In meinem letzten Blogeintrag konnte man ja schon ein paar Bilder bewundern, die kleine Ausschnitte aus meinem Alltag mit den Jungs zeigen. Da ich euch dieses Material quasi ohne zusätzliche Erläuterung hingeworfen habe, soll jetzt ein etwas ausführlicherer Eintrag zu diesem Thema folgen!

WER SIND DIE HOSTELJUNGS?
Unsere Jungs stammen allesamt aus nicht so prickelnden Verhältnissen. Sei es, dass sie familiäre Probleme haben oder einfach arm sind.
Sie kommen aus umliegenden Dörfern; unter der Woche leben sie hier im Projekt und gehen von dort aus jeden Tag in die Schule. Das Wochenende verbringen sie meist zu Hause.
Der Jüngste besucht die siebte Klasse, die Ältesten die zwölfte. Ein bunter, verrückter Haufen, der einen in den Wahnsinn treiben und genauso schnell wieder zum Lachen bringen kann!

WAS TREIBEN DIE JUNGS SO DEN GANZEN LIEBEN LANGEN TAG?
Die Boys haben einen ziemlich genau getakteten Zeitplan, der bestimmt, wann sie aufstehen, lernen, essen, spielen, in die Schule abmarschieren und viele andere Dinge.
Kurz vor sechs werden sie vom Bruder aus dem Bett geschmissen. Sie reiben sich so gut es geht den Schlaf aus den Augen und kurze Zeit später stehen dann auch schon meine Mitvoluntärin Annette und ich in der Tür. Studytime! Bis 7.20 Uhr kämpfen wir dann einen sehr harten Kampf gegen die Müdigkeit der Jungs und helfen bei den Hausaufgaben (vorzugsweise natürlich bei Englisch, manchmal wird allerdings auch versucht, mich zum Tamil-Lesen zu bringen…)
In der nächsten halben Stunde stehen Morningjobs (Motorräder abstauben, Pflanzen gießen, …) und sich schulfertig machen auf dem Plan, dann geht’s auf zum Frühstück! Da man vom Essensplatz aus einen guten Blick auf den Hof und die Straße hinter dem Tor hat, kann man beim Frühstück wunderbar das allgemeine Straßengeschehen kommentieren („This lady is head of the rowdys“), vorbeikommende Mädchen begutachten („This is beautiful girl!“ – leider hat sich daraufhin das falsche Mädchen umgedreht), den Menschen in allen möglichen Bussen zuwinken („This is my village bus!“) und unseren salesianischen Bruder verabschieden, der ins College muss (und wenn der beim ersten Mal nicht gleich antwortet, muss man ihn eben fünf mal anbrüllen: „BYE BROTHER!“).

„Take your plate, Sister!“ Ich esse eigentlich immer bei den Jungs mit

Dann kann man sich selbst auch mal irgendwann auf den Weg zur Schule machen (natürlich erst, wenn man sich von den Sisters – also uns – verabschiedet hat).
Was die Jungs im Zeitraum von halb neun bis nachmittags um halb fünf machen, kann ich nur spekulieren. Davon auszugehen, dass sie durch die Bank weg aufmerksam in der Schule sitzen, ist utopisch 😀 (man hofft natürlich trotzdem immer das Beste!).
Wenn die Jungs dann nach und nach von der Schule reintröpfeln, kannˋs auch schon mit der Spielzeit losgehen! Dauerbrenner sind Volleyball und Carromboard, Fußball und UNO sind auch gerne gesehen.

Jeden Tag fängt das Volleyballspiel genau so an: „Ok Sister, India versus Germany!“ Dass dann auch ein paar Inder im Germany-Team sind, stört niemanden großartig.

Bei Carromboard wird versucht, die Spielsteine in die Ecklöcher zu schnipsen

Nach der Gamestime heißt es dann: flott Klamotten waschen und ab zum abendlichen Tee vor der Studytime.
Die Studytime am Abend erstreckt sich über eine Zeitspanne von eineinhalb Stunden, bis acht Uhr sitzen die Jungs über ihren Hausaufgaben oder versuchen, ihre Mitschüler bzw. uns in ein Gespräch zu verwickeln. Ab und an wird mir die Freundschaft gekündigt, wenn sie finden, dass ich ja wohl absolut zu Unrecht ermahnt habe…
Anschließend gucken wir bis zur Prime Time Nachrichten mit den Jungs.

Endlich ist die Studytime zu Ende!

Danach schnappen sich alle ihre Teller und rennen (wie gestochen) runter zum Essen. Oft kann man sich schon am Anfang der Studytime hunderte Male „I am hungry! Give some snacks.“ anhören. Nach einem kleinen Gebet wird gegessen; dann bleibt Zeit, im Hof beieinander zu stehen und sich über den Tag auszutauschen. Also eigentlich. Uneigentlich werden viele Witze gemacht und mit irgendwelchen Kleinteilen Fußball gespielt 😀
Nach dem Abendgebet und der anschließenden Gute-Nacht-Ansprache geht es um kurz vor neun ab ins Bett.

„Stand for the prayer!“

WAS HAT SICH VERÄNDERT…
…seit die Jungs da sind? Für Annette und mich gefühlt alles. Die Jungs geben meinem Tag einen Rahmen: der Tag fängt mit den Jungs an und hört genauso mit ihnen auf. Ich verbringe viel Zeit mit ihnen, das heißt, ich kann mich ganz anders auf sie einlassen als zum Beispiel vorher auf die Kids der Evening Tuition, die ich vielleicht für drei Stunden am Tag gesehen habe (die sehe ich natürlich trotzdem noch :D). Man isst zusammen, spielt, lernt… Man teilt sehr viel miteinander und wird deshalb auch sehr schnell miteinander vertraut! So in etwa wie eine Familie.

Posiiiing! Mit diesem Bild verabschiede ich mich für diesmal 🙂