tango time

Ein argentinischer Blog aus San Juan

Über die Anden ans Meer – von San Juan nach Valparaíso

Weihnachten heißt, dass die Schule über die Sommerferien erstmal geschlossen ist und wir auch schon Urlaub haben. Deshalb schlossen wir (Jakob und ich) uns mit den Volontären Martha und Simon aus Santiago del Estero zusammen, um unsere erste Reise zu unternehmen. Nach einem Tag zusammen in San Juan ging es für uns mit dem Bus nach Mendoza.

Mendoza

Martha und Simon schafften es noch, in Santiago del Estero Karten für das Finale des argentinischen Pokals zu erlangen. Somit machten wir uns noch am ersten Tag auf den Weg ins Stadion, um 90 Minuten Fußball zwischen Central Córdoba (Team aus Santiago del Estero) und River Plate (mit Boca Juniors bekanntestes Team aus Argentinien, aus Buenos Aires) zu erleben. Am Stadion angekommen, stießen wir zunächst auf eine Masse „santiagueños” (Santiago del Esteros Einwohner), die nur darauf warteten, ihr Team endlich anfeuern zu dürfen.
Die Fans mussten sich jedoch noch etwas gedulden. Polizisten, teilweise auf Pferden, bemühten sich um die Kontrolle der Menschenmenge, damit der Einlass geregelt ablaufen konnte. Die Polizisten wurden mit Schimpfwörtern wie „puto“, „la concha de tu madre“ oder „hijo de puta“ überhäuft. Die „Schimpfwortrate“ minimierte sich auch nicht nach dem Anpfiff des Spiels. Im Gegenteil. Man überhört sie jedoch mit der Zeit, denn die Stimmung umfängt einen, hält einen fest. Und sie ist atemberaubend. Die Fans beider Teams feuern ihre Spieler mit allen Mitteln an. Dass die River-Fans mit Abstand in der Mehrheit sind, macht dabei nichts aus.


Kurzfassung des Spiels:
Erste Halbzeit rustikal. In argentinischer Manier wird auch gut und gerne mal ein ein- oder beidbeiniges Einsteigen mit gestrecktem/n Bein(en) nicht gepfiffen. Zwischenstand 1:0 für River.
Pause: In den 15 Minuten beschimpfen sich die Fans der verschiedenen Mannschaften aus der Ferne. Die „Schimpfwortrate“ steigt nochmal exponentiell.
Zweite Halbzeit: Das Spiel wird etwas unterhaltsamer. Die Favoriten lassen sich den Sieg jedoch nicht nehmen. Endstand 3:0 (hier die Zusammenfassung des Spiels: https://www.youtube.com/watch?v=3m3RD6lOMwA&t=326s ).

Nachdem wir am nächsten Tag die Stadt und Umgebung etwas genauer erkundeten, besuchten wir am dritten Tag eine „bodega“ (Weinkeller). Da die Provinz Mendoza weltweit für ihren Weinanbau bekannt ist, blieb uns eigentlich auch gar nichts anderes übrig. Mit einer Straßenbahn fuhren wir schließlich zur nächstgelegenen „bodega“. Nach einer Führung durch den ganzen Weinkeller ging es dann zum lang ersehnten Teil des Ganzen: die Weinprobe. Mit einem dort kennengelernten Deutschen aus Mannheim probierten wir schließlich den ein oder anderen Wein. Zunächst noch leicht beschwipst verbrachten wir den restlichen Tag gemeinsam, bevor es am nächsten Tag über die Anden nach Chile ging.

Weinkeller

Die knapp acht Stunden Fahrt mit dem Bus lohnen sich für den Ausblick.

Santiago de Chile

Santiago besichtigten wir die meiste Zeit in Begleitung eines Mexikaners aus Guadalajara, den wir im Hostel kennengelernt hatten. Die Mischung aus alternativen Vierteln mit viel „street art“, ärmeren Vierteln mit Menschenmassen, die an tausenden von Ständen Essen, Kleidung etc. kaufen oder verkaufen und dem Zentrum, das man sich auch in Madrid vorstellen könnte, machen die Stadt äußerst interessant. Und die jetzige Lage in Chile macht sie zugleich spannungsgeladen. Dieser Blog hat keinen politischen Auftrag, aber man kommt hier an der Politik nicht vorbei. Man wird den ganzen Tag in der Stadt damit konfrontiert: Viele Kirchen, Plätze, Statuen, normale Häuser oder auch Museen sind mit Parolen, mit Graffiti besprüht. Diese richten sich vor allem gegen Polizei und den Präsidenten Sebastián Piñera. Auch Graffitis mit feministischen Parolen und Idealen tauchen vermehrt auf.

