Mit dem Wechsel der Fathers und der Brothers wehte in das Projekt auch ein frischer Wind hinein. Besonders das Leben im Hostel hat sich etwas verändert. Das hängt zum einen damit zusammen, dass das College nun bereits um 14:30 Uhr und nicht wie bis Mai um 15:30 Uhr zu Ende ist. Zum anderen hängt es damit zusammen, dass die zwei markanten Posten im Hostel – nämlich die des „Wardens“ (Aufseher) und die seines Unterstützers („Sub-Warden“) neu besetzt wurden. Seit Juni sind nämlich Father Alex und Brother Marshal für die ca. 75 Jungs im Hostel verantwortlich. Vor allem Brother Marshall, der für die Begleitung der Jungs während des Alltags zuständig ist, ist sehr motiviert und gab am 15. Juli den Startschuss für einen Marienmonat.

Die folgenden 31 Tage sollten also ganz im Zeichen der Mutter Gottes Maria stehen. Neben der Verehrung Marias heißt Marienmonat auch vor allem besonderes Programm für die Jungs aus dem Hostel. Dafür wurden alle Jungs in vier Teams eingeteilt. Auch Felix und ich sind Mitglied zweier unterschiedlicher Teams. Der Name meines Teams ist „Black Madonna“. Unsere Konkurrenten im Kampf um den Gewinn des Marienmonats heißen „Mary Help of Christians“ oder „Our Lady of Snow“. Wie in einem anderen Blogbeitrag bereits erwähnt, ist die Verehrung der Gottesmutter in Indien deutlich ausgeprägter als in Deutschland.

Mit dem Marienmonat veränderte sich auch das alltägliche Programm für die Jungs. Die tägliche „Games Time“ ist nun ein Kräftemessen der vier konkurrierenden Teams. Zuvor war es den Jungs freigestellt, welcher Sportart (Fußball, Volleyball, Fitnesstraining, …) sie nachgehen. Nun aber treten die Mannschaften in den unterschiedlichsten und ausgefallensten Spielen gegeneinander an. Zum einen gibt es die klassischen Spiele wie Völkerball und Baseball. Aber auch lustige Ideen von Brother Marshal, die in der Praxis mal mehr und mal weniger chaotisch sind. Eine solche Idee ist zum Beispiel „Leg Cricket“. Anstatt mit einem Schläger den geworfenen Ball wegzuschießen – wie es beim Lieblingssport der Inder eigentlich der Fall ist – wird ein Fußball per Fuß weggeschossen. Als leidenschaftlicher Fußballer kam mir diese Regeländerung natürlich nicht ganz ungelegen.

Das siegende Team erhält 10 Punkte auf das Punktekonto, welches über den kompletten Monat hinweg verfolgt wird. Dieser immer fortdauernde Wettbewerb zwischen den Teams macht es den Spielleitern auch möglich durch Minuspunkte für mehr Disziplin auf dem Platz zu sorgen. So wird beispielsweise Tamilreden oder Zuspätkommen hart bestraft.

Eine weitere Möglichkeit, Punkte für sein Team zu erzielen, sind die speziellen Abendprogramme im Hostel. Ungefähr dreimal die Woche gibt es einen Wettbewerb zwischen den Teams. Beispielsweise gab es bereits einen Singwettbewerb, einen Malwettbewerb, einen Tanzwettbewerb oder ein Marienquiz. Die Leistungen der Teams werden von einem unabhängigen Gremium bewertet, was meistens aus einigen Salesianern besteht. Besonders lustig war wohl die „Fancy Dress Competition“, bei der sich jeder im Team verkleiden musste, und dann sein Gewand auf dem Laufsteg präsentieren durfte. Mich verkleideten die Jungs natürlich als Frau in einem pinken Sari! Wer sich davon überzeugen will, kann dem YouTube-Kanal von Br. Marshal einen Besuch abstatten. Unter anderem findet man dort auch ein Video wie Felix und ich ein tamilisches Gedicht aufsagen.

