Halbzeit. Das hieß es nicht nur in den letzten Wochen regelmäßig beim Afrika-Cup, den die Schwestern mit großer Begeisterung verfolgten. Auch in meinem Freiwilligendienst befinde ich mich aktuell in der Halbzeit. Von meinen 344 Tagen Benin ist am 3. März offiziell die erste Hälfte rum. Wenn ich das so höre, stockt mir erstmal kurz der Atem. Der Gedanke all das, was ich mir hier aufgebaut habe, jemals wieder hinter mir lassen zu müssen – die Leute, die Kultur, die Sprache – lässt mich von Zeit zu Zeit wehmütiger werden. Aber hey, ist das Glas halb voll oder halb leer? Eigentlich möchte ich (noch) nicht rumjammern, denn es liegen noch stolze sechs Monate vor mir, und die gilt es zu nutzen! Zum Beispiel ist und bleibt es mein Ziel, die Beziehungen zu den einzelnen Kindern jeden Tag aufs Neue zu intensivieren und eine möglichst gute Zeit mit ihnen zu haben.
Vom 10. Februar bis zum 14. Februar fand unsere Zwischenseminar in Dassa, Benin, statt. Dass Jungs bei Freiwilligendiensten nicht ganz so arg vertreten sind, ist mir schon oft aufgefallen. Dass allerdings alle 16 Teilnehmer weiblich waren, war dann doch nochmal eine neue Quote. Wir waren gemischt aus 5 Organisationen und 4 Einsatzländern. Die meisten Freiwilligen kannte ich auch tatsächlich schon. Geleitet wurde das Seminar von zwei ehemaligen Freiwilligen, die superlieb waren und das ganze Seminar zu einem angenehmen Safespace gemacht haben. Wir verbrachten die Tage auf einer Ecofarm mit viel Grün, Schafen und gutem Essen. Im Laufe der Einheiten des Seminars haben wir über viele Themen gesprochen wie Konfliktlösung, Religiosität, kulturelle Unterschiede, Leid, Rückkehr, etc. Wir konnten Fragen stellen, haben reflektiert und uns viel erzählt. Es war eine richtig nette Truppe und der ganze Input und Austausch hat sehr gut getan. Ich lass euch mal ein bisschen an meinen Erkenntnissen durch die Gespräche teilhaben:
- Mir ist nochmal mehr bewusst geworden, was für ein Glück Valerie und ich mit unserer Einsatzstelle haben. Dass wir von Anfang an viel Arbeit hatten und in die Projekte mit einbezogen wurden, ist keine Selbstverständlichkeit. Das liegt vermutlich unter anderem daran, dass die Salesianerinnen in Cotonou seit Jahren mit Freiwilligen zusammenarbeiten. Und auch dafür, dass wir mit so offenen Armen empfangen wurden, bin ich sehr dankbar. Allerdings fühlen wir uns oft ein bisschen vergessen, weil uns vieles nicht mitgeteilt wird. Das haben wir auch schon angesprochen, wobei sich daraufhin nichts geändert hat.
- Ich bin verhältnismäßig stark davon abgeneigt Geld auszugeben oder zu teilen. Zum Einen habe ich mir in den Kopf gesetzt: ich bin hier nach Benin gekommen, um als Person zu wirken und nicht mit meinem Geld, weswegen ich zum Beispiel immer darauf bestehe wie die Einheimischen zu handeln und generell niemanden einfach Geld zu geben. Zum Anderen ist es bei der Arbeit mit den Kindern auch immer so die Frage: Wenn ich einem jetzt eine kleine Frucht zustecke, oder ein Extrapapier für zu Hause mitgebe etc., dann wollen auch alle anderen. Und das sind dann plötzlich ganz schön viele! Trotzdem merke ich aber auch, dass es mir manchmal aus einem gewissen Egoismus heraus schwerfällt zu teilen. Und hier möchte ich ansetzten das zu ändern. Denn die meisten Leute in Benin denken gar nicht so. Wenn sie etwas zu Essen haben, strecken mir die Kinder egal in welchem Projekt eigentlich immer etwas hin, ohne Gegenerwartungen. Und auch untereinander ist Teilen etwas sehr Selbstverständliches wie mir oft auffällt. Davon kann man sich doch eine Scheibe abschneiden!
