Die nimmt mich dann immer in den Arm und hört mir zu. Einmal alles loswerden, was gerade blöd ist, warum die Sehnsucht kam. Mit der habe ich echt großes Glück!
Wenn es Probleme mit den Kindern im Oratorium gab oder einfach mal ein kulturelles Missverständnis vorliegt, können unsere Aspiranten durchaus gut vermitteln und erklären. Auch mit der Sprache helfen sie mir ab und zu.
Und die Brüder geben auch ihr Bestes, uns zu helfen, wo es nötig ist. Wie auch immer diese Hilfe dann aussieht ; )

Mir hilft es auch, in die Kirche zu gehen. Jeden Morgen und jeden Abend Messe bzw. Gebet. Der eine oder die andere mag das nicht verstehen. Das ist sicher nicht für Jeden was. Aber mir hilft es ungemein. Wenn ich so einen richtig grottenschlechten Tag habe, dann gehe ich früher in die Kapelle als das Gebet beginnt. Manchmal zum Nachdenken, manchmal zum (Rosenkranz) Beten und ganz selten auch mal, um den Tränen freien Lauf zu lassen. Wobei ich kann sagen, die kommen wirklich sehr selten in letzter Zeit.

Meine Straßenkinder, das für mich anfangs so schwierige Projekt, ist mittlerweile eine meiner größten Motivations- und Kraftquellen. Diese kleinen, verrückten, anstrengenden, manchmal auch wirklich nervigen Kinder haben sich einfach in mein Herz geschlichen. Wie sie sich freuen, wenn sie mich sehen. Wie sie alles mit mir ausdiskutieren. Wie sie sich über mich lustig machen, wenn ich mal wieder nix verstehe.
Ich hab ein Buch, das ich sehr gerne lese (unbezahlte Werbung, weil selbst bezahlt, das schreiben zumindest immer die krassen Instagramer ; ) : Die Hütte – Ein Wochenende mit Gott). Man muss es mögen, aber dann ist es ein wirklich tolles Buch. Darin sagt Gott etwas wie „Ich habe alle meine Kinder sehr lieb, aber ihn habe ich ganz besonders gern. Und den auch. Und den.“ Es ist kein Zitat, aber inhaltlich passt es.

Finde die Emma!
Unsere Straßenkinder : )

Das stimmt. Diese ganzen Kinder, so viel sie diskutieren, so viel sie mich ärgern, so viel sie streiten, sich prügeln und sonst wirklich alles geben, um mich auf die Palme zu bringen, ich hab sie einfach alle lieb. Jeden und jede auf ihre und seine ganz eigene Weise. Ja, sogar den Jungen, der mich manchmal haut. Auch den, der mich anlügt. Den, der die Hefte, die wir ihm für die Schule gegeben haben, sofort verkauft. Und nicht den zu vergessen, der mir nie den Ball geben will, wenn ich ihn einsammeln möchte, sondern ihn immer absichtlich weit wegschießt.

Zum Beispiel die kleine Jungs-Gang. Diese kleinen Kerle. Wenn sie nach dem Waschen samstags vor mir stehen, die Arme ausstrecken und darauf warten, dass ich sie eincreme und sich dann diebisch über den Körperkontakt freuen. Wenn sie dann an anderen Tagen kommen, um Ball zu spielen, auf mich zu laufen, um erstmal zu fragen, wie es mir geht. Im Allgemeinen die (Straßen)Kinder, die immer mehr Zutrauen finden, uns nicht mehr (oder nur noch sehr selten) versuchen, zu beklauen, sondern stattdessen (körperliche) Nähe suchen. Halleluja, da geht mir mein Herz auf. Jedes Mal. Diese Jungs und Mädels, die uns regelmäßig im Oratorium besuchen kommen, um zu spielen, zu lesen oder einfach nur zu Hallo sagen.

Und was man natürlich niemals vergessen darf, wenn ich mitbekomme, dass die Leute in Deutschland an mich denken. Wenn ich Kommentare und Whatsapps bekomme – Bilder, Texte, ein paar Worte. Einfach nur mal ein „Hey, wie geht’s dir?“ Auch wenn ich diese Frage wirklich schwer zu beantworten finde ; )
Wie ihr seht, kann ich damit einen ganzen Blogbeitrag füllen, kein Problem! Aber trotzdem zeigt es mir, dass da jemand an mich denkt. Das ist soooo schön. Das glaubt ihr gar nicht. Als Hanna mir erzählt hat, dass ich ihr beim Rollschuhmärchen fehle und das sie merkt, dass ich nicht da bin, Freunde, da hab ich mich wirklich gefreut! Nicht, dass ich Angst hätte, man könnte mich vergessen. Das passiert nicht so schnell, aber einfach nur ab und zu daran erinnert zu werden, dass es wirklich nicht so ist, liebe ich!

Ach Leute, es gibt so viele schöne Momente, die man einfach genießen muss. Wenn es leckeres Essen gibt, wenn die Schüler*innen mit mir reden wollen. Wenn ich die Bälle mal ohne zehn minütige Diskussion bekomme. Wenn wir das Vater unser singen. Ich könnte euch noch so viele andere Ereignisse aufzählen, aber es ist mittlerweile 01.20 Uhr und ich hab versprochen, dass das kein allzu langer Beitrag wird. Ich hoffe, das ist okay so. Ich finde es manchmal ein bisschen schwierig, zu erklären, was ich fühle und erlebe. Aber ich gebe mir Mühe.

Damit haben wir auch das wieder geschafft. Meine kleine Nachtschicht erkläre ich hiermit offiziell für beendet.
Und falls ihr zwischendurch mal an mich denkt, könnt ihr euch gerne jeder Zeit bei mir melden. Keine Angst, ihr verursacht kein Heimweh, sondern pure Freude! Denn Heimweh habe ich (fast) nie – höchstens Sehnsucht. Und die gehört eben einfach dazu.

Liebe Grüße, danke für’s Lesen und bis nächste Woche
Emma

PS: Ich freue mich immer noch über Wünsche und Vorschläge für neue Beiträge. Was interessiert euch? Was wollt ihr wissen?

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