Nachdem meine Familie mich Ende März besucht hatte, sind nun etwas weniger als einen Monat später am 17. April auch Valeries Eltern für knapp 3 Wochen in Benin angereist. Ich habe mich gefreut sie noch ein bisschen besser kennenzulernen und auch der Klebernachschub, der mit ihnen kam, war Gold wert. Aber es gab noch einen Grund, warum ich ihrer Ankunft gespannt entgegenblickte: Alleine sein.
Und dafür möchte ich gerne ein bisschen ausholen: Ich mache meinen Freiwilligendienst, wie ihr wisst, ja zusammen mit Valerie. Sie ist 20 Jahre, kommt aus Würzburg und hat wie ich letzten Frühling das Abi geschrieben. Wir teilen uns ein Zimmer mit Bad, sind oft gemeinsam in den Projekten, essen zusammen und verbringen den Hauptteil unserer Freizeit miteinander. Und es ist schön jemanden zu haben mit dem man die Erfahrungen und Erlebnisse teilen kann. Jemanden zu haben, dem man sämtliche Fragen stellen und sich Rat holen kann. Jemanden zu haben, mit dem man Probleme gemeinsam lösen kann. Jemanden zu haben, der Ideen für den Alltag, die Freizeit oder die Arbeit mit den Kindern beisteuert. Jemanden zu haben, mit dem man sich gegenseitig motivieren kann. Jemanden zu haben, der mutig für einen ist, wenn man sich nicht traut. Es tut gut über praktisch alles mit Valerie sprechen zu können und sich alles zu erzählen, weil ich so das Gefühl habe, das Erlebte durch unsere Gespräche zu verarbeiten und besser in meinem Kopf zu konservieren. Ich glaube die Liste mit Vorteilen ist lang.
Aber es gibt wiederum auch ein paar Vorteile, die man als alleinige Volontärin genießen kann: „Valerie?“ „Ey ich bin Teresa, was gibt´s denn?“ – ja auch nach sieben Monaten Freiwilligendienst verwechseln viele Kinder noch ständig unsere Namen und manchmal habe ich das Gefühl, dass es ihnen auch eigentlich egal ist, ob nun Valerie oder Teresa oder Teresa oder Valerie. Und auch viele Schwestern und Tatas haben echt lange gebraucht, um den richtigen Namen der richtigen Person zuzuordnen. So habe ich manchmal das Gefühl durch eine gewisse Gleichgültigkeit mancher Personen in meinem Umfeld ein bisschen meiner Individualität beraubt zu werden. Eine zweite Sache, die sich in den letzten Monaten bemerkbar gemacht und mich echt gestört hat, war eine Unsicherheit. Eine Unsicherheit, die sich entwickelt hat, wenn ich wusste, dass ich Sachen alleine machen werden muss. Lustigerweise hatte ich diese auch lediglich im Vorhinein der Sachen und nicht währenddessen. Wenn ich wusste, dass ich es eh mit Valerie zusammen mache, war die Unsicherheit nicht da. Ich meine es ist nicht so, dass ich es nicht geschafft habe, alleine wo hinzugehen, oder Informationen einzuholen. Und es ist auch nicht so, dass Valerie alles übernommen hat, wenn wir es gemeinsam gemacht haben, keineswegs, wir teilen uns schon gut 50% – 50% auf. Aber trotzdem habe ich diesbezüglich eine ordentliche Portion Selbstvertrauen verloren. Und es hat mich ganz schön genervt, dass ich mir plötzlich durch diese Unsicherheit so unselbstständig vorkam, dabei ist es doch eigentlich richtig schön Erlebnisse auch alleine zu erleben, kleine Challenges zu meistern und ein bisschen stolz auf sich zu sein. Deswegen tut mir diese Zeit, in der Valerie nicht bei mir im Zimmer wohnt und nicht in den Projekten arbeitet, da ihre Eltern zu Besuch sind, ganz gut. Ich merke, dass ich jetzt wieder selbstbewusst, wie früher, ohne jemand anderen an die Aufgaben rangehe und lerne mich alleine zu sortieren. Und so versuche ich jetzt sowohl meine Zeit „alleine“ möglichst zu genießen, und freue mich trotzdem schon wieder auf die Zeit, wenn Valerie zurück in unser kleines Zimmer einzieht.
Und was gibt es noch so in meinem Leben? Vor zwei Wochen waren wir am Sonntagabend auf einer goldenen Hochzeitsfeier, von den Großeltern eines guten Freundes. Dort haben wir mal wieder fleißig das Tanzbein geschwungen.
Vorletzten Samstag bin ich nach Porto-Novo gefahren, um eine andere Volontärin zu besuchen, die in einem Ausbildungszentrum für Mädchen in Schwierigkeiten arbeitet und lebt. Die 25 Mädchen können dort Ausbildungen zur Schneiderin und Friseurin erlernen und wohnen auch in dem Ausbildungszentrum. Tatsächlich hat mir doch eines dieser Mädchen im Laufe des Nachmittags und der Nacht drei Teile geschneidert, aus Stoffen, die ich erst am selben Vormittag mit Valerie und ihren Eltern auf Cotonous Stoffmarkt gekauft hatte 😉 . Am Sonntagmorgen gings dann pünktlich zum sonntäglichen Mittagessen bei den Schwestern, bei dem auch wir Volontäre herzlich willkommen sind, zurück nach Cotonou.
