Angenehm kühl streichelt mich der Fahrtwind, während ich mich (meistens) um nichts kümmern muss und einfach dem Trubel um mich herum zuschauen kann. Ach, wie ich sie liebe, die Zemfahrten! Sie machen mich immer ein bisschen euphorisch und geben mir das Gefühl in Benin angekommen zu sein. Was ein Glück also, dass abgesehen von Freitag und Sonntag jeden Tag mindestens zwei Zemfahrten auf mich warten.
Weil viele Straßen regelrecht übersäht sind mit Zemfahrern, sind alle natürlich heiß darauf, einen mitzunehmen. Schon das kleinste Nicken reicht, um die Zemfahrer auf mich aufmerksam zu machen. Wenn einer einen jedoch übersieht, ist „Kekeno!“ (Motorradfahrer) das Zauberwort. Für die Strecken, die ich regelmäßig fahre, habe ich fixe Preise im Kopf und schicke so jegliche Fahrer weiter, mit denen ich mich beim Handeln nicht einigen kann. Bei neuen Zielen errechne ich durch die Hilfe von Google Maps (Minuten & Kilometer) zuvor immer wieviel es wohl kosten mag, aber lasse in diesen Fällen beim Handeln noch etwas mehr Spielraum. Manche Zemfahrer wirken von Grund auf genervt, andere haben extrem gute Laune, sodass man scherzend diskutiert bis man sich schließlich schmunzelnd auf einen Preis einigt. Besonders bei uns Yovos versuchen die meisten oft möglichst viel rauszuholen. Was die Verhandlung für mich aber begünstigt ist, wenn ich Sätze verwende wie „Ich fahre diese Strecke jeden Tag, ich kenne den Preis!“. Wenn Zemfahrer auf einen Preis eingehen, sagen sie niemals „oui, d´accord“. Die meisten machen nur eine kleine Kopfbewegung in Richtung der hinteren Motorradhälfte. Manche fügen immerhin noch ein „Montez!“ (Steigen Sie auf!) hinzu.
Nachdem ich meinen Rock gerafft habe und auf dem Zem sitze, gebe ich dem Fahrer mit einen „C´est bon“ (Ich bin bereit) das Startsignal. Daraufhin folgt dann eine kleine Reise durch die Straßen Cotonous. An den anfangs etwas beängstigenden Straßenverkehr habe ich mich längst gewöhnt. Und so sind die Minuten auf dem Zem für mich purer Genuss. Manchmal fangen die Zemfahrer auch Gespräche mit mir an. Meistens lauten die ersten Fragen immer wo ich herkomme und was ich in Benin mache. Es ist aber auch schon passiert, dass ich während der Strecke mit dem Fahrer über den zweiten Weltkrieg diskutiert habe.
Angekommen am Ziel haben die Zemfahrer regelmäßig kein passendes Wechselgeld, weswegen ich folglich zu einem der Straßenstände gehe, und die Leute bitte, mir das Geld zu wechseln. Manche Zemfahrer versuchen bei der Geldübergabe dann nochmal, stets scheiternd ihr Glück, mich von einem höheren Betrag zu überzeugen. Wieso sollte ich dann extra im Vorhinein handeln, wenn ich die Abmachung eh wieder über den Haufen werfen würde? In Summe bin ich aber extrem beeindruckt von den Zemfahrern. Es ist enorm wie gut sie einen ohne Navi zu dem gewünschten Ziel bringen und die Straßen Cotonous und Calavis besser kennen, als ihre eigene Westentasche. Und wenn einer dann doch mal Probleme mit dem Weg hat oder es eine Strecke ist, die ich auch nicht wirklich kenne, hält er einfach am Straßenrand und frägt die nächstbeste Person nach dem Weg.
