Wunderschöner Tag = Wunderschöne Erinnerung

Freitag der 13. März 2020

Um sechs Uhr klingelt der Wecker. Normalerweise um sieben, aber da Fastenzeit ist, habe ich mir vorgenommen wenigstens an einem Tag in die morgendliche Messe zu gehen. Diese beginnt um sechs Uhr fünfundvierzig. Ich lausche in die langsam erwachende Stille hinein und nehme Geräusche auf dem Gang der Pränovizen wahr. Ihre schreckliche Klingel ertönt ebenfalls jeden Tag um sechs, da der Gang in die Messe verpflichtend für die Pränovizen ist. Allerdings erfreue ich mich heute an ihrem Klang, da ich schon wach bin und nicht wie gewohnt ungestört weiterschlafen möchte.

Draußen hört man bereits Besen. Die Jungs sind schon seit halb sechs auf den Beinen, um den Hof zu fegen. Und meine Lieblingsvolontärin Lea scheint auch wach zu sein, da ihre Türe sich geräuschvoll öffnet.

Wir machen uns auf den Weg in die Kirche. Es ist noch dunkel und die letzten Sterne leuchten am Himmel. In den vordersten Reihen sitzen die Pränovizen und der restliche Platz ist von Gläubigen besetzt oder frei.

Die Messe beginnt und ich versuche so gut es geht viel zu verstehen, doch leider ist das Französisch nach sechs Monaten immer noch zu schlecht um die Predigt voll und ganz mitzuverfolgen. Dennoch ist es wunderschön den Tagesbeginn in der Kirche zu erleben, wie es langsam heller und es lauter und lauter wird.

Nach dem Gottesdienst schnappen wir uns das Baguette für die Communauté und frühstücken entspannt mit Tee und Essen vom Vortag. Beim Gang zum Zähneputzen begegnen wir erstmal allerhand Menschen.

Bei fast jedem läuft das Gespräch so ab:

« Bonjour ! » – « Bonjour ! »

« Comment vous allez ? / Bien dormir ? » – « Oui merci et toi ? »

« Merci, moi aussi, bonne journée à vous ! » – « Merci à toi aussi ! »

Oder so ähnlich. Vor allem gibt man natürlich jedem die Hand zum Gruß, das ist ganz wichtig! Von meinem Lieblingskoch bekommen wir sogar ein „Guten Morgen, wie geht es dir?“ zur Begrüßung, da wir ihm ab und zu ein bisschen deutsch beibringen und er uns im Gegenzug ein bisschen Goun (eine der Landessprachen Benins, allerdings spricht man sie nur in Porto Novo).

Catchi

Seit Anfang März darf ich jeden Vormittag im Erstaufnahmefoyer Catchi verbringen. Dort ist vormittags meistens Schulunterricht, bei dem ich als Lehrerassistenz und Spielkamerad zur Seite stehe. Manchmal wird allerdings auch gewaschen oder geputzt oder einfach gespielt, wenn man zum Beispiel den Schlüssel für den Materialraum nicht findet…

Somit lasse ich mich jeden Morgen überraschen. Auf dem Weg nach Catchi findet der kleine oben beschriebene Smalltalk noch einige Male statt bis ich mein Ziel schräg gegenüber von Hotel Dona erreicht habe. Die Sonne brutzelt auch schon um 8:30 morgens, da lässt sich schwitzen schwer vermeiden. Ist aber nicht schlimm, denn alle schwitzen und somit stinken auch alle!

Als ich das Tor öffne kommen die Jungs auf mich zu gerannt und begrüßen mich mit Umarmungen. Im Moment sind sie zu Sechzehnt. Sie ziehen mich mit in den offenen Saal, wo wir uns auf die Mauer setzen. Ok es scheint wohl keine Schule zu sein, sonst wären wir nach oben ins Klassenzimmer gegangen. Nach einer kurzen Ansprache der Praktikantin Josiane steht fest, dass heute geputzt wird. Die Jungs werden in Zweiergruppen auf die verschiedenen Bereiche des Geländes aufgeteilt.

Der Saal, der aufgeteilte Hof, das Klo, die beiden Schlafräume, das Klassenzimmer und das Dach.

Nacheinander befüllen die Grüppchen nun ihre braunen Bottiche mit Wasser vom Haupthahn und schleppen sie zu ihrem Bereich. In Bechern holen sie sich Putzmittel von Josiane ab.

Es kann losgehen!

Zu Beginn befinde ich mich noch im Saal und beobachte die Kunststücke, die die Jungs auf dem glitschigen Boden vollführen. Auf dem nassen Fliesenboden kann man toll hin- und herrutschen, da macht das Putzen auf einmal Spaß und wird eher zum Spiel als zur lästigen Pflicht. In den Schlafräumen wird meine Hilfe benötigt beim Fensterputzen. Ein Fenster besteht aus fünf rechteckigen Glasscheiben, die man mit einem Hebel nach vorneklappen kann, dahinter ist ein zerrissenes Mückennetz. Außerdem hat jedes Kind einen kleinen Spint, wo es seine Klamotten (maximal zwei Hosen und zwei Oberteile) aufbewahren kann.

Nachdem wir jede Glasscheibe in jedem Fenster mit einem Lappen von Schmutz befreit haben, klatschen wir ordentlich Wasser dagegen. Nasswerden ist unvermeidbar. Auch in den Schlafräumen ist Fliesenboden, von dem wir nun das Wasser nach unten durchs Treppenhaus befördern müssen.

Es fühlt sich an wie im Schwimmbad. Ich stehe knöcheltief im Wasser und fege es mit einem Besen Richtung Treppe. Alle, die jetzt hochkommen bekommen eine Ladung Wasser ins Gesicht, da ich nicht die Einzige bin, die kraftvoll ihren Besen schwingt.

Putzen macht wirklich voll Spaß, zumindest in Catchi mit unseren sechzehn Jungs.

Gegen zwölf sind alle Grüppchen wieder versammelt und zur Belohnung gibt’s UNO und Halli Galli. Der Reis wird auch schon verteilt und für mich heißt es langsam den Rückweg ins Centre Magone anzutreten.

« Au revoir, à lundi et Edabo ! »

Ohne Mangos kann ich nicht zu Hause ankommen und somit nehme ich auf meinem Weg noch schnell welche mit. Gerade ist Mangosaison und die muss man einfach ausnutzen!

Mal schauen was Lea in der Baracke erlebt hat und welche Überraschungen der heutige Tag noch mit sich bringt.

Danke fürs Reinschauen und Lesen dieses Eintrags!

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Heute lest ihr hier ein Gedicht

  1. Simon Weniger

    sooo schööön geschrieben 🙂

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