Woche 3 – Stresswoche oder die eigentlich letzte Woche
Als wir beim Frühstück mit den Salesianern wie jeden Morgen die Seite des RKI aufriefen, um uns über die aktuellen Infektionszahlen in Würzburg zu informieren, war Würzburg auf der Karte plötzlich rot. In Übereinstimmung mit den entsprechenden Regelungen zur Kontaktbegrenzung musste der Clubraum ab der dritten Praktikumswoche leider geschlossen bleiben. Statt also den Dienstagabend im Clubraum zu verbringen schnappte ich mir meine Gitarre und brachte einer Bewohnerin der HG8 einige Lieder auf der Gitarre bei. Das war der für mich bis dahin schönste Abend in Würzburg. Die Ruhe vor dem Sturm sozusagen…
Ab Mittwoch waren beide Betreuer der HG8 im Urlaub, sodass ein Betreuer aus einer anderen Gruppe ein Auge auf die Wohngruppe hatte. Ich hatte mir eine Strategie überlegt, wie ich die Zeit ohne sinnvolle Beschäftigung auf der Gruppe nutzen könnte: Ich fing an, mir für jeden Tag eine Hand voll Koreanisch Vokabeln herauszusuchen, um diese in freien Minuten zu lernen. Doch die erwartete Ruhe blieb an den folgenden Tagen aus und wich einem eher stressgeladenen Klima. Als der Betreuer einer anderen Wohngruppe plötzlich krankheitsbedingt ausfiel, waren auf einmal nur noch zwei Betreuer plus ich für dreieinhalb Gruppen zuständig und so musste sich der wöchentliche Gruppenabend darauf beschränken, die neuen Corona-Maßnahmen zu besprechen. Auch am Donnerstag waren nur ein Betreuer und ich für zwei Gruppen zuständig. Das war ebenfalls sehr stressig und erforderte eine Menge Nerven. Aufgrund des Personalmangels ließ ich wie am Vortag meine Pause sausen. Abends boten die Salesianer dann zur Freude der Teilnehmerinnen als Freiluftalternative zum Clubraum Bubble-Fußball an und ich setzte mich wieder mit einigen Mädels zusammen um Gitarre zu spielen und zu singen, sodass der Tag, der so stressig begonnen hatte, dennoch recht entspannt ausklingen konnte.
So… an dieser Stelle wäre der Beitrag über mein Praktikum in Würzburg eigentlich vorbei gewesen und ich würde darüber schreiben, wie ich zurück nach Benediktbeuern zur Praktikumsauswertung fahre, doch weit gefehlt! Die Pandemie lehrt uns Flexibilität und Spontanität. Und so verlängerten wir unser Praktikum einfach mal um eine Woche, um zu vermeiden, dass alle Freiwilligen aus den verschiedensten Regionen Deutschlands für nur eine Woche extra in den Zug steigen und zusammen kommen, nur um wer weiß was für Viren auszutauschen. Und auch da der zweite Praxiseinsatz im November coronabedingt abgesagt werden musste war diese weitere Woche eine wichtige Zeit, um noch so viele Praxiserfahrungen wie möglich zu sammeln. Denn wer kann schon mit Gewissheit sagen, wann wieder Praktika möglich sein werden?!
