Teil I der Titelserie „Messi – Mate – Merienda“

25°C, ein lauer Sommerabend, die Sonne ist schon untergegangen über Santiago. Leon, Joshua (zwei andere deutsche Volontäre), Martha und ich befinden uns gemeinsam mit Hunderten von Santiaguenos auf dem Weg zum Estadio Alfredo Terrera, dem Fußballstadion von C.A. Central Córdoba, dem ersten Erstligaverein in der Geschichte von Santiago del Estero. Dieses Wochenende soll es also soweit sein, wir haben uns Tickets für die Partie gegen Rosario Central geholt und wollen endlich ein echtes argentinisches Fußballspiel miterleben.

Das wunderschöne Estadio Alfredo Terrera bei Tag… inklusive „Stadium-Art“

„Donde está la Tribuna General San Martín?“ (Wo ist die Tribüne General San Martín)

Wir, in argentinischer Pünktlichkeit, kurz vor Anpfiff erst am Stadion stehend, haben natürlich keine Ahnung, wo wir hin müssen. Die Antwort auf unsere Frage ist jedes der gefühlten 10-mal, die wir fragen: „A la vuelta!!!“ (einmal ums Eck). Nachdem wir ungefähr das halbe Stadtviertel durchquert haben und dabei einige mal „ums Eck“ gelaufen sind, haben wir tatsächlich den Eingang gefunden. Das Spiel läuft zwar schon, ein Tor ist aber Gott sei Dank noch keines gefallen. Die Tribüne ist gesteckt voll und gesteckt voll, meint, dass die Fans wirklich dicht gedrängt nebeneinander stehen und sich kaum bewegen können. Diejenigen, die zu spät kommen, wie wir sehen dementsprechend deutlich weniger als der Rest oder klettern über einige Geländer auf gewagte Plätze über dem Eingang.

Ein schönes Unentschieden

In weißem Outfit á la Real Madrid beherrscht das Heimteam in der ersten Halbzeit großteils das Spiel. Die technischen Fähigkeiten erinnern mich jedoch oft eher an deutsche Regionalliga als an Real. In der zweiten Halbzeit bestätigt der Torhüter von Central Córdoba dieses Niveau als ihm ein harmloser Ball, den er eigentlich schon gefangen hatte, noch durch die Hosenträger rutschte. 0:1 Rosario…

Dies erhöht jedoch bei den einheimischen Fans nur den Frust und die sowieso schon enorm hohe Schimpfwortrate gegen die Spieler von Rosario und den Schiedsrichter steigt auf ein Maximum. Das eindeutig meist gehörte Wort während des ganzen Spiels ist „puta“, gefolgt von „hijo de puta“ oder auch „la concha de tu madre“. Übersetzungen erspare ich denen, die diese Ausdrücke noch nicht kennen, jetzt einfach mal.

10-15 Minuten später fällt dann der Ausgleich und das Stadion verwandelt sich in ein Tollhaus. Für mich die besten Minuten des Spiels, das komplette Stadion macht Stimmung (inklusive uns „alemanes“) und peitscht die Mannschaft nach vorne und beinahe fällt auch noch der Siegtreffer.

Fußball im Oratorio

Heute morgen dann spricht uns direkt einer unserer Residentes an, dass er uns gestern im Stadion gesehen hat. Wir haben ihn, obwohl wir uns währenddessen noch darüber unterhalten haben, dass sicher einige der Jungs im Stadion sind, bei all dem Trubel wohl übersehen.

Fußball ist eigentlich bei allen Jungs der Residencia Leidenschaft Nummer 1. Sowohl selber spielen (mindestens zweimal die Woche) als auch einen bzw. meist zwei Clubs unterstützen. Denn grundsätzlich musst du dich hier zweimal entscheiden. Einmal für einen lokalen Club aus Santiago und zusätzlich für ein großes Team aus Buenos Aires (wie River Plate oder Boca Juniors).

Die großen Spiele werden dann auch gemeinsam geschaut. So gab es in der Copa Libertadores (südamerikanische Champions League) im Halbfinale das argentinische Superclásico Boca Juniors gegen River Plate. An den zwei Tagen von Hin- und Rückspiel wurde der Abend schön an die Terminierung des Spieles angepasst und so gab’s das Cena (Abendessen) in der Halbzeit, damit man auch ja keine Minute verpasst. An solchen Tagen ist das Haus in die zwei Fanlager geteilt und das ziemlich genau 50/50. Repräsentativ dafür die Verteilung bei den Salesianern: die zwei Brüder sind für Boca und die zwei Patres für River. Martha und ich haben es irgendwie geschafft uns raus zu halten…

