Benin Begegnen

BUNTerwegs im Westen Afrikas

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Auf den Fingerspitzen Jesu & der Lehmhüttentabernakel

Es ist inzwischen zur Routine geworden. Jeden Sonntag Morgen.

Wecker klingelt, nach fünf Aufforderungen meiner Bettnachbarin aus dem Bett wälzen, verschlafen ins Sonntagskleid schmeißen, Aufforderungen zur Hilfe beim Reißverschlusschließen sind nicht mehr nötig, dazu reicht eine minimale Geste.

Sonntagmorgende

Wenn das Wachsein schon reicht noch schnell eine Kette anlegen bevor die Füße in die schwarzen Sonntagsschuhe mit kleinem Absatz gezwängt werden und man die Wendeltreppe hinunterhuscht.

Ja. Der Gottesdienst gehört inzwischen zu meinem Alltag.

Jeden Sonntag mischen wir uns einige Minuten vor neun Uhr unter die Mädchen des Mädchenheimes und lassen uns in unseren immer gleichen Kirchenbänken nieder.

Fast jeden Sonntag beobachtet man einige Minuten nach neun die ersten Tauben auf den Händen von Jesus.

Eine dieser Tauben spricht neben französisch auch deutsch. Sie ist eine religiöse Taube auf Weltreise und hat mir einen Brief zukommen lassen:

 

Guten Tag meine lieben Freunde,

Ich schreibe euch heute aus Cotonou. Hier habe ich ein schönes Plätzchen gefunden. Direkt auf den Fingerspitzen des riesigen, hölzernen Jesu kann man sich wundervoll niederlassen um der Messe zu folgen. Ja, ihr lest richtig. Ich kann hier tatsächlich in der Kirche sitzen. Das mag euch jetzt wahrscheinlich komisch vorkommen, wo in Deutschland alle Kirchen hermetisch gegen uns verschlossen wurden. Hier haben die Wände ganz, ganz viele Löcher. Aber auch viele andere Sachen sind hier sehr anders.

Geht es auch euch so, dass ihr bei afrikanischen Gottesdiensten sofort an eine große Kirchenparty denkt? Da muss ich euch enttäuschen. Der Gottesdienstablauf selbst hat viel Ähnlichkeit mit unseren deutschen Gottesdiensten. Es sind eher die Dinge rundherum, die ihn zu etwas besonderem machen. So zum Beispiel die Musik.

Für mich ist es hier sehr einfach, mitzusingen – auch ohne Liederbuch. Denn Liederbücher gibt es hier nicht. Viele Kirchenbesucher können so wenig lesen, wie eine Taube. Die Lieder haben wenig Text, gehen schnell ins Ohr, bleiben dort hängen, bleiben dort haften. Jede Messe wird von einem Chor begleitet. Kinderchöre, Jugendchöre, Erwachsenenchöre… alle sind mehrfach vertreten. Für den nötigen Pepp sorgt außerdem ein Keyboard und ganz wichtig, ein Schlagzeug. Außerdem werden fast alle Lieder enthusiastisch mit einem Klatschrhythmus der Gemeinde begleitet und bei nicht wenigen wippt die Menge auf seinen Plätzen mit oder tanzt auf der Stelle.