Das „Museo Nacional de Bellas Artes“ mit Graffiti bessprüht
„mörderische Regierung“

Straßenhändler verkaufen Tücher mit revolutionären Sprüchen, aber auch Helme, Schutzbrillen und Gasmasken. Diese dienen zum Schutz gegen die Tränengasangriffe und Wasserwerfer der Polizei. Der Polizei wird eine repressive Vorgehensweise bei den Demonstrationen vorgeworfen. Viele Demonstranten verloren durch den Einsatz von Gummigeschossen ihre Sicht auf einem Auge einige wenige auch auf beiden.

Tücher zum Verdecken des Mundbereiches (Bsp.: das Tuch mit dem weißen Stern auf schwarzem Hintergrund soll die Flagge der Revolution Chiles darstellen)

Alles begann, als die Kosten für die U-Bahn-Tickets Mitte Oktober erhöht wurden. Daraufhin brachen die Proteste aus. Seitdem finden jeden Tag Demonstrationen auf der Plaza Italia (auch Plaza Baquedano genannt, im Laufe der Proteste zu „Plaza de la Dignidad“(„Platz der Würde“) umgetauft) statt und erstrecken sich über den danebenliegenden Park vermehrt Richtung Westen. Meist beginnen die Demonstrationen gegen 18 Uhr und enden so gegen 22 Uhr, was man jedoch nicht so pauschal sagen kann. Freitags gelangen sie dann schließlich an ihren Höhepunkt und noch mehr Menschen beteiligen sich (24 Stunden Live-Übertragung mit Kamera auf die „Plaza Italia“ gerichtet: https://www.youtube.com/channel/UC4GOcOKkEefz5NamN4WyMFg ).

Plaza Italia

Protestiert wird vor allem gegen die ungerechten Gesundheits-, Bildungs- und Rentensysteme. Wenn man mit Einheimischen über die Lage des Landes spricht, merkt man richtig den Frust, den sie verspüren. Viele meinen auch, dass die Regierung bei den Demonstrationen Menschen infiltriert, die daraufhin gezielt Unruhe verbreiten und dadurch Ausschreitungen zwischen Bürgern und Polizei bewusst provozieren. Man traut der Regierung und Staatsmacht alles zu. Das Vertrauen ist weg.
Die insgesamt vier Tage, die wir in Santiago verbracht haben, reichen für mich nicht aus, irgendein Fazit zu ziehen. Die Eindrücke, die ich in der Zeit gewonnen habe, sind zwar sehr interessant, machen mich jedoch auch traurig zugleich.

„Wie lange wird das alles noch gehen?“ frage ich einen Taxifahrer. „Das ist erst der Anfang“ erwidert er.

Valparaíso

In Valparaíso bekamen wir nicht so viel von den Protesten mit, was auch daran lag, dass unser Hostel weiter vom Versammlungsort entfernt lag.
Die vielen Gassen und die allgegenwärtige „street art“ verleihen der Stadt einen malerischen Stil. Die direkte Nähe zum Meer (Pazifik) und die vielen Hügel erinnern an die portugiesische Hauptstadt Lissabon. Die Stadt ist wirklich schön.

* unten rechts: Simons Kopf

Nach fast drei Tagen Aufenthalt fuhren wir für eine Nacht zurück nach Santiago, ehe wir uns am darauffolgenden Tag auf den Weg nach San Juan machten.
Gerade mal an der Grenze angelangt, spürte man schon direkt das argentinische Flair: zweieinhalb Stunden Aufenthalt wegen Einreise und Gepäckkontrolle. Da hilft nur siesta.
Nach vielen neuen Eindrücken in zehn Tagen verabschiedeten wir uns von Martha und Simon. Jakob und ich sind nun wieder zurück im ruhigen San Juan.

Ich wünsche allen schöne Weihnachtsfeiertage.
Bis zum nächsten Jahr.

Saludos
Luis


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  1. Fabian Betz

    Sehr spannende Blogs die du schreibst :),
    Freue mich schon auf die Nächsten. Genieß deine freien Tage.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Fabi 🙂

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