„Reflektion ist so wichtig um nicht auf einer Stelle stehen zu bleiben“

Stille! Gerade in der Vorweihnachtszeit eher ein Fremdwort für viele. Und auch ich war oft eher gestresst, als still und gedankenverloren um mich auf das bevorstehende Fest vorzubereiten. Aber wie ihr ja schon wisst, ändert sich dieses Jahr vieles für mich und ich kann die Vorweihnachtszeit eher gechillter und ruhiger angehen. Und diese „Stille“ hat mich zur Selbstreflektion angeregt und diese möchte ich mit euch in diesem sehr persönlichen Blogeintrag teilen.  

Heute vor zwei Wochen sind Kira und ich nach langem hin und her mit 23 Lehrkräften zusammen in ein spannendes und gebetreiches, aber auch schockierendes Wochenende gefahren. Das sogenannte „Retreat-Wochenende“ stand an. Ich gehe stark davon aus, dass ihr euch nicht ganz so viel unter diesem Namen vorstellen könnt. Glaubt mir, ich konnte mir am Anfang auch echt wenig darunter vorstellen, dass was uns dann aber erwartet hat, war weit von meinen Vorstellungen entfernt. Was soll ich sagen, innerhalb dieses Wochenendes war ich eher geschockt, gelangweilt und einfach nur sauer auf gewisse Dinge und ich danke hier nochmal meiner Mama und meiner besten Freundin Nina, die sich minutenlange Sprachnachrichten anhören mussten, auf den ich sauer, genervt und einfach nur enttäuscht war.
Als kleine Beschreibung für euch. Mein Wochenende bestand aus vielen Gebeten und Eucharestiefeiern, dem Analysieren und Interpretieren von Bibelstellen und der Diskussion ob Jesus, der Heilige Geist und Gott nun eine oder drei „Gottheiten“ sind. Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne mal zur Kirche gehe und ich in Gott einen Ansprechpartner, sowie Erklärungen für gewisse Dinge sehe. Der weiß aber auch, dass mich lange Gespräche über die Bibel eher weniger interessieren und ich vor allem das Beschwören des Heiligen Geistes eher für Unsinnig ansehe. Ja und dann bin ich auf ein Wochenende gefahren, indem wir über diese Themen viereinhalb Tage von 6:30 Uhr bis 21:00 Uhr geredet habe. Für mich eher frustrierend und verstörend als Hilfreich und schön.
Aber was soll ich sagen, irgendwie haben mich diese Tage doch ein bisschen positiv verändert, auf was für eine Weise ist mir selber leider immer noch nicht bewusst.