Woche 4 – die Verlängerung
Entsprechend der recht spontanen Praktikumsverlängerung war die Betreuerin der HG8 sehr überrascht, als ich nach ihrer einwöchigen Abwesenheit auf einmal wieder meinen Kopf ins Büro streckte. Diese letzte Woche empfand ich als am entspanntesten. Mit zwei Mädels ging ich den Wocheneinkauf erledigen und die Zutaten für die Halloween-Party, welche coronakonform doch nur gruppenintern stattfinden konnte, besorgen. Abends begannen die ersten kulinarischen Partyvorbereitungen mit der Zubereitung eines Lebkuchenteigs. Am nächsten Tag entstanden aus diesem Teig zahlreiche Lebkuchenleichen und auch viele andere Back-Teams tummelten sich in der Küche. Mit der Kürbissuppe wurde am Mittwoch dann die letzte Halloween-Vorbereitung getroffen. Sobald die Suppe fertig gekocht war versammelten wir uns alle zum Halloweendinner. Wäre die Anrichte nicht mit Geschirrschränken unterfüttert gewesen, dann hätte sie sich sicherlich unter der Menge an Speisen gebogen. Es gab Suppe, Nussschnecken, Bananengeister, Blätterteigmumien, Spinnenmuffins und Lebkuchenleichen. Bei der Party wurde sehr viel gescherzt und gelacht und vor allem wurde all das leckere Gebäck genossen. Es gab von allem so reichlich, dass sich sogar noch die Salesianer daran erfreuen konnten. Der Tag klang mit viel Gelächter aus und mir wurde bewusst, was für eine große Bereicherung diese zusätzliche Woche in der HG8 für mich war.
Am Donnerstag war mein letzter Tag im Praktikum, bevor die meisten Teilnehmer in die Ferien fuhren. Während die Betreuer außerhalb der Gruppe zu tun hatten, hielt ich alleine die Stellung und war sehr glücklich festzustellen, dass ich mich so ohne die Betreuer gar nicht auf mich allein gestellt fühlte, sondern das Gefühl hatte, in den vorherigen Wochen genug Selbstvertrauen und Selbstsicherheit gewonnen zu haben. Später begleitete ich die Mädels zu einem Vortrag unter dem Thema „Grenzen ziehen“, den auch ich sehr bereichernd fand. Es ging darum, den Mut zu haben, „Nein!“ zu sagen, sich eine eigene Haltung zu erarbeiten und darum, wie zwischenmenschliche Interaktionen gelingen können. Als ich abends dann wieder mit einigen Mädels musizierte und sich auch ein Mädchen dazugesellte, mit der ich zuvor kaum in Kontakt gekommen war, hatte ich das Gefühl, nach vier Wochen wirklich angekommen zu sein. Und dann musste ich mich auch schon das erste Mal verabschieden: Von den Betreuern, die mir in den vier Wochen Praktikum gute Kollegen geworden sind, zu denen ich gerne für ein weiteres Praktikum zurückkommen würde.
Der letzte Freitag war der ruhigste von allen. Während einige in schon in die Ferien fuhren blieben andere extra noch etwas länger, um mich zu verabschieden. Das war Abschied Nummer zwei. Die Mädels die nicht nach Hause fuhren gingen dann gemeinsam shoppen, sodass es vorübergehend niemanden zu betreuen gab. Als die Teilnehmerinnen aus der Innenstadt zurückkehrten backten wir Pizza und schauten im Anschluss einen Film. Um diesen noch zu Ende gucken zu können überzog ich eine Stunde, wodurch ich spät zu der Abschiedsfeier kam, die die Salesianer für uns Praktikanten vorbereitet hatten. Als ich kam gab es nur noch alkoholfreien Sekt. Aber das machte nichts, denn den letzten Abend mit den Salesianern ausklingen zu lassen, war an sich schon schön genug.
Für den Samstag hatte ich mir vorgenommen, der HG8 nochmal einen Überraschungsbesuch abzustatten. Zum einen konnte ich mir Pancakes und Obstsalat als zweites Frühstück schlecht entgehen lassen, zum anderen wollte ich der HG8 aber unbedingt noch eine Kleinigkeit vorbeibringen. Die staunten nicht schlecht, als ich plötzlich in die Küche trat und es wurde gemutmaßt, dass ich in der Arbeitslosigkeit vereinsamt wäre und ihre Nähe bräuchte. Ich verbrachte eine heitere letzte Dreiviertelstunde in der HG8, nun nicht mehr als Praktikantin sondern einfach mittendrin. Und schließlich verabschiedete ich mich zum dritten und letzten Mal bei der Wohngruppe, die mir über den Praktikumszeitraum doch ganz schön ans Herz gewachsen ist.
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