Ich kann nicht ganz glauben, dass ich bereits seit drei Monaten wieder in Deutschland bin. Ihr habt richtig gelesen, ich befinde mich wieder in Deutschland. (Wer es noch nicht mitbekommen hat)
Denn ich musste meinen Freiwilligendienst Ende März abbrechen. Diese letzten zwei Wochen in Bolivien waren ziemlich nervenaufreibend und durcheinander.

Aber jetzt mal von vorne.
Ende Februar bin ich vom Zwischenseminar und einigen Tagen Urlaub wieder nach Bolivien zurückgekehrt und war motiviert neue Sachen auszuprobieren. Ich wollte hin und wieder über meinen eigenen Schatten springen, um die nächsten sechs Monate mindestens genauso spannend zu gestalten, wie die ersten sechs.

Doch dann kam eben alles anders. Ich war noch keine ganzen zwei Wochen wieder in Bolivien, als am Abend des 11.März Corona offiziell auch in Bolivien ankam.
An diesem Abend, als ich mit den anderen Volontären vor der Haustür saß, kam Philipp von der Arbeit und erzählte, dass es die ersten zwei Fälle von Corona nun in Bolivien gäbe. Zwei Personen, die anscheinend kurz vorher in Italien gewesen waren.
Das war natürlich keine so schöne Nachricht, aber wir dachten uns nicht viel dabei.
Am nächsten Tag, aber noch während der Arbeit, bekamen wir mit, dass die bolivianische Regierung alle Flüge von und nach Europa streichen wollte. Diese Schließung sollte bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag in Kraft treten.

Weil gerade auch die zwei Niederländerinnen, Famke und Eva, die mit uns bis Anfang Februar gelebt hatten, wieder in Bolivien waren, unterstützten wir diese in ihrer Suche nach einem früheren Flug raus aus Bolivien. Sie hätten eigentlich erst in der Woche darauf in die Niederlande zurückkehren wollen. Das wurde jetzt leider alles nach vorne verschoben, da bereits andere südamerikanische Länder, Grenzschließungen angekündigt hatten.

Hanna, Gabriel, Philipp und ich haben uns darüber aber keinen Kopf gemacht. Zumindest nicht was unsere Ausreise und unseren eigenen Rückflug anging. Schließlich war der erst auf den 19. August gebucht und bis dahin, waren wir uns sicher, würde es wieder Flüge nach Europa geben.

Leider ging es dann echt Schlag auf Schlag. Kaum, dass wir Famke und Eva verabschiedet hatten, kam am nächsten Tag der Verdacht auf, dass ein Spanier, der erst kürzlich davor in Spanien gewesen war, und mit uns im Volohaus wohnte, Corona haben könnte.
Für uns war es dann an zu entscheiden, ob wir auf Risiko gehen und trotzdem arbeiten oder lieber im Haus bleiben und auf das Ergebnis des Tests warten. Wir entschieden uns für Letzteres und waren somit drei Tage in freiwilliger Quarantäne. Wie sich herausstellte, hatte der Mann Dengue, was ähnliche Symptome aufweisen kann wie Corona. Deswegen gingen wir am Dienstag ganz normal wieder in die Arbeit.

Doch sowohl Hanna als auch ich gingen an diesem Tag nur mit schwerem Herzen in die Arbeit. Es hatte sich über das Wochenende hin bereits angebahnt, aber erst am Dienstag in der Früh bekamen wir die endgültige Nachricht:

Außenminisiter Heiko Maas verkündete am Dienstag, den 17.3.2020, die weltweite Rückholaktion für gestrandete Deutsche im Ausland. Damit einher kam die Nachricht vom BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), dass die starke Empfehlung zur Rückholung der weltwärts-Freiwilligen, geändert wurde, in einen allgemeinen Abbruch aller weltwärts-Freiwilligendienste.

In der Arbeit gaben wir uns normal und hatten auch eine Menge Spaß, es tat gut wieder etwas zu tun und nicht den ganzen Tag nur im Haus zu sitzen.
Allerdings kam kurz vor der Merienda, Gabi, um uns zu holen. Wir mussten besprechen, ob wir versuchen noch selber einen Flug zu buchen, um wieder nach Deutschland zu kommen (das wäre dann über Brasilien gewesen) oder ob wir auf den Regierungsflieger warten, der kommen sollte.
Die Diskussion zehrte ziemlich an den Nerven und zu einer wirklichen Entscheidung kamen wir nicht. Deswegen gingen Hanna und ich wieder in die Arbeit und genossen die Zeit noch.
Als wir dann wieder nach Hause kamen, bedrückt und unsicher, was wir jetzt tun sollten, erreichte uns die Nachricht, dass Bolivien die Grenzen komplett schließen wollte. Damit fiel uns die Entscheidung dann leicht, was zu tun sei. Wir wollten bleiben, bis der Regierungsflieger kam, da wir es nicht riskieren wollten, in Sao Paulo festzusitzen oder dann am Flughafen zu stehen und zu erfahren, dass der Flug nicht stattfindet.

