Folgendes Szenario: Ich habe mich grade an den Laptop gesetzt um euch etwas zu updaten, was mein Leben hier in Kolumbien angeht, da ruft mein Mitvoluntär Jan, der vor 5 Tagen angekommen ist, von der Seite… was ist denn schon wieder diese Musik! Er hat recht, in diesem Moment ist mir aufgefallen, dass ich diese konstante Geräuschkulisse bestehend aus Kindern, gelegentlich Autos aber am wichtigsten der laute Reggaetonmusik, die wirklich durchgehend aus verschiedenen Bereichen der Nachbarschaft läuft, schon gar nicht mehr wahrnehme. Das macht, wenn ich so darüber nachdenke, genau die Kultur und vor allen genau die Millionenstadt Medellin aus. Immer ist etwas los und die Menschen versuchen zumindenst, ungeachtet der Lebensumstände, bewusst und unbewusst nach Don Boscos Motto „Siempre Alegre“ (dt.immer fröhlich) zu leben.

Wenn ich so auf meine ersten drei Monate zurückblicke, dann muss ich sagen, dass mir tatsächlich noch nicht an einem Tag Langeweile aufgekommen ist. Einen großen Teil meiner Freizeit, nach Arbeitsschluss, nehmen die Kinder und Jugendliche ein, wo ich bei Vielen merke, dass es ihnen hilft einfach mal mit einer unbeteiligte Person über ihre Probleme und über das, was sie bewegt, zu reden.

Mit meinen Mitvoluntären habe ich schon viele Teile der Stadt gesehen, die teilweise so geschichtsträchtig sind, dass es einem echt schwer fallen kann das Alles zu verarbeiten. Einmal besuchten wir zum Beispiel die „Casa de la Memoria“ (dt. Haus der Erinnerungen). Ein Museum, das im Herzen der Stadt liegt und das an den bewaffneten Konflikt erinnert, den das Land durchlebt hat, und der, wie man sieht, offensichtlich noch nicht vorbei ist. Die Geschichten vieler Opfer werden hier detailliert durch verschieden visuelle Umsetzungen dargestellt. Zum Beispiel ist ein ganze Raum einer Mutter gewidmet, der ihr Sohn entrissen wurde und die darauf hin mit anderen Müttern und Ehefrauen, in der selben Situation, eine Organisation gründete, um genau solche Fälle aufzudecken. Auf der Suche, bereits mit der Ahnung, dass ihr Sohn nicht mehr leben würde, hat sie Anderen jedoch Trost schenken können und es wurde als Erfolg gesehen, Gewissheit über den Tod einer dieser geliebten Personen zu erlangen, da die suchenden Familienmitglieder dann endlich innere Ruhe finden konnten. Den Aufenthaltsort vieler Leichen konnte man trotz langer Suchen jedoch nicht ausfindig machen. Um ein Beispiel zu nennen, ein paar von ihnen wurden in Steinbrüchen und auf Müllhalden verscharrt.

Viele weitere Geschichten wurden in einem weiteren Raum Bildhaft dargestellt. Dieser ist völlig verdunkelt und wurde durch einzelne kleine Lichter, die wie Sterne den Raum schmückten, aufgehellt. Hier werden durch Animationen von Leben erzählt, in dem das verschwundene Familienmitglied mit der Zeit schwarz weiß verblasst. Dieser Raum hat mich vorallem berührt. Medellins Geschichte geht noch viel tiefer und ich lege jedem, der das hier liest, ans Herz sich darüber etwas weiter zu informieren, Stichwort bei der Googlesuche: Operation „ORION“.

Liedtext einer der ausgestellten Lieder in dem Museum

Dass es hier auch heute noch nicht ganz friedlich ist bekommen wir fast täglich mit. Mehrmals am Tag, vor allem in der Nacht, hört man laute Geräusche, die einem Knall ähneln, in unserem Barrio (Nachbarschaft). Für die Menschen, die hier leben, ist das schon ganz normal geworden. Diese Geräusche sind manchmal eindeutig als Böller oder Feuerwerk zu verbuchen. Das geht jedoch auch andersherum, so, dass man eindeutig hier auch Schüsse zu hören bekommt. Die verschärfte Situation hier im Barrio zeigt sich auch durch die mittlerweile dichtere Polizeipräsenz. Der bestehende Konflikt ist ein interner Streit von zwei bis drei der kriminellen Organisationen, der die Hauptursache ist für das Ganze ist. Daraus resultierten auch seit Anfang Dezember vermehrt Morde, die in Robledo Aures, dem Teil der Stadt in dem wir leben, verübt wurden.

Von solchen Dingen darf man sich hier jedoch nicht einschüchtern lassen. Natürlich laufen wir hier alle mit einer sehr großen Vorsicht herum, jedoch gilt auch hier „listen to the locals“, die die vorherrschende Situation besser einschätzen können als wir Voluntäre. Dadurch fühlte ich mich trotz alle dem sehr sicher hier. Trotzdem hoffe ich, dass sich das ganze so bald wie möglich zumindenst etwas auflöst. Die Stadt ist so kunterbunt und hat unglaublich viele schöne Seiten, dass die Zeit bis jetzt noch gar nicht ausgereicht hat um sie alle entdecken zu können. Außerdem spielt die kunstszene hier eine riesige Rolle. Die Stadt ist in allen Teilen durch Graffiti geschmückt ist, welches Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsperspektiven darstellt. Von den Einwohnern wird dieses somit als Kulturgut angesehen, welches von ihnen geschützt wird, außerdem fördert die Bürgermeisterei Medellins auch viel Sport und eben Kunst, damit möglichst Vielen, vorallen jungen, Menschen eine Perspektive geschaffen wird und diese ihre Talente neu entdecken und fördern können.

Eine direkte Bitte an dich: Verurteile die Stadt nicht für ihre negativen Seiten. Für mich war es einfach nur wichtig auch das einmal zu nennen, da es nunmal ein Teil des Lebens hier einnimmt. Keinenfalls macht es aber den großteil meiner Erfahrungen hier aus und ich habe mich jetzt schon nach drei Monaten in dieses Land und vorallem in diese Stadt verliebt.

Viele bunte Eindrücke kannst du auch auf meinen Instagramaccount verfolgen, wenn du möchtest. Dort bin ich eigentlich fast täglich aktiv und versuche einen Teil meiner Arbeit, Freizeit und vorallem der Kulturunterschiede festzuhalten. Auf Instagram kannst du mich unter dem Namen carina.isb finden.

Ich möchte in diesem Eintrag zum Schluss kurz etwas zu Spenden für Don Bosco sagen. Mein Freiwilligendienst wird zu 75% von weltwärts gefördert, jedoch muss ich die restlichen 25% über einen Spenderkreis aus Familie und Freunden zusammenbekommen. Eine Spendenbescheinigung gibt es natürlich auch hierfür, die bis Ende diesen Jahres noch da sein dürfte. Ich freue mich über jeden Euro der zusammenkommt. Im folgenden die Bankverbindung, falls ihr schon etwas spenden wollt und könnt…

IBAN: DE89 3705 0198 0000 0994 99
BIC: COLSDE33XXX
Bank: Sparkasse KölnBonn

Verwendungszweck 1: Name Volontär*in und Spenderkreisnummer S22VR011

Verwendungszweck Zeile 2: Adresse des Spenders (zur Ausstellung Spendenbescheinigung)