- Eine Sache in der ich mich verbessern möchte lautet „Einfach machen!“. Es gibt viele Situationen in denen man sich überlegt „Soll ich mir nun diesen Snack bei dem Stand kaufen?“, „Soll ich dies nachfragen?“, pipapo. Und obwohl ich es an sich absolut liebe, mit den Menschen hier zu quatschen, habe ich dann doch oft Hemmungen und entscheide mich dagegen. Allerdings habe ich nun angefangen mir in diesen Situationen bewusst „Doch ich mache es jetzt!“ zu sagen. Ich merke wie ich immer öfter über meinen Schatten springe, bzw. der Schatten immer heller wird. Und so kommt es zu vielen schönen Momenten und man hat einen guten Grund ein bisschen stolz auf sich zu sein.
Summa summarum möchte ich mir aber bei allem nicht zu viel Druck machen. Ich habe gesehen, dass auch die anderen Freiwilligen Themen haben, mit denen sie struggeln und es normal ist, dass keiner von uns der perfekte Volontär ist. Soviel zu ein paar der Gedanken, die ich für mich aus dem Seminar mitnehmen konnte. Das Seminar war aber auch zum Durchatmen gedacht. Und so konnten wir zum Beispiel eine Schafsgeburt beobachten, Valerie gab einen Twerkshop für die Runde, wir machten eine Wanderung auf einen der Berge rund um Dassa und spielten Werwolf am Lagerfeuer.
Nachdem das Seminar vorbei war, sind Valerie und ich allerdings noch nicht nach Cotonou zurückgekehrt, sondern haben einen Freund von uns (auch Volontär) besucht, der in einem Dorf nahe Dassa wohnt. Das Dorf wirkte total friedlich und ich war sehr beeindruckt, wie gut sich unser Freund in alles eingefügt hat und seinen Freiwilligendienst ohne Mitvolontär top meistert. Eine Nacht und weitere Eindrücke später brachte uns der Bus wieder zurück nach Cotonou.
Zum Ende diesen Eintrages möchte noch ein paar Zeilen zu meinem Bezug zu Deutschland schreiben: Ich glaube generell ist Deutschland in meinem Kopf oft präsent. Es gibt Phasen in denen mir mehr aus Deutschland abgeht, auch wenn ich meistens noch nicht von vermissen, oder Heimweh sprechen würde. Andererseits kann ich mir oft gar nicht vorstellen, mich von all dem hier verabschieden zu müssen. Ich glaube meine größte Angst ist, dass sich meine Zeit in Benin dann wie ein Traum anfühlt, so weit weg. Was mich aber stets erheitert ist der Gedanke an das, was ich nach dem Freiwilligendienst geplant habe. Darauf freue ich mich jetzt schon sehr und natürlich auch auf euch liebe Leserinnen und Leser <3. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass es für mich die richtige Entscheidung war, einen ganzjährigen Freiwilligendienst zu machen, von dem mir nun noch ein halbes Jahr für viele weitere prägende Erfahrungen bleibt. Und so werde ich mein halbvolles Glas Schluck für Schluck austrinken.
À la prochaine!
Teresa
PS: An Abend Nr. 2 des Seminars haben wir einen Film geschaut mit dem Titel „Hotel Ruanda“. Er handelt vom Genozid in Ruanda vor 30 Jahren und war so gut dargestellt, dass nur die wenigsten Augen trocken blieben. Falls ihr euch ein bisschen für die ruandische Vergangenheit interessiert, kann ich ihn euch sehr ans Herz legen!
Antonio Vila Jurk
Über Dulima erhalte ich immer Informationen über Deine Beiträge und ich lese sie gern!! Du erlebst jetzt eine Erfahrung die Dich für Deine Zukunft
prägen wird.. Weiterhin eine schöne restliche Halbzeit.
Teresa Stefenelli
Vielen lieben Dank! Ja ich merke jetzt schon wie mich viele Erfahrungen hier prägen 🙂