Blog von vor einem Jahr (Februar 2021)
Früher dachte ich immer, es werden später mal New York, Sydney und Shanghai sein, die eine Rolle in meinem Leben spielen. Nie hätte ich ahnen können, dass sich wichtige Stationen meines Lebens in Dörfern wie Benediktbeuern, Ensdorf oder aktuell Sannerz abspielen werden. Orte, die sich in ihrer Einwohnerzahl unterbieten und eher mit Kuhweiden als mit Supermärkten betören. Aber warum auch nicht, ich Stadtei muss schließlich ohnehin meiner Blase entkommen und wie geht das besser als in bayerischen Dörfern. So beginnt mein neues Jahr auch relativ bald los mit meinem Praktikum in Ensdorf, in der Nähe von Regensburg in der wunderschönen Pfalz. Ich weiß nicht, was mich erwartet und unsere Aufgaben sind mir eigentlich auch nicht klar. Meine drei Mitstreiter*innen haben den Heimvorteil, sie waren schonmal im Oktober da, als ich mein Praktikum im Krankenhaus absolviert habe. Aber einmal angekommen ist Ensdorf und sein Kloster schnell ein Ort, an dem ich mich wohlfühle. Wir gehen viel spazieren oder Joggen, bekommen täglich essen, und haben vor allem einen riesigen Gebäudekomplex nur für uns allein. Genau genommen sind es vier Gästehäuser, passend für uns vier. Ich muss jedoch dazu sagen, dass ich mich bis zum Ende manchmal verirrt habe und auch bei Weitem nicht alles erkunden konnte.
Doch wir sind ja nicht zum Chillen da, sondern haben einiges vor. Unsere Aufgaben teilen sich in einen künstlerisch/handwerklichen und einen sozialen Bereich auf, Überschneidungen sind erlaubt. Im Bildungshaus in Ensdorf heißt es Wände streichen, sich als Möchtegern-Graffitikünstler austoben und eine solide und gemütliche Sitzecke aus Holzpaletten bauen. Den alten Spielesaal haben wir schnell in Folie eingepackt, um hoffentlich einen gemütlichen Raum für zukünftige Gäste und Schulklassen zu gestalten. Anpacken, Bohren, Sägen, Schleifen und dabei noch kunstvoll arbeiten, unser Städtler mit zwei rechten Händen (ich bin Linkshänder!) ist heillos überfordert. Aber an seinen Fehlern zu lernen, ist etwas Schönes. Und nach einer halben Stunde schweißtreibenden Abmühens, mit der Brechzange die Paletten von ihren Nägeln zu befreien, bin ich mit voller Motivation und Tatendrang dabei. Es ist toll, die eigene Arbeit und seine Ergebnisse wortwörtlich in der Hand zu haben. Besonders unser Graffiti mit seinem Nachhaltigkeits-Design und dem Bezug zum Raum finde ich sehr gelungen.
Was sonst?
Wo bleibt das Soziale, fragte sich der*die Leser*in? In Ensdorf leider nicht sehr ausgeprägt, da hier coronabedingt alles geschlossen ist. Doch Don Bosco ist ja bekanntlich gut aufgestellt, sodass wir zum Glück im Don Bosco Zentrum Regensburg reinschnuppern und ein wenig aushelfen dürfen. In Zweierteams geht es jede zweite Woche nach Regensburg. Hier erwarten uns verschiedene Aufgaben im offenen Jugendtreff. Wir geben Nachhilfe, helfen beim Lernen, spielen mit den Jugendlichen Tischkicker oder Darts, erstellen einen „Lebenshilfeplan“, drehen Videos mit den Jugendlichen etc. Teil des Konzepts in Don Bosco Zentrum Regensburg ist die Betreuung junger Menschen, auch nachdem sie erwachsen sind. Die Menschen erhalten Unterstützung bei der Job,- Ausbildungs- oder Wohnsuche, bei Anträgen oder Dokumenten und bei allgemeinen Lebensfragen. Mir ist bewusst geworden, dass Jugendarbeit nicht mit der Volljährigkeit endet, sondern eine Begleitung in ein eigenständiges Erwachsenenleben dringend notwendig ist. So habe ich in Regensburg mit Menschen zusammengearbeitet, die auch deutlich älter sind als ich mit meinen zarten 19 Jahren. Erstmal war ich mir unsicher, inwiefern ich diesen Menschen helfen kann. Schnell jedoch habe ich verstanden, dass ich durchaus in der Lage bin, sie zu begleiten und zu unterstützen und ein gegenseitiges Lernen auf Augenhöhe durchaus möglich ist. Besonders im Nachhinein merke ich, wie hilfreich und sinnvoll die Arbeit dort war. Zudem hat mir die Arbeit in Regensburg einen Vorgeschmack auf meinen sechsmonatigen Freiwilligendienst in Sannerz gegeben (dazu folgt bald ein Beitrag!)