Leider hat mein Team bisher immer mäßig bei den bisherigen Wettbewerben abgeschnitten, sodass wir uns mit dem letzten Platz zurzeit begnügen müssen. Und das obwohl ich beim Malwettbewerb überdurchschnittliche 7 von 10 Punkten erzielen konnte, mich zum Tanzen beim Tanzwettbewerb bereitschlagen habe lassen und den Marientest bestanden habe. Aber wie pflegen die Fathers immer zu sagen: „What to do?“ Außerdem ist der Wettbewerbsgedanke hier in Indien allgemein nicht so ausgeprägt wie es in Deutschland der Fall ist. Das habe ich das ganze Jahr während der „Games Time“ bemerkt. Wenn ich mich in Deutschland mit meinen Freunden zum Fußball verabredete, wollte jeder Spieler auch den simplen Freizeitkick für sich entscheiden. Hier in Indien sieht das alles jedoch etwas entspannter aus. Es wird mehr gelacht und gescherzt – auch eben über eigene Fehler oder Fehler der Mitspieler. Eigentlich eine gute Sache! Allerdings leidet die Qualität des Spiels auch etwas darunter.

Das Hostel wurde dem Marienmonat entsprechend dekoriert. So ziert den Eingang eine Marienstatue. Zu ihren Füßen liegt ein Kästchen mit vielen, kleinen Kärtchen. Auf diesen stehen Bibelzitate oder Impulse. Allerdings leider auf Tamil, sodass ich weniger Nutzen von diesem Angebot habe. Jedoch muss ich sagen, dass seit dem Regiment von Father Alex inzwischen viel mehr Englisch unter den Jungs gesprochen wird. Das hat einerseits mit den Minuspunkten für das Team im Marienmonat zu tun, andererseits aber auch mit empfindlichen Strafen, die für dieses „Vergehen“ auch außerhalb des Marienwettbewerbs verhängt werden.

Auch die abendliche Routine hat sich etwas verändert. Anstatt dem stumpfen Wiederholen verschiedener Sätze während des „Reading Practice“ lernen die Jungs nun die Fragen für das große Marienquiz am Ende des Monats auswendig.

Sogar der nächtliche Impuls wurde um ein weiteres Element erweitert. Wenn nicht gerade ein besonderes Programm abends stattfindet, sammeln sich die Jungs um 21 Uhr vor dem Hostel. Um diese Uhrzeit beginnt nämlich das Abendgebet. Neben einem Gute-Nacht-Gebet wird nochmals speziell im Stillen für Angehörige und Bekannte gebetet. Anschließend gibt es einen „Good-Night-Talk“ von einem der Salesianern. Ein „Good-Night-Talk“ ist ein tagesabschließender Impuls. Diese Tradition bei den Salesianern geht auf den Ordensgründer „Don Bosco“ zurück. Dem Redner ist hier relativ viel Spielraum gelassen. Die populärste Variante ist eine kleine Geschichte zu erzählen und seine Gedanken und Interpretationen zu dieser hinzuzufügen. Da der komplette Tagesabschluss auf Englisch stattfindet, muss darauf geachtet werden, langsam und deutlich zu sprechen, da sonst viele der Jungs der Botschaft nicht folgen können. Allerdings kann ich mich sehr glücklich schätzen, dass dieser Abschluss tatsächlich in Englisch stattfindet und nicht wie in fast allen anderen Projekten der Salesianer in Tamil.

Auch ich durfte mich an einem „Good-Night-Talk“ versuchen. Ich entschied mich die Jungs für mehr Beteiligung an den Spielen zu motivieren. Da sie sich durch die sportliche Betätigung später wieder besser in der abendlichen „Study Time“ konzentrieren können. Ich hatte tags zuvor einen Artikel darüber im Internet gelesen und fand, dass es eigentlich echt gut passen würde. Zudem war mir aufgefallen, dass einige Jungs nur widerwillig bei den „Games“ mitmachten und so den Spielfluss etwas störten.

Das neue Element ist die Anbetung der Mutter Gottes im Anschluss an den „Good-Night-Talk“. Dann knien nämlich alle nieder und beten drei „Gegrüßet seist du Maria“. Anschließend geht es ins Bett.

Alles in allem eine echt coole Sache dieser Marienmonat, die den Jungs eine Menge Spaß bereitet. Ein toller Abschluss auch für uns Freiwillige, da es nun bald wieder gen Deutschland geht.