Tatsächlich gibt es einen bestimmten Grund, warum ich genau jetzt über das Thema Zem einen Blogeintrag verfasse: Seit dem 01.03.2024 besteht die Helmpflicht nämlich nicht mehr nur für die Fahrer, sondern auch Mitfahrer. Für Valerie und mich ist das keine Umstellung, wir hatten eh fast immer unsere eigenen Helme auf, aber so ziemlich alle anderen Mitfahrenden, waren ohne Kopfschutz unterwegs. Es sind allerdings nicht die einzelnen Beniner, die sich nun alle Helme gekauft haben, sondern die Zemfahrer. Diese platzieren sie auf der sowieso kaputten Tachoanzeige, hängen sie sich ans Armgelenk, oder stellen sie vor sich auf das Moto. Als ich am 02.03. auf den Straßen unterwegs war, hatten die meisten Zemfahrer unerwarteterweise zwar tatsächlich einen Helm bei sich, allerdings hatte nur die Hälfte der Mitfahrenden diese wirklich auf. Doch nur ein paar Tage später sah man schon kaum mehr Mitfahrende ohne Helm. Kein Wunder, denn an jeder Ecke stehen sich eine Hand voll Polizisten die Füße in den Bauch und warten nur darauf ordnungswidrige Zemfahrer rauszuziehen. Auch zu mir sagen die Zemfahrer seit ein paar Tagen fast jedes Mal „Setz deinen Helm auf und mach ihn auch zu!“. Ebenfalls werden stärkere Kontrollen durchgeführt bezogen darauf wieviele Leute in Autos, aber eben auch auf dem Zem mitfahren. Offiziell erlaubt ist auf dem Zem neben dem Fahrer nur eine Person. Diese Regel galt zwar ansich auch schon zu Beginn unseres Freiwilligendienstes, die Zemfahrer, Valerie und ich haben das aber stets gekonnt ignoriert. Denn wenn Valerie und ich das gleiche Ziel hatten, haben wir uns so fast immer auf einem Zem platziert: Unkomplizierter und billiger. Schwein gehabt, dass wir dabei nie einen Unfall hatten oder aufgehalten wurden. Im Gegenteil, ich habe es sogar schon erlebt, dass Polizisten uns ein einzelnes Zem für zwei Personen ausgehandelt haben. Da die Kontrollen diesbezüglich aber seit dem 01.03. schärfer sind, fahren wir seither immer getrennt. Zu sehen wie gut und schnell diese Veränderungen umgesetzt werden und funktionieren macht mir Hoffnung, dass sich bald auch andere Rädchen in Benin in die richtige Richtung drehen.
Schönen Tag und an vier von Euch bis ganz bald!
LG Teresa
PS: Noch drei Fakten zu Zemfahrern:
- Zemfahrer tragen als Erkennungsmerkmal alle das gleiche T- Shirt. In jeder Stadt hat das T-Shirt eine andere Farbe: z.B. Cotonou: gelb, Dassa: grün, Porto Novo: blau. Außerdem tragen sie unter den T-Shirts immer langärmlige Shirts, um sich vor der Sonne zu schützen.
- Ich habe noch nie eine weibliche Zemfahrerin gesehen.
- Um Zemfahrer zu werden brauchst du lediglich drei Dinge: Helm, Motorrad und T-Shirt.
Barbara Blumenstingl
Liebe Teresa, endlich lese ich wieder mal in deinem blog und freue mich sehr, dass du immer noch so begeistert in Benin bist. ich hoffe, du kannst mir auch
einmal persönlich erzählen. Herzliche Grüße von Barbara
Du machst Musik mit Deinen Kindern???
Teresa Stefenelli
Hallo Babara!
Ja würde mich freuen😁
Musik in dem Sinne, dass wir Lieder mit ihnen Singen. Aber die haben sowieso alle so ein gutes Rhythmusgefühl, sehr beeindruckend 😉
Henriette Müller
Ich will auch wieder ZEM Fahren – genießt es ❤️ das macht Freude das macht Spaß das geht rauf und das geht runter das gribbelt und das krabbelt!
Teresa Stefenelli
So kann man es auch gut beschreiben 😉