Die Wochen ziehen dahin, ein Schneetreiben löst das nächste ab. Die Arbeit ist vielseitig und interessant. Neben der Arbeit stellen sich die großen Lebensfragen. Was will ich beruflich machen? Viel wichtiger hingegen die Frage, was ab März passieren soll. Der Auslandsfreiwilligendienst endet im März, wo geht es danach hin? Wie plant man mit einer unberechenbaren Pandemie? Doch manchmal steht die Lösung direkt vor der Tür. Denn die Antwort lautet Don Bosco. Kurzerhand wird das große Netzwerk Don Boscos in Deutschland genutzt und uns Jugendlichen stehen plötzlich wieder viele Türen offen. Für mich geht es nach Sannerz.
Recht spontan hat sich während unserer Praktikumszeit ein weiteres Projekt eingeschlichen. Don Bosco ähnelt mit seinen vielen Einrichtungen einer Art Megakonzern mit Auftrag zur Solidarität, der sich auch um seinen ökologischen Fußabdruck kümmern sollte. Das große Stichwort Nachhaltigkeit steht mal wieder im Vordergrund. So entsteht für uns die Aufgabe, derzeitige Nachhaltigkeitsprojekte Don Boscos zu sammeln und zusammenzutragen. Das Ergebnis ist eine riesige Präsentation mit einer großen Ressourcenauswahl an Projekten, Anregungen und Tipps, um das Leben in einer Einrichtung nachhaltiger zu gestalten. Endlich mal:
Eine richtige Büroarbeit. Stundenlang am PC hocken, Fakten sammeln, zusammentragen, ausformulieren und verwerfen. Rauchende Köpfe, Kaffee und ein verwüsteter Arbeitsplatz dürfen nicht fehlen. Doch es hat sich gelohnt und die Sammlung nachhaltiger Projekte ist enorm und sehr umfassend geworden. Und als aufrichtiges Mitglied der Fridays for Future Generation, ja die Weltverbesserer-Generation und so, wurde das Projekt auch zu einem Herzensanliegen. Hoffentlich wird es von Nutzen sein.
Ach und dann war die Zeit auch schnell rum. Sachen packen, Verabschiedungsessen und es ging wieder zurück in die triste Lockdowncoronarealität. Doch das nächste Lebenskapitel stand schon bevor: der BFD.
Anmerkung (03. Januar 2022 02.09 Uhr): Die Zeit in Ensdorf ist so eine typische Man-vermisst-sie-erst-im-Nachhinein-Zeit. Retrospektiv war „damals noch alles gut und entspannt“. Natürlich ist dem nicht so, das Praktikum war anstrengend, verbunden mit viel Autofahrerei und einem Wirrwarr aus verschiedenen Projekten. Dennoch, wie ich diese Zeilen schreibe, würde ich am liebsten wieder zurück.
Es liegt irgendwo in der Oberpfalz, es ist klein und es heißt Ensdorf. Es ist sehr idyllisch und eine Reise dahin lohnt sich!
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