Wie sicher viele bereits mitbekommen haben- mittlerweile berichten auch die deutschen Nachrichten darüber – wählten die Bolivianer am Sonntag, den 20.Oktober 2019 einen neuen Präsidenten.
Das ist jetzt bereits über zwei Wochen her, warum also darüber berichten?

Nun ja, zuerst einmal laufen die Wahlen in Bolivien nicht ganz so ab wie bei uns. Erstmal waren 72h vorher alle Bars und Clubs geschlossen und es durfte kein Alkohol mehr ausgeschenkt werden. Etwas doof, wenn man dann mit dem Taxi in die Innenstadt fährt und merkt, dass der Trip umsonst war, da alles geschlossen hat.
Donnerstagabend ging es also schneller ins Bett als geplant für uns alle.
Ansonsten gab es aber keinerlei Probleme bis zu den Wahlen. Am Sonntag fuhren dann nur keine Busse, weshalb viele Leute ihre Fahrräder rauskramten und diese am Samstag noch schnell überholen liesen.

Sonntag, der Tag der Wahl, war dann sehr ruhig, es durften nur Autos mit Erlaubnis fahren und sonst sah man viele Leute laufen, Fahrrad oder Motorrad fahren. Ziemlich ungewohnt, wenn die Straßen normalerweise so voll mit Autos sind, dass die Überquerung einer Straße teilweise einem kleinen Abenteuer gleicht ;).
Um 6 Uhr am Abend ging es aber bereits langsam wieder über zum Normalbetrieb und Montag und Dienstag waren auch sehr ruhige und normale Tage. Wir hatten zuerst befürchtet, dass es Proteste geben könnte, aber wir haben nichts mitbekommen.

Doch dann kam am Dienstag die Nachricht: Ab Morgen gibt es einen Generalstreik in Santa Cruz und es werden keine Micros (Busse) mehr fahren, keine Geschäfte mehr offen haben und wir sollten uns mit Lebensmitteln eindecken.
Was wir auch gemacht haben. Insgesamt sind wir vier mal zum Mercado gleich nebenan gegangen, um alles ins Haus tragen zu können. Wir waren also eingedeckt, der Streik konnte beginnen.

Und dann war Mittwoch, die Straßen waren wieder wie leergefegt und die Leute die unterwegs waren, fuhren Fahrrad. Autos bekam man fast keine zu Gesicht.
Neu waren außerdem die Straßenblockaden. Am Sonntag hatte die Polizei für die Wahlen bereits ihre Blockaden errichtet, aber am Abend wieder abgebaut, jetzt jedoch wurden die Blockaden von den Einwohner von Santa Cruz aufgebaut. Was sich teilweise als ziemlich kreativ erwies. In der Straße vom Hogar liegt einmal ein Baum mitten auf der Straßen, an anderen Orten dagegen Steine, Seile die quer über die Straße gespannt wurden oder auch Matratzen, alte Möbel, Äste, einfach alles, was die Leuten gefunden haben.

Auf dem Weg zur Arbeit
Weiter draußen im 4. Ring
Alles was die Leute finden konnten – alte Autoreifen, Müll, ….
Mal eine etwas besser funktionierende Straßenblockade
Leere Straßen wo man hinsieht
Noch mehr Leere

Seitdem hat sich an der Situation nicht viel verändert. Der Streik dauert weiter an und wann er endet weiß keiner.
Lebensmittel bekommt man auch – anders als gedacht – relativ einfach. Der Mercado neben unserem Haus hat jeden Tag bis 12 Uhr geöffnet und kleinere Läden haben auch noch später offen. Also war der Wocheneinkauf an Lebensmittel gar nicht so nötig, wie wir gedacht haben.

Was allerdings schon anders wie normal ist, sind die Böller, die man in der Nacht hören kann. Immer wieder schießen Leute Feuerwerk in die Luft und feiern am Abend mit Musik draußen mitten auf den Straßen.

Die Leute an den Straßenblockaden machen das Beste aus der Situation

Alles in allem kann ich sagen, dass sich aber für uns Voluntäre kaum etwas verändert hat an der Situation, bis auf das, dass nicht immer alle Betreuer da sind, wir nicht einfach rausgehen können zum Eisessen (da die Eisdielen leider geschlossen sind) und der Einkauf immer von den Leuten mit der Nachmittagsschicht gemacht werden muss. Nur für Gabriel (arbeitet im Techo Pinardi, im Zentrum) und Famke (eine Holländerin, die im Patio Don Bosco arbeitet, 1h Fußweg) ist es schwieriger bzw. zeitaufwendiger zur Arbeit zu kommen, da die beiden laufen müssen.
Allerdings muss man das nun im Verhältnis sehen zu den Betreuern und wie diese zur Arbeit kommen. Manche benötigen über zwei Stunden oder sogar noch länger für ihren Arbeitsweg zu Fuß und kommen trotzdem zur Arbeit. Deswegen ist es zwar in mancher Hinsicht eine Umstellung mit dem Streik, aber wir haben alles und uns geht es mehr als gut.

Der Spruch der Einheimischen:
Bolivia dice No! – Bolivien sagt Nein!

Warum aber der Streik?

Der Streik hier in Santa Cruz hat damit zu tun, dass die Leute nicht einverstanden sind mit dem Ausgang der Wahl. Evo Morales, der das Land die letzten drei Amtszeiten als Präsident vertreten hat, ist ein viertes Mal angetreten und hat die Wahl knapp gewonnen. Dazu muss man sagen, dass in der Verfassung steht, dass man nur zwei mal Präsident sein kann, er also bereits gegen das Gesetz verstoßen hat, indem er angetreten ist. Weiter hinzu kommt jetzt, dass der Präsident entweder über 50% der Stimmen benötigt, um an die Macht zu kommen oder mehr als 10% Abstand zum Zweitplatzierten benötigt. Das ist jetzt der Fall, allerdings nur sehr knapp, weswegen viele Leute, vor allem hier in Santa Cruz Evo Morales Wahlbetrug vorwerfen und wollen, dass er zurücktritt. Sie haben ihm dafür sogar eine Frist gesetzt, er sollte bis zum 04. November 2019 19.00 bolivianischer Zeit zurücktreten, dann würden sie den Streik aufheben.
Das hat er allerdings nicht getan, deswegen bleibt der Paro vorerst und es wird weiter gestreikt.