Also versuchten wir die Zeit im Hogar so gut es ging noch zu genießen und zu nutzen. Wir wussten schließlich nicht wann der Flieger kommen würde und wie viel Zeit uns dann noch blieb, um uns zu verabschieden.

Alle ganz flelißig am Ausstechen

Diese Unwissenheit, wann es wirklich zu Ende war, zehrte bei allen an den Nerven und besonders Hanna und ich verbrachten fast jede freie Minute noch im Hogar, spielten und redeten mit den Kids. Es war unglaublich schön.
Dazu kam noch, dass in Santa Cruz eine Quarantäne angekündigt worden war, weshalb keine Micros (Busse) oder Taxis fahren würden. Also beschloss man im Hogar für die nächsten Tage „modo campamento“ zu machen. Das bedeutete, dass einige Erzieher im Hogar schlafen würden und den ganzen Tag für die Jungs da sein würden und erst nach einigen Tagen wieder getauscht werden sollte.

Gemeinsam Kekse backen macht Freude

Wir Volontäre setzten uns also jeweils mit den Erziehern an einen Tisch, um die Tage zu planen mit Hausaufgabenzeit, Spielen und anderen besonderen Aktionen wie einem „maratón de peliculas“ (Filmemarathon) oder auch Pizza und Kekse backen.
Die nächsten Tage machten jeder einzelne mega viel Spaß mit den besonderen Aktionen. Allerdings hing über allem die dunkle Wolke der nahenden Abreise ohne zu wissen, wann genau.

Konzentration!! Und so schöne Kekse!
Konzentration ist gefragt, die Kekse sollen schließlich schön werden!
Y salió bien! – Kekse sind gelungen! 🙂
Zusammen Pizza backen – kneten, schön kneten
Kneten, nochmal schön kneten!
Das Beste zum Schluss – die beste Pizza ever
Zusammen spielen
Super Team

Am Dienstag, den 24.März, bekamen wir dann die endgültige Nachricht vom Auswärtigem Amt: Am Freitag, 27. März, sollte es einen Flieger von Santa Cruz nach Frankfurt geben!
Meine Gefühle dabei waren zwiegespalten, denn einerseits, wusste ich endlich, wann ich gehe muss. Auf der anderen Seite wollte ich natürlich noch da bleiben und weiterarbeiten. Gerade in dieser stressigen Zeit mochte ich meine Arbeit super gerne. Ich bekam so viel zurück von den Jungs, bzw. achtete mehr darauf.

Kleine Erinnerungen

Aber der Tag des Abschieds vom Hogar kam, wie immer, schneller als gedacht! Wir hatten Gott sei Dank noch genügend Zeit gehabt, um einen kleinen Abschied vorzubereiten und machten am Abend für das gesamte Hogar Popcorn und Hot Dogs. Die Hot Dogs gab es als zweites Essen zum Abendessen und das Popcorn verteilten wir während eines Videos, dass Hanna und ich aus Bildern zusammengeschnitten hatten, um den Jungs und uns zu zeigen, was wir alles miteinander erlebt hatten.
Wir schauten es gleich zweimal und im Anschluss liefen wir alle gemeinsam nach oben, wo das Chaos dann richtig anfing!

Gemeinsam Video schauen

Denn wir hatten versprochen, zu jedem Jungen ans Bett noch zu kommen und Gute Nacht zu sagen, ganz individuell. Das dauerte natürlich eine ganze Zeit bei 36 Jungs. Verlängert wurde das ganze immer wieder dadurch, dass man unterbrochen wurde, entweder von Jungs aus der Juvenil (also von den Älteren), die sich auch verabschieden wollten oder auch von anderen Kleinen, die Geschenke geben wollten.
Hanna und ich waren erst um 11.15 fertig mit allen Schlafsäälen und verließen das Hogar um 11.30. Es war ein unglaublich langer Abend, aber auch unglaublich schön.
Er hat mir gezeigt, wie sehr mir die Jungs ans Herz gewachsen sind, wie sehr aber auch sie mich zu schätzen gelernt haben. Denn obwohl sie nicht viel haben, haben alle nach Dingen gesucht, die sie uns schenken können, als Erinnerung oder Abschiedsgeschenk.