[ich hab mich relativ schnell auf den Papst-Club San Lorenzo festgelegt (Funfact: San Lorenzo wurde von dem Salesianer Lorenzo Massa gegründet, der mit Jungs aus einem Oratorio in Buenso Aires regelmäßig Fußball spielte) und Martha hat sich lange einer Entscheidung verweigert und sich dann als voller Fußballhipster für Velez Sarsfield entschieden… ich weiß nicht, ob es in Ganz-Santiago einen zweiten Velez-Fan gibt :p ^^]

Fußballstadt Santiago

In Santiago hat man auf lokaler Ebene grundsätzlich die Wahl zwischen Central Córdoba (Superliga = 1.Liga) und Club Mitre (Primera B = 2.Liga). Wie ich das so mitbekommen hab, hängt die Anhängerschäft ziemlich von deiner Wohngegend ab. Beispielsweise die Jungs, die nachmittags aus dem Viertel „Almirante Brown“ zu den Workshops kommen, sind wenn dann schwarz-gelb gekleidet (Mitre). In anderen Viertel sieht man wiederum nur schwarz-weiße Trikots (Central). Die Residentes, die ja vom Land kommen, unterstützen ebenfalls Central Córdoba.

die obligatorischen schwarz-weißen Central Córdoba Trikots der Residentes

Farbspielchen

In Argentinien wählt man seine Lieblingsfarbe nicht nach Geschmack aus, sondern nach seinem Lieblingsverein. Woran wir das gemerkt haben? An unserem Armbänder-Workshop. Denn die bevorzugte Kombination war meist blau-gelb für Boca. Die River-Fans waren hingegen enttäuscht, dass das Weiß für rot-weiße River-Bändchen fehlte. …und wir wurden wiiiiirklich unzählig Male nach schwarz für schwarz-gelbe Mitre-Armbänder gefragt. Ich hab mich dann schließlich dem Spielchen irgendwann angeschlossen und ein rot-blaues San-Lorenzo-Pulsera gebastelt, wobei es wahrscheinlich egal gewesen wäre, welche Farben ich genommen hätte, man hätte mir für jede Kombination irgendeinen Club untergejubelt. (Kommentar: @Noelia, nur rot ist ultra langweilig, genauso wie Independiente)

Fleißig am Boca-Armbändchen produzieren – und hier sehen wir außerdem ein Mitre Trikot 😀

Und sonst so?

Für Central Córdoba steht diese Woche noch das Spiel der Spiele an, denn nach einem (auch hier in der Residencia) sehr umfeierten Halbfinalerfolg steht der Club im Finale des argentinischen Pokals. Für viele Jungs gibt es aufgrund der Spielpaarung ein kleines Problem, denn der Gegner heißt River Plate und so muss sich ein großer Teil zwischen seinen beiden Teams entscheiden. Ich hoffe schlussendlich sind wir alle gemeinsam für unser Team aus Santiago. Man stelle sich nur mal vor, die würden wirklich den Pokal gewinnen, Santiago würde Kopf stehen 😀

Ansonsten wird in Santiago gerade eines der modernsten Fußballstadien Argentiniens gebaut. Das Estadio Unico, das wunderschön am Rio Dulce gelegen ist, soll spätestens im Juni fertig sein, wenn hier Spiele der Copa America ausgetragen werden. https://www.youtube.com/watch?v=MEzE3G5IgXg (so sieht’s bis jetzt aus… inklusive Facheinschätzung vom Architekten^^)

Und wo ist jetzt Messi?

Puuuh… keine Ahnung. Aber gestern war er wohl bei der Preisverleihung des Ballon d’Or und ist zum sechsten Mal Weltfußballer geworden.

Und wir?

…motivieren gerade noch die Jungs ihre letzten Prüfungen positiv hinter sich zu bringen und dann heißt es Sommerferien. Alles ist nochmal etwas entspannter und die Chicos freuen sich auch auf die Zeit mit ihren Familien auf dem Land.

Zum Schluss

…möchte ich mich hier einfach mal bei allen Spendern bedanken. Es ist schon einiges zusammen gekommen und es ist wirklich einfach großartig, dass ihr mich und das Oratorio so unterstützt. Wir freuen uns natürlich sehr, wenn noch der ein oder andere Euro dazu kommt, also sprecht gerne noch ein paar Leute an! 😉 Ich wünsche euch ansonsten von Herzen eine ruhige, gesegnete Adventszeit, lasst euch nicht so stressen und ich melde mich bald wieder mit Teil II der neuen Titelserie Messi, Mate, Merienda!

Gehabt euch wohl

Euer Simon