Mein Lieblingstag hier ist der Sonntag. Da sind immer ganz viele Leute da. Da fängt bereits um halb acht die erste Messe an. Sie wird allerdings auf der Regionalsprache Fon abgehalten und so warte ich immer schon ganz gespannt auf die Familienmesse um neun Uhr. Noch zwei weitere Messen finden an diesem Tag jede Woche statt, die letzte ist ein Jugendgottesdienst um halb sieben abends. Alle sind immer gut besucht. Viele Kinder tummeln sich zwischen den Reihen. In den Gängen stehen oft weitere Kinder und Jugendliche mit pinken Halstüchern. Sie passen auf, dass keiner Quatsch macht während dem Gottesdienst, keiner am Handy sitzt oder zu laut ist. Es ist amüsant diese kleinen Aufpasser dabei zu beobachten, wie sie ganz ernst durch die Gänge schreiten um dann Erwachsene, die doppelt so groß sind wie sie, um Anstand zu bitten. Auch gibt es eine weitere Gruppe von Kindern und Erwachsenen mit grünen Schärpen. Sie stellen mit strengen Blicken die Körbe zur Kollekte auf, zu welcher man hier aufsteht und die man in einen der in der Kirche verteilten Körbe wirft. Und zwar in jeder Messe mindestens zwei mal. Dazwischen wird die Summe der Kollekte der verschiedenen Messen der Vorwoche verlesen. Hört sich für dich gerade nach zu vielen Kollekteanfragen an? Dann darfst du statt Kollekte gerne auch hier spenden und eine der drei jungen „Yovos“ (Weiße), die jeden Sonntag aus den Besuchern der Familienmesse herausstechen, bei ihrem Freiwilligendienst unterstützen.

Neben der Kollekte erheben sich die Leute hier von den hölzernen, einfachen Kirchenbänken, wie in Deutschland, zur Kommunion. Ich habe einmal eine meiner Nachbartauben gefragt, warum hier aber nur ein sehr kleiner Teil der Gemeinde diese entgegennimmt. Sie hat mir erklärt, dass man drei Jahre die Katechese besucht haben muss um hier die Hostie zu bekommen. Für mich ein sehr fremder Gedanke.

Ich liebe es, die bunten Stoffe und Kleiderschnitte der Menschenmenge unter mir zu betrachten und hole mir dort oft Inspirationen für eigene Kleider.

Und alle tragen ihre besten Schuhe.

Die fein gearbeiteten Kirchenfenster mit Beschreibung und die durchbrochene Wand

Aber auch die bunten Kirchenfenster an den Wänden gefallen mir. In Ihnen sind die verschiedenen Stationen des Kreuzweges abgebildet und es gibt je eine Beschreibung auf französisch und eine auf Fon unter jedem Bild. Etwas ganz besonderes in jeder Kirche her ist der Tabernakel. In Form einer runden, mit Stroh gedeckten Hütte repräsentiert er die traditionelle Bauweise beninischer Dörfer.

Es wundert mich, dass es nur selten zu heiß wird im Kirchenraum. Aber schließlich gibt es neben der durchlöcherten Wand, massenweiße Lüftungsschächte und vor allem viele, viele Ventilatoren.

Weihnachtlich geschmückter Kirchenraum mit meterlangen Stoffbahnen

Die Kirche selbst hier ist sehr,sehr breit, aber verglichen mit deutschen Kirchen dieser Größe, sehr schlicht. Kein Gold zu sehen, vor großen Festen wird die ganze Kirche dafür mit langen, einfarbigen Stoffbahnen geschmückt. Für jedes Fast andere Farben.

Bevor ich mich am Ende der Messe wieder von den Fingern Jesu erhebe und durch ein Loch in der wand nach draußen fliege, gibt es zum Gottesdienstende immer noch eine Art mündliches Kirchenblättle. Informationen aus Gemeinde und Pfarrei werden an die Besucher übermittelt, da die Kirche hier der Ort ist, an dem man die meisten Menschen mit Nachrichten erreichen kann. Finde ich ein interessantes System.

Ich könnte jetzt noch weitererzählen über tägliche Rosenkranzgebete mit den Schwestern, Lesungen im Mädchenheim und Gebete auf jeder Autofahrt, aber so langsam reicht es. Wer Interesse hat, darf sich gerne melden.

Ansonsten wünsche ich euch eine schöne Zeit und (sollte ich meine Pläne nicht einhalten) schon jetzt allen , die sich der Don Bosco Familie zugehörig fühlen – besonders meinen Mitfreiwilligen auf der ganzen Welt- ein wunderschönes Don-Bosco-Fest. Seid fröhlich, tut Gutes und lasst die Tauben gurren. Und wenn euch eine religiöse Taube auf Weltreise begegnet, richtet ihr schöne Grüße von mir aus.

Annika

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