Ich gebe es zu. Ich mag Weihnachten nicht sonderlich. Zu sehr habe ich die letzten Jahre den Stress gespürt, den diese Zeit mit sich bringt. Geschenke kaufen, morgens, wenn es dunkel und kalt ist aus dem Haus und im Dunkeln wieder nach Hause kommen, daneben auch noch die berüchtigte Klausurenphase vor Weihnachten überstehen. Auch in diesem Jahr haben mir viele Freunde aus Deutschland wieder diesen Weihnachtsstress bestätigt.
In dem Wissen, dass viele dieser Punkte in diesem Jahr bei mir jedoch wohl nicht auftreten würden, bin ich also dieses Jahr gespannt in die Weihnachtszeit gestartet. Deutlich früher als erwartet.
Als Anfang November meine Vorgesetzte auf mich zu kam und mir sagte, dass ich demnächst in meinem Nachmittagsprogramm mit Weihnachtsdekoration starten könne, musste ich lachen.. Die Liste mit dem dazu benötigten Material hatte ich dabei bereits Mitte September abgegeben.
Stress? Ja — aber anders.
Bevor du dich von dieser nichtssagenden Aussage jetzt stressen lässt, schreib mir lieber und frag mich einfach direkt! Ich freue mich sehr darüber! Um es dir aber nicht zu schwierig zu machen, habe ich dir hier im Anschluss bereits einen Vorschlag für einen Dialog gemacht, wie du ihn mit mir führen könntest. Ich will ja niemanden überfordern in dem Stress…
Du: Ist es überhaupt möglich, bei dem Wetter in Weihnachtsstimmung zu kommen?
Ich: Oh ja, das ist möglich. Aber stimmt schon, es ist sehr ungewohnt bei dem warmen Wetter. Wir haben immernoch über 20° C.
Du: Puu. Also immer noch am Schwitzen. Aber warte mal, dann gibt’s bei euch doch gar keine Nadelbäume oder? Gibt’s dann keinen Tannenbaum?
Ich: Richtig. Es gibt keine Nadelbäume, die man benutzen könnte. Das hindert aber nicht daran, einen Tannenbaum in jedem Projekt und auch bei den Schwestern im Wohnzimmer zu platzieren. Sind halt alle aus Plastik.
Du: Und ihr Drei? Habt ihr auch irgendwie einen Weihnachtsbaum in eurer WG, oder konntet euch irgendwie auf Weihnachten einstimmen?
Ich: Oh ja! Wie gesagt, haben wir Mitte November schon angefangen, Dekoration für unsere Projekte zu basteln. Dabei lief immer eine Weihnachtsplaylist und auch sonst habe ich den Advent deutlicher gespürt als normalerweise in Deutschland.
Ich beschreibe dir einfach mal kurz, wie unsere Wohnung derzeit aussieht, dann verstehst du vielleicht besser, was ich meine.
Unsere Wohnung
Wenn man unsere Wendeltreppe hochläuft, findet man einen Holzstern an der Haustür, daneben am Fenster leuchten die Lichter einer Lichterkette durch das Milchglas. Wenn man reinkommt, fällt einem Fremden vermutlich erstmal die Kinnlade herunter. Man sieht den Boden kaum mehr, der Tisch ist bereits unter Bergen von Bastelsachen begraben. Überall Bastelkrams. Wir kommen einfach gerade nicht dazu, Sachen wieder wegzuräumen. In meinem und Hannas Zimmer findet man dann jeweils einen gebastelten Adventskalender, der Mitte Dezember aus Deutschland angekommen ist und mit Freude geöffnet wird. Johannas angekündigtes Adventskalenderpaket ist 2018 nicht mehr angekommen. Aber auch im Januar machen Adventskalender Spaß!
Geht man wieder zurück in unseren Wohnflur, findet man irgendwo hinten, weitgehend verschont von Papierschnipseln, unsere Weihnachtsecke. Eine Girlande mit gebastelten Engelchen und Lichterketten vor Hannas roter Kuscheldecke. Auf einem Hocker steht unser Adventskranz im Beninstil, arrangiert aus afrikanischen Stoffen sowie unser Tannenbaum. Stolze 25cm hoch, mit Mütze auf der Spitze und sogar mit Kugeln geschmückt. Nicht fehlen darf der Schokoadventskalender, den wir im großen Supermarkt gefunden haben; importiert aus Frankreich (eigentlich kennt man hier keine Adventskalender). Ihm gilt unser tägliches Adventsritual
(zumindest, wenn wir ihm die Zeit dazu Freiräumen können): Ein Weihnachts-/Oder-anderes-lied, dabei öffnet Eine das Türchen , teilt die 2g-Schokolade durch 3 und legt jedem seinen Anteil in die Hand.
Du: Das hört sich ja ganz lustig an bei euch. Sieht man prinzipiell in den Straßen auch, dass es irgendwie weihnachtlich geschmückt ist?