Durch die Ferien ist es eher still um uns. Keine Schulkinder, die einem lachend entgegenlaufen und keine GART-Girls, die sich über jede Ablenkung von der Schule oder ein Gespräch mit uns freuen. Und diese Stille gibt mir Zeit mich selber zu reflektieren, mir Fehler einzugestehen, Momente zu verinnerlichen und diese wunderbare Zeit, die vergangen ist, zu verarbeiten. Und glaubt mir, mein Körper verarbeitet gerade mehr als viele Ereignisse. Meine Träume werden immer spannender, skurriler und reeller. Wie oft Kira und ich jetzt morgens zusammensaßen und wir über meine Träume gelacht und philosophiert haben. Wie oft ich mich Frage, warum mein Geist jetzt Situationen aus dem Sommer mit Situation von hier verknüpft und wie oft muss ich lachend meine Besten Freundin von meinen Träumen erzählen. Ja man kann sagen, mein Körper verarbeitet und reflektiert die letzte Zeit. Und auch mein Bewusstsein reflektiere viel die Monate und erkennt, wie ich mir doch verändert habe. Nicht nur körperlich, indem meine Haare glänzender, die Haut schöner und das Gewicht weniger geworden ist. Nein auch mein Bewusstsein hat sich mehr als geändert.
Wie mich stressige Situationen früher fertiggemacht haben, hat man vor allem an meiner schlechten Laune und körperlichen Symptomen, wie Kopfschmerzen, anhaltenden Erkältungen und unruhigen Verhalten erkannt. Und nun ist Stress für mich immer noch ein Thema, aber ich habe gelernt damit umzugehen. Wie sagt man so schön, „du musst das Leben tanzen“ und was soll ich sagen es stimmt. Vor allem die Kinder haben mir gezeigt, dass Tanzen einen von schlechter Laune befreit, einen Sorgen und Nöte vergessen lässt und der Stress einfach von einem abfällt. So trifft man mich ziemlich oft tanzend, singend und mit guter Laune an und sehr selten mit schlechter Laune, die oft durch nicht eingehaltene Meetings oder Strom- und Wasserausfällen entsteht. Kommt es doch mal dazu, dass ich schlechte Laune habe oder frustriert bin und die Tanzerei hilft nicht, merke ich oft spätestens am nächsten Tag, dass ich mir umsonst Sorgen und schlechte Laune gemacht habe und sich alles zum Guten ändert. Außerdem wird mir immer mehr bewusst, dass meine Sorgen und Probleme eigentlich keine sind. Was ist schon ein versäumtes Meeting oder ein nichtankommendes Weihnachtspacket, gegen täglichen Hunger, den Verlust einer ganzen Familie oder keinen Zugang zu sauberen Trinkwasser. Diese Probleme leiden so viele Menschen in dieser Welt und ich habe wegen so Kleinigkeiten gleiche schlechte Laune.
Und damit komme ich zu einem weiteren Punkt, der mich hier zum Nachdenken gebracht hat. Warum gibt es eigentlich so viele großen Unterschiede zwischen Schwarz und Weiß. Und damit meine ich genau was ihr vielleicht gerade denkt. Wieso wird der „Weiße Mensch“ immer als wohlhabend und so besonders bezeichnet und der „Schwarze Mensch“ als arm und weniger Wert? Jeder ist doch gleich und sollte die selben Privilegien in der Gesellschaft bekommen. Und gerade in der letzten Zeit wünschte ich mir, ich wäre nicht in einer wohlhabenderen Familie aufgewachsen und wäre stattdessen als dunkel häutiges Mädchen in einer ärmeren Familie aufgewachsen. Dann hätte ich vielleicht nicht erst mit achtzehn Jahren gemerkt, dass ich mehr als schöne Privilegien genießen kann und sich doch einiges in der Gesellschaft ändern sollte.
Ja Veränderungen in der Gesellschaft sind für mich gerade ein großes Thema, vor allem im Bezug auf den Klimawandel. Hierbei reflektiere ich mich auch selbst. Auch ich war kein Unschuldslamm. Ich bin lieber Auto gefahren, statt Fahrrad, habe nicht so extrem auf meinen Plastikverbrauch geachtet und wäre auch lieber geflogen, als mit der Bahn einen längeren Zeitraum und wahrscheinlich auch noch mit Verspätung unterwegs zu sein. Doch hier spüre ich die Auswirkungen des Klimawandels schon ziemlich stark. Durch die enorm hohen Temperaturen und den geringen Niederschlagswert leiden in Sambia und vor allem in dem Nachbarland Zimbabwe viele Menschen an Hunger und Wasserknappheit. Und das nur, weil ich mal wieder schneller und komfortabler an einem Ort sein wollte? Eigentlich schade. So hat sich mein Bewusstsein auf die Umweltverschmutzung in großen Teilen geändert und ich versuche auch mehr für den Umweltschutz zu tun. Vielleicht konnte ich ja dadurch auch den ein oder anderen zu einem kleinen Umdenken verhelfen.

Einer der größten Veränderung hat allerdings mein Glücksempfinden durchgemacht. Auch damals schon habe ich mich gefreut Menschen zum Lachen zu bringen oder gemeinsam mit ihnen Zeit zu verbringen. Aber ihr glaubt gar nicht, wie Kinderaugen strahlen können nur, weil ihr sie umarmt habt oder ein High-five verteilt habt. Und genauso welche Momente machen mich glücklicher denn je. Des Weiteren habe ich hier leider von so vielen schrecklichen Schicksalsschlägen gehört, dass es mich mehr als Glücklich macht, dass in Deutschland meine wunderbare Familie gesund und glücklich auf mich wartet und mich in jeder Situation unterstützen. Und das so wunderbare Menschen zu meinem Freundeskreis zählen, bestärkt mich täglich glücklich in den Tag zu starten. Was mich allerdings am meisten Freud ist, dass ich selber, aber auch der überwiegende Teil meines Umfeldes Gesund ist.

Wow, jetzt habe ich erstmal selber gesehen, wie viel mich doch beschäftigt und wie viel Glück ich im Leben hatte. Und mir wird gerade bewusst, dass sich auch mein Ziel mit dem ich hier geflogen bin, geändert hat. Ich bin hier um mich selber zu entwickeln und nicht um eine Gesellschaft zu verändern, denn das kann ich nicht alleine. Aber ich kann Einblicke in eine andere Kultur erlangen und so meine eigene Lebenseinstellung überdenken und meine Gefühle und Gedanken mit anderen Menschen teilen. Und genau das finde ich eigentlich viel schöner.
Damit ist ein emotionaler und sehr persönlicher Blogeintrag vorbei und ich freue mich, dass ihr es bis hierher ausgehalten habt. Ich hoffe, ihr konntet ein paar Einblicke in meine Gefühls- und Gedankenwelt bekommen und reflektiert euch auch ein bisschen, gerade im Bezug auf das bevorstehende neue Jahr. 🙂

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  1. Torsten Bethke

    Liebe Wiebke, es ist beeindruckend, wie aus einem Baby, einem Kind, einer Jugendlichen ein Erwachsener wird der sich aktiv am Leben beteiligt.
    Ich bin schon sehr gespannt, wenn wir im April bei einem Besuch in Sambia einen kleinen Eindruck von deinem neuen Leben bekommen.
    Ich freue mich mit DIR Papa

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