Da es heute unter anderem um die Sprachen des indischen Subkontinents geht, gibt´s am Anfang dieses Blogeintrags ein kleines Sprach- bzw. Schrifträtsel: Was bedeutet dieses Wort? வணக்கம்
Mit Blick auf den Kontext sollte das nicht allzu schwer zu erraten sein 🙂 kleiner Tipp: es handelt sich um Tamil.
Aber jetzt fix zum eigentlichen Blogeintrag! An einem wunderschönen Morgen vergangener Woche führten Annette und ich am Frühstückstisch ein ziemlich interessantes Gespräch mit einem unserer Fathers. Es ging um die Vergangenheit des dravidischen Volkes (grob gesagt die Bewohner des heutigen Südindiens), um das Kastensystem und den Hinduismus. Ich liebe solche Gespräche: die Fathers wissen natürlich eine ganze Menge über die Vergangenheit ihrer eigenen Vorfahren und können einem davon ganz anders berichten als ein Buch oder das Internet es vermag.
Diese Themen haben mich so fasziniert, dass ich dachte, für einige von euch ist das bestimmt auch interessant! Und obwohl das Internet nie an einen persönlichen Bericht heranreichen kann, habe ich auf die Empfehlung unseres Fathers hin auch noch die passenden Wikipedia-Artikel zur Rate gezogen. Wenn Google und Wikipedia einen Fan haben, dann ist es dieser Father 😀
Los geht´s!
Vertreibung der Draviden / Einführung des Kastensystems
Zu Beginn eine wichtige Info: Was die Unterwerfung der Draviden durch die Arier angeht, spricht Wikipedia von einer These. Es ist die am weitesten verbreitete Ansicht, aber eben doch erst mal eine These (von der unser Father allerdings auch ohne Einschränkung ausging). Für mich ist es etwas schwierig, diese Informationen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, da ich die Weltgeschehnisse erst ab Ende des 20. Jahrhunderts genauer in Augenschein nehmen konnte. Daher gehe ich im Folgenden einfach mal von ihrer Richtigkeit aus.
In bereits lange vergangenen Zeiten wurden die einheimischen Draviden (einheimisch vermutlich auf dem indischen Subkontinent) durch die zugewanderten Arier unterworfen (unser Father sprach hier z.B. von Mongolen und den Bewohnern des heutigen Pakistan – er schob dann direkt hinterher, dass die Arier allgemein einfach Fremde waren, die man aber keinem bestimmten, heute bekannten Land zuordnen sollte. Sie müssen als einzelne Völker betrachtet werden.). Der Father sprach von einer Vertreibung der Draviden in das Gebiet des heutigen Südindiens.
Dies wurde durch den Wikipedia-Artikel insofern untermauert, als dass hier von den unterschiedlichen Sprachfamilien Nord- und Südindiens gesprochen wurde. In Nordindien werden überwiegend indoarische Sprachen gesprochen (dazu zählt zum Beispiel Hindi). Indoarische Sprachen gehören übrigens zu den indogermanischen/indoeuropäischen Sprachen dazu, wozu auch die deutsche Sprache zählt! Indoarische Sprachen sollen sich ab 1500 v.Chr. von Zentralasien aus auf dem Gebiet des heutigen Indiens ausgebreitet haben.
In Südindien werden dravidische Sprachen (wie Telugu, Malayalam oder Tamil) gesprochen, die bereits vor den indoarischen Sprachen auf dem indischen Subkontinent gesprochen worden sein sollen.

Diese Schreibmaschine mit tamilischen Schriftzeichen steht in der Typing-Class in Vembu. Einmal hat mir eine Schülerin gezeigt, wie man damit schreibt 😀
So, weg vom netten Ausflug zu der sprachlichen Teilung Indiens und wieder zurück zu den Draviden und Ariern. Denn jetzt kommt das Kastensystem ins Spiel! Wie oben bereits berichtet, unterwarfen die Arier die Draviden. Systematisch etabliert wurde das Ganze dann durch die Kasten: Angehörige der dravidischen Völker wurden zu Niedrigkastigen und Kastenlosen erklärt.
Der Hinduismus
An diesem Punkt wollte ich dann gleich an die vorangegangene Unterjochungs-These die Einführung des Hinduismus anknüpfen, damit lag ich aber ziemlich daneben wie sich rausstellte 😀
Für das Thema „Hinduismus“ muss man gar nicht so weit in den Nebel längst vergangener Zeiten zurückwandern, nämlich nur bis hin zur Zeit der britischen Kolonialherrschaft in Indien. Und die liegt erst rund 70 Jahre zurück!