Der nächste Tag startete erst einmal ganz in Ruhe. Wir hatten mit unserem Koordinator Paolo ausgemacht, dass er uns, um zwei abholen wollte, um uns rechtzeitig an den Flughafen zu fahren. Also planten wir ein gemütliches Frühstück mit den letzten Empanadas und im Anschluss noch einen Hausputz zu machen.
Diese Pläne wurden allerdings über den Haufen geworfen, als Paolo um 10.40 in der Tür stand und meinte, wir hätten noch 20 min zum fertig werden, da er keine Erlaubnis hätte nach 12 noch mit dem Auto zu fahren und wir somit nicht mehr zum Flughafen kämen. (In Bolivien bedeutet die Quarantäne, dass alles zu hat bis auf die Märkte und Supermärkte für Essen und auch diese nur von 7 bis 12 Uhr vormittags von Montag bis Freitag. Den Rest der Zeit darf man das Haus nicht verlassen, außer man hat eine spezielle Erlaubnis)
Also mussten wir alle ganz schnell noch unser Zeug zusammenpacken und stiegen zu acht mit unserem ganzen Gepäck in einen Wagen ein, der normalerweise zwar für 7 Personen ausgelegt war, allerdings ohne mehr Gepäck als einen kleinen Rucksack.

Ein bereits volles Auto – fehlen nur leider die Leute noch 😉
Ah, da sind sie ja!
Am Flughafen angekommen

Es war eine ziemliche enge Angelegenheit die Autofahrt, aber zum Schluss kamen wir am Flughafen an, wo es aber erst einmal hieß: warten. Denn nach unseren Informationen sollte der Flug erst um 11 Uhr in der Nacht gehen. Wir waren fast 12 Stunden zu früh.
Schnell kam jedoch die Nachricht, dass er vorverlegt worden sei auf 19.30. Das hieß aber noch lange nicht, dass wir einfach nur aufs Einchecken warten mussten, um dann in den Flieger zu steigen.

Am Flughafen angekommen

NEIN! Zuerst hieß es, warten im Sitzen, dann warten fürs Einchecken. Allerdings war das, besonders für mich, noch einmal ziemlich nervenaufreibend. Denn bis wir eincheckten und unsere Bordkarte hatten, konnten wir uns nicht sicher sein, dass wir mitkommen würden. Es gab keine Informationen wie groß das Flugzeug war, wie viele Personen bereits eingecheckt hatten, da es eine Gruppe aus La Paz und Cochabamba gab, die nach Santa Cruz geflogen worden war und deswegen bereits eingecheckt hatte. Noch hinzu kam, dass alle Personen am Flughafen in drei Gruppen unterteilt wurden. Die erste bestand aus Leuten auch aus Cochabamba, die allerdings mit dem Bus gebracht worden waren, die zweite aus Leuten in der Risikogruppe (Kranke und Leute über 60) und die dritte aus allen anderen, also Freiwilligen und Touristen.

Warten, ob wir mitgenommen werden

Wir standen also in der letzten Gruppe und sahen zu wie Mensch um Mensch eincheckte ohne zu wissen, ob noch Platz im Flugzeug wäre.
Ich war ein nervliches Wrack und konnte erst wieder ein wenig hoffen, als der Botschafter verkündete, dass eine vierte Gruppe gemacht werden sollte, bestehend aus weltwärts-Freiwilligen. Wir mussten einen Beweis vorweisen können, dass wir auch über weltwärts entsand worden sind und konnten dann nach der Risikogruppe einchecken. Danach nur noch die Flughafengebühr bezahlen und dann machten wir uns langsam auf den Weg zur Sicherheitskontrolle.
Wir waren eine der letzten und kurz nachdem wir alle endlich im Flugzeug saßen, war es startbereit und hob ab.

Das Flugzeug, ganz klein (ist ja nur zweistöckig, mit 450 Plätzen
Es geht los, auf wieder nach Deutschland

Mit diesem letzten Blick über Santa Cruz wurde für mich erst wirklich klar, dass mein Dienst in Santa Cruz vorbei ist, dass es zurück in die Heimat geht und ich nicht so schnell nach Bolivien zurückkehren würde können.

Der Flug an sich war ruhig ohne große Turbulenzen und zum Schluss erreichten wir Frankfurt nach nicht einmal 12h. Bis wir allerdings den Flughafen verließen, dauerte es noch fast 2h. Denn bei 450 Personen in einem Flugzeug bedeutet das eine Menge Gepäck und da lässt das eine oder andere schon etwas auf sich warten.
Dann war der Moment des Abschieds gekommen, ein sehr komisches Gefühl nach sieben Monaten zusammenleben wieder getrennte Wege zu gehen. Doch jeder ging alleine mit seiner Familie zum Auto, wo wir das letzte Stück des Heimwegs antraten.

Das letzte Mal zusammen – Es war eine unglaubliche Zeit zusammen!
Danke dafür!