Ich: Definitiv. Viele bunte Lichterketten blinken einem von Häusern und Bäumen entgegen. Auch von Kirchen. Dicke Lamettagirlanden kann man an fast jeder Straßenecke kaufen. Ich finde es manchmal echt zu stark geschmückt. Irgendwie kitschig.
Du: Ja, das kommt aber hier auch immer mehr. Ist eure Weihnachtsdekoration dann auch in dem Stil, oder macht ihr andere Sachen mit den Kindern?
Ich: Wir versuchen andere Dinge. Je nach Altersgruppe verschiedene Sachen.
Die Weihnachtsdeko
Verschiedenste Variationen von Sternen, Weihnachtsbäume falten, Bilder ausmalen. Ich habe mit meinen Jugendlichen Weihnachtsbaumkugeln aus Papmaché und Wasserbomben produziert, das kam ganz gut an. Das Kleister anrühren hat auf jeden Fall Personal wie Jugendliche zum Staunen gebracht. Basteln ist hier einfach eine sehr wenig praktizierte Tätigkeit und dementsprechend kennen auch die Erwachsenen nur sehr wenige Ideen und waren ebenfalls sehr interessiert an unseren Bastelstunden. Einen Nachmittag haben wir versucht, Mitarbeitern von mir Fröbelsterne zu erklären, eine (für uns) sehr amüsante Angelegenheit. Dass wir viele unsere Bastelideen aus dem Internet haben, war für sie außerdem völlig überraschend.
Du: Und wie habt ihr dann die Weihnachtstage so verbracht?
Ich: Also zuerst einmal gab es in jedem Projekt eine Weihnachtsfeier.
Die Weihnachtsfeiern
Die Kinder hatten dabei immer verschieden Beiträge einstudiert: Tänze, Theaterstücke oder Karaoke…
Bei der Weihnachtsfeier im Ausbildungszentrum „Maison de l’Esperance“ kam dann auch noch der Weihnachtsmann im Kostüm vorbei. Außerdem hatten die Jugendlichen hier ein Krippenspiel einstudiert und da natürlich die jungen Mütter aus dem benachbarten „Maison du Soleil“ mit ihren kleinen Kindern auch da waren, hatte Maria einen kleinen, lebenden Jesus im Arm. Die Mutter des 2 Wochen alten Jungen saß im Publikum und war mächtig stolz. An Weihnachten selbst dann…
Du: Entschuldige die Unterbrechung, aber habt ihr dann auch etwas vorgeführt oder so bei den Feiern?
Ich:*Lache* Ja, das stimmt. Wir haben tatsächlich bei zwei Weihnachtsfeiern auch etwas vorgeführt. Mit Kapuzenpulli und Sonnebrille bewaffnet haben wir uns an einem deutschen, einfachen Rap versucht und diesen playback zum Besten gegeben. War auf jeden Fall sehr lustig.
Du: OK. Und wie lief dann Weihnachten selbst ab?
Ich: Also zuerst einmal wird Weihnachten hier erst am 25. Dezember gefeiert.
Heiligabend
Am 24. Sind wir aber wie gewohnt, abends in die Kirche gegangen. Vorher haben wir noch Schwestern und Aspirantinnen bei der Weihnachtsdeko geholfen. In der Kirche war dann zuerst ein kleines Gospelkonzert, gefolgt von einem weiteren Krippenspiel. Auch hier mit lebendem Jesuskind, was aber noch deutlich interessanter war, waren die gut gelaunten Hirten bzw. die lebende Ziege, mit welcher sie durch die Kirche getanzt sind. Die Messe dauerte dann gute zwei Stunden, war teilweise auf französisch, teilweise auf der Regionalsprache Fon. Wir Drei waren von den Wochen zuvor alle sehr erschöpft und hatten ein wenig mit der Müdigkeit währenddessen zu kämpfen. Aber es ging schon irgendwie. Spätestens als wir wieder zu Hause angekommen, noch eine Stunde mit Schwestern und Aspirantinnen Weihnachtslieder singend, durchs Wohnzimmer getanzt sind, waren wieder alle wach und so haben wir im Anschluss noch nachts um ein Uhr eine kleine Bescherung bei uns in der Wohnung abgehalten. Am nächsten Morgen ging’s um 9 Uhr dann auch wieder in die Kirche.
Ja. Das war Weihnachten dieses Jahr bei mir. Tatsächlich gar nicht so anders als in Deutschland, aber doch irgendwie etwas ganz Besonderes.
Und so wünsche ich auch euch noch eine entspannte Nachweihnachtszeit zwischen den Jahren!
Liebe Grüße in den Schnee aus Cotonou, wo man Schnee nur in Form von Papierschneeflocken aus dem Weihnachtspaket kennt.
Annika mit Weihnachtsfrisur
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