In den Projekte läuft es auch gut. In der École Alternative (der alternativen Grundschule) haben wir angefangen vermehrt Gruppenspiele mit den Klassen zu spielen, nachdem wir das erste halbe Jahr beinahe nur gebastelt haben. Die Marktmädchen in der Baracke sind herzerwärmend, wie immer, und mittlerweile begegne ich eigentlich bei jedem Marktbesuch einigen von ihnen. Dann nehmen sie mich bei der Hand und wir spazieren glücklich über den schönen Zufall unseres Zusammentreffens über den Markt, wo sie mich bis zu meinem Ziel begleiten. Vielleicht ein kleiner Sidefact am Rande: Nach aktuellem Stand waren dieses Jahr schon über 160 verschiedene Mädchen in der Baracke. Wenn diese Zahl mal nicht zeigt, wie wichtig dieser kleine Ort für die Mädchen ist, und wie dankbar dieses Projekt angenommen wird. Im Maison de l´Espérance (dem Ausbildungszentrum) sind die alten Azubis seit ca. zwei Monaten mit der Ausbildung fertig und das Haus der Hoffnung wird so von neuen Gesichtern belebt. Die Kinder im Espace Eveil, der Vorschule, können mittlerweile schon einzelne Buchstaben schreiben, was ein großer Fortschritt ist, wenn man bedenkt, dass wir am Anfang meines Freiwilligendienstes noch simpel Punkte geübt haben. Die ursprünglichen Bewohner des Maison du Soleil, also die jungen Mütter mit ihren Babys und Kleinkindern, werden noch bis kurz nach Ende unseres Freiwilligendienstes im Foyer wohnen bleiben und erst danach wieder ins Maison du Soleil umziehen. Hier gibt es übrigens ein neues Mädchen, das in ein paar Monaten ihr Baby erwartet. Und im Foyer läuft es zur Zeit wieder wesentlich besser. Phasenweise war es dort relativ schwierig mit den Mädchen. Wir hatten gegen Vorwürfe, Grenzüberschreitungen und Unhöflichkeiten anzukämpfen. Aber aktuell sind wir sehr gut aufeinander gestimmt. Ich schaue seit kurzem fast jeden Abend mit Spielkarten vorbei und bleibe auch beim Abendwort, das mich selbst dann gut runterholt. Das Abendwort findet jeden Abend statt. Wenn am nächsten Tag Schule ist gegen 20:30. Es setzen sich alle Mädchen auf den Boden und eine Schwester steht vorne und sagt etwas zum allgemeinen Verhalten der Mädchen, macht Ankündigungen für den nächsten Tag, oder erzählt eine Geschichte. Oft werden auch noch Lieder gesungen und am Schluss wird gemeinsam gebetet. Abgesehen von den abendlichen Foyerbesuchen versuchen wir ab und an kleine Aktionen mit den Mädchen des Foyers zu machen. Und zu guter Letzt: Vergangenen Donnerstag habe ich tatsächlich meine zweite, und die insgesamt vierte, Tour Social geguidet.
Ja und sonst: In Benin ist grad wohl die beste Zeit des Jahres, denn massenweise Mangos bereichern den Alltag der Menschen des ganzen Landes und auch bei mir stehen sie fest auf dem Tagesprogramm. Während Valerie und ich zu Beginn des Mangoverkaufs nur einen Stand auf dem Markt hatten, der uns vier Mangos für 600 CFA verkaufte (alle anderen wollten 800-1.000 CFA) zahlen wir mittlerweile nur noch 300-400 CFA. Und bei den kleinsten Mangos bekommt man vier sogar für 100 CFA. Die Kleinen sind geschmacklich zwar 1A, aber leider hat man nach dem Verputzen lauter Fasern in den Zähnen stecken. Auch Wassermelonen findet man zu meiner Freude aktuell wieder an jeder Ecke!
Nachdem wir eine absolute Zeit der Hitze mit kaum Regen hatten, werden wir schön langsam wieder öfters nass, letzten Dienstag musste ich auf Grund des Unwetters sogar den Espace Eveil sausen lassen. Aber wirklich in der Regenzeit angekommen sind wir noch lange nicht. Im Vergleich dazu, was wohl Ende Mai, im Juli, aber besonders im Juni auf uns zukommen wird ist das noch nichts und so genieße ich einfach, dass es endlich ein bisschen abkühlt.
Schöne Grüße an die Heimat und dickes Dankeschön an alle, die dem Vortrag meiner Eltern im Pfarrsaal St. Peter über meinen Freiwilligendienst gelauscht haben!
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