Aber zuerst zur Entwicklung des Begriffs „Hinduismus“: Im 4. Jahrhundert v. Chr. fuhren die Griechen in das (damalige) indische Land ein und nannten die dortigen Einwohner aufgrund des dort fließenden Flusses Indos (uns bekannt als Indus) „Indoi“. Sehr viel später – nämlich im 8. Jahrhundert n. Chr. – trafen die Muslime scharf links im damaligen indischen Subkontinent ein (also im heutigen Pakistan/Westen Indiens) und betitelten alle Nicht-Muslime als Hindus (die Hindus mussten als Nicht-Muslime extra-Steuern zahlen, die „Kopfsteuer“).
Die Briten schließlich unterschieden erstmalig zwischen den Landesbewohnern (Inder) und der Religion Hinduismus. Ein Inder muss ja nicht gleichzeitig ein Hindu sein. Das Problem war nur, dass die nordatlantischen Inselbewohner einfach alle Religionen, die auf dem indischen Subkontinent gelebt wurden (ich schließe hier natürlich den Islam etc. aus), unter dem Begriff „Hinduismus“ zusammenfassten. Relativ fatal, wenn man bedenkt, dass diese Religionen teilweise ziemlich unterschiedlich waren und es immer noch sind (hier spielt sicherlich auch wieder die Größe des indischen SubKONTINENTS eine Rolle: bei mittlerweile weit über einer Milliarden Menschen steht die Vermutung nahe, dass ganz unterschiedliche Religionsformen praktiziert werden)! Die unterschiedlichen Völker mit ihren unterschiedlichen Religionen (und ganz verschiedenen Göttern) waren plötzlich alle hinduistisch. Daher konnte mir auch nie jemand beantworten, wie viele Götter es denn jetzt im Hinduismus eigentlich gibt. Da der Hinduismus aus vielen Religionen zusammengesetzt ist, ist es auch schwierig, klare Grenzen zu ziehen: wo genau fängt der Hinduismus an und wo hört er auf?
Hier in Vilathikulam werden unter anderem Karuppasamy (karuppu = schwarz, samy = Gott) und Mariamman (Mari ist ein Name, ammaa = Mama. Also Mariamman = Mutter Mari) verehrt.

Hier sieht man den Eingang des Mariamman-Tempel direkt neben Vembu
Fazit
Indien ist sprachlich und religiös gesehen so unglaublich vielfältig! Dies bringt natürlich auch einige Schwierigkeiten für Indien als Land mit. Durch welche Sprache zum Beispiel können sich alle Landsleute miteinander verständigen? Die Antwort: durch gar keine. Höchstens durch die Körpersprache. Auch wenn Hindi und Englisch als nationale Amtssprachen gelten, treffe ich hier sehr wenige, die das eine oder das andere sprechen können. Dann sogar noch eher gebrochenes Englisch als Hindi.
In Tamil Nadu sollte Hindi als Pflichtfach in allen Schulen eingeführt werden. Das hat sich nicht durchgesetzt: Die meisten Tamilen sind sehr stolz auf ihre Kultur und damit auch auf ihre Sprache, und viele haben gegen Hindi als Pflicht an den Schulen protestiert (wohl mit Erfolg ).
Meiner Meinung nach ist die kulturelle Vielfalt unbedingt erhaltenswert, und deshalb finde ich auch besagte Proteste ziemlich cool. Der Autor, der in Vembu ab und zu mal vorbeischneit, wurde für seinen Widerstand in Sachen Hindi an den Schulen für drei Monate eingelocht (das war am Ende seiner Collegezeit – jetzt ist er um die 60 oder 70). Ich war sehr beeindruckt und kann jetzt nur sagen: coole Socke!
Wer diese Themen auch sehr spannend findet, dem kann ich die folgenden Wikipedia-Seiten ans Herz legen, die haben dann doch noch einmal mehr Tiefgang als mein Blogeintrag 😀
Hier geht’s zum dravidischen Volk
Hier geht’s zum Hinduismus
Zum Abschluss noch eine weitere kleine Rätselaufgabe für die, die das Rätsel am Anfang des Blogeintrags problemlos lösen konnten: அப்புறம் பார்க்